DFB-Präsident Reinhard Grindel erklärt im Beisein der Regionalliga-Clubvertreter Michael Welling und Bernhard Hartmann Pläne im Detail.

Als der DFB im Sommer bekannt gab, dass Chinas Olympia-Mannschaft zukünftig in der Regionalliga Südwest Freundschaftsspiele bestreiten werde, brach im Amateurlager ein Sturm der Empörung aus. Von purem Kapitalismus war die Rede. RW Oberhausens Präsident Hajo Sommers sprach von einer „Kirmesliga“ und frotzelte, dass zukünftig der Aufstieg per „Glückskeks“ entschieden werde. Der DFB stand am Pranger. Deutlich wurde: Es brodelt in der vierthöchsten deutschen Liga.

Die Regionalliga ist ein Konstrukt zwischen Provinz und Profitum: Klubs wie der SC Wiedenbrück, eine Stadt im Kreis Gütersloh mit 47.000 Einwohnern und einem Stadion für 3000 Anhänger, treffen in der Regionalliga West auf einen Traditionsklub und gefühlten Zweitligisten wie Rot-Weiss Essen mit einer Arena, die über 20.000 Zuschauer fasst. Da prallen Fußballwelten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das sorgt für Ungleichheit.

Größter Streitfall: Von den fünf Meistern steigen bisher nur drei in die Dritte Liga auf. Zuvor müssen alle Meister in die Relegation. In zwei Spielen kann aus einem Aufstiegstraum ein Aufstiegstrauma werden. Das sei, so die Kritiker, die größte Ungerechtigkeit und würde dem Meister die Belohnung nehmen. Es besteht dringender Redebedarf. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wurde dafür angeblafft.

Die scharfe Kritik am Verband machte Eindruck bei DFB-Präsident Reinhard Grindel. Er lud den Vorsitzenden von Rot-Weiss Essen, Michael Welling, und SC Wiedenbrücks Geschäftsführer Bernhard Hartmann zu einem Gipfeltreffen in die Verbandszentrale in Frankfurt/Main ein. Diese Zeitung moderierte das Gespräch in der Bibliothek. Dann überraschte Grindel die Runde mit Vorschlägen zur Regionalliga-Reform. Doch der Reihe nach.

Herr Grindel, der größte Streitfall ist die derzeitige Aufstiegsregelung. Die fünf Regionalligameister müssen in die Relegation. Am Ende steigen nur drei auf. Damit können doch auch Sie nicht glücklich sein. Oder täuschen wir uns?

Reinhard Grindel: Wir reden im DFB intensiv über die Aufstiegsfrage. Wer sich mit dem Thema seriös beschäftigt, wird schnell erkennen: einen guten Konsens zu finden, ist schwierig. Grundsätzlich halte ich es für richtig, bei einer fünfgleisigen Regionalliga zu bleiben. Die regionale Struktur macht ihre Attraktivität für Zuschauer, Sponsoren und das Fernsehen aus. Wir wollen mit den Klubs im Rahmen von Regionalkonferenzen Optionen diskutieren. Dazu gehört auch ein Modell, das besser ist als die jetzige Regelung und fast alle Wünsche berücksichtigen würde.

Wir sind sehr gespannt...

Grindel: Von fünf Staffelsiegern steigen vier auf. Ich nenne das mal: Vier von fünf.

Wie soll das aussehen?

Grindel: Ich möchte da nicht vorgreifen. Dies soll zunächst wie gesagt mit allen Regionalliga-Trägern und mit allen Klubs besprochen werden. Ich betone dabei, dass es sich nur um eines von mehreren Modellen handelt, über die gemeinsam und offen diskutiert werden soll. Dazu gehören auch eine modifizierte Aufstiegsrunde oder eine Erhöhung der 3. Liga auf 22 Klubs bei fünf Absteigern. Es muss sich dann zeigen, welche Lösung die größte Zustimmung erfährt. Mir persönlich erscheint momentan die erstgenannte Variante, also vier von fünf, viele Vorteile zu bieten.

Wenn es vier Regionalliga-Aufsteiger geben soll, müssten aus der 3. Liga statt drei auch vier Mannschaften absteigen. Glauben Sie, dass sie die betroffenen Klubs überzeugen können, einen Absteiger mehr zu akzeptieren?

Grindel: Ich denke es gäbe gute Argumente, es überzeugend vermitteln zu können. Wir glauben auch, dass die Vertreter der 3. Liga wissen, dass wir dringend etwas ändern müssen. Ich hoffe, dass sie sich vor diesem Hintergrund solidarisch zeigen. Es wäre ein wichtiges Signal an die gesamte Fußballfamilie.

Herr Welling, wären Sie mit vier aus fünf zufrieden?

Welling: Das Modell ist auf jeden Fall besser als das bisherige. Ich finde gut, dass für Klubs, die Meister werden wollen, eine höhere Chance besteht, tatsächlich auch aufzusteigen. Ich bin aber gespannt, wie die Drittligisten auf diesen Vorschlag reagieren. Die wären nämlich die Verlierer – eine Veränderung ohne Nachteile gibt es aber nicht.

Grindel: Man kann natürlich immer etwas finden, das einem nicht gefällt. Aber vielleicht sollte man auch einmal sagen: Der DFB macht sich ernsthaft Gedanken und will das Problem lösen.

Herr Hartmann, wie gefällt Ihnen das Modell?

Hartmann: Die Aufstiegsregelung, wie wir sie jetzt kennen, findet niemand gut. Es kann nicht sein, dass Waldhof Mannheim im Relegationsspiel in Meppen einen Elfmeter an den Pfosten schießt und deshalb nicht aufsteigt. Alles andere ist deshalb besser.

Herr Grindel, was geschieht, wenn Sie für Ihr favorisiertes Modell keine Mehrheit erhalten? Im Gespräch ist auch eine Aufstiegsrunde.

Grindel: Wir werden auch das Modell einer erweiterten Aufstiegsrunde zur Diskussion vorlegen. Wir gehen ohne Festlegungen ergebnisoffen in die Diskussionen. Aber ich denke, dass das Modell vier aus fünf gute Chancen haben könnte, sich durchzusetzen.

Warum?

Grindel: Weil es eine einfache und gerechte Lösung ist. Der Grundsatz, der Meister muss aufsteigen, wird zwar nicht in Gänze erreicht, aber in den meisten Fällen. Das Modell würde so angelegt sein, dass für die Klubs deutlich mehr Planungssicherheit herrschen würde als im aktuellen Modus.

Wie sieht der Zeitplan aus? Wann könnten Sie mit der neuen Aufstiegsregelung starten?

Grindel: Im September wollen wir die Gespräche mit den Regionalligaklubs und der 3. Liga führen. Anfang Oktober möchten wir den Spielausschuss offiziell mit der Prüfung beauftragen. Danach würde das Ergebnis im Kreis der Landes- und Regionalverbände noch einmal abschließend besprochen. Unser Ziel ist die Verabschiedung der neuen Struktur durch den DFB-Vorstand im Dezember.

Wann könnte es losgehen?

Grindel: Mit Beginn der Saison 2018/2019.

Herr Grindel, als publik wurde, dass ein chinesisches Nachwuchsteam in der Regionalliga Südwest spielen soll, sorgte das bei Klubs und Anhängern für heftige Reaktionen. Hatten Sie das erwartet?

Grindel: Die Regionalligisten verlangen vom DFB Unterstützung. Direkte Zahlungen sind wegen des Gemeinnützigkeitsrechts aber schwierig. Wir können einen Ligasponsor besorgen, überall einen Mittelkreisaufleger oder Banden vermarkten oder eben Freundschaftsspiele vermitteln. Genau das haben wir getan und das wurde allseits begrüßt, sonst hätten wir den Gedanken doch gar nicht weiter verfolgt. Konkret heißt das 15.000 Euro Einnahme für ein Testspiel auf gutem Niveau gegen die chinesische U20-Auswahl. Wir waren der festen Überzeugung, der Regionalliga damit etwas Gutes zu tun. Aber als dann, auch durch die Einwände von Herrn Welling, diese Geschichte so skandalisiert wurde, sind die Ultras von Waldhof Mannheim, von Koblenz und den Stuttgarter Kickers gekommen und haben gesagt: So geht das nicht. Ich sage es mal so: Auf die Idee, dass das ein derartiges Problem werden könnte, ist beim DFB niemand gekommen.

Herr Welling, das hört sich schlüssig und vernünftig an. Warum sperren Sie sich dagegen?

Welling: Herr Grindel kann nur die Spitze des Eisberges wahrnehmen. Beim China-Thema bin ich gar nicht so sperrig wie alle glauben. Wir haben einen ironisierenden Facebook-Post verfasst, der auf sehr, sehr fruchtbaren Boden gefallen ist, was die Unzufriedenheit von Fans mit vielen Themen widerspiegelt. In der China-Sache selbst finde ich aber, dass es vom DFB unglaublich ungeschickt kommuniziert wurde. Niemand hat doch etwas dagegen, ein Freundschaftsspiel zu machen und dafür noch Geld zu bekommen. Aber die Reaktionen muss man einbetten in den Gesamtkontext der aktuellen Diskussion.

Hartmann: Da muss ich Herrn Welling beipflichten. Ich schlage ein Sportmagazin auf und lese: Chinesische U-20 soll eingegliedert werde. Ich dachte: Oh Gott, was soll das denn jetzt? Dann las ich weiter, informierte mich und dachte: Okay, das hört sich gar nicht mal so schlecht an. Tatsache ist: Wir haben eine 19er Liga. Das heißt: Es gibt ein spielfreies Wochenende. Dann kommt mein Trainer und sagt: Wir brauchen einen Testgegner. Da muss ich in ganz Deutschland suchen, um eine geeignete Mannschaft zu finden. Deshalb finde ich diese Sache mit den Chinesen gut. Mein Vorstand sagte mir: Geschäftsführer, die so eine Idee ablehnen, müsste man eigentlich entlassen, da sie Regionalligavereine um eine hohe Zusatzeinnahme bringen würden.

Grindel: Mit falscher Kommunikation durch den DFB hat das nichts zu tun. Alle Klubs haben es richtig verstanden und akzeptiert. Es ist von außen, insbesondere vom FK Pirmasens, die Sache skandalisiert worden. Es ging aber nie um die Eingliederung in den Spielbetrieb. Welcher Regionalligist bekommt für ein Freundschaftsspiel 15.000 Euro? Wer das ablehnt, dem muss es finanziell blendend gehen.

Könnte es sein, dass die China-Geschichte der Katalysator für eine allgemeine Unzufriedenheit der Regionalligisten ist? Oberhausens Klubchef Hajo Sommers sagte: Die Regionalliga sei eine schöne Liga. Man dürfe nur nicht drin bleiben...

Hartmann (lacht): Wir sind froh, wenn wir möglichst früh wissen, dass wir nicht absteigen.

Grindel: Für Wiedenbrück ist die Regionalliga die Champions League des Amateurfußballs. Und es gibt viele SC Wiedenbrücks in Deutschland. Die Regionalität ist das Mittel, das es zulässt, dass auch kleine Klubs die Möglichkeit haben, auf dieser Ebene mitzuspielen.

Die Traditionsklubs sehen das anders, Herr Grindel.

Grindel: Essen, Mannheim, Offenbach oder die Stuttgarter Kickers fühlen sich natürlich eher als Zweit- oder Drittligisten und manche sehen sich durch böse Mächte dazu verdammt, in dieser Klasse zu spielen. Dass Herr Welling den DFB attackiert, hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass die Fans sich fragen: Wir haben eine tolle Stadt, ein großes Stadion und eine lange Tradition – warum spielen wir eigentlich schon so lange in der Regionalliga? Auf so eine Idee könnte man natürlich auch mal kommen.

Welling: Lieber Herr Grindel, das ist nun aber schlechte, von den DFB-Problemen ablenkende Polemik. Da wir auch mal polemisch sind, ist das aber okay. Inhaltlich weise ich das aber entschieden zurück.

Herr Welling schlug eine zweigleisige Vierte Liga zwischen der aktuellen 3. Liga und den aktuellen Regionalligen vor. Warum denkt der DFB darüber nicht nach?

Grindel: Wenn wir auf zwei Regionalliga-Staffeln umschwenken würden, wäre das ein Insolvenzversprechen für zahlreiche Regionalligisten. Sie hätten dann einen Aufwand wie in der 3. Liga, aber kein TV-Geld, kaum Derbys und keine Wahrnehmung der regionalen Wirtschaft. Deshalb bringen hier die fünf Staffeln viele Vorteile.

Welling: Die Zweiteilung muss nicht auf Regionalligaebene sein, wir brauchen aber eine Pyramide im Aufbau. Grundsätzlich habe ich aber ein Problem mit dem Begriff „ChampionsLeague der Amateure“. Das ist eine Umkehrung des Leistungsprinzips. Das hat mit Sport für mich nichts mehr zu tun. Ich frage mal Herrn Hartmann: Wollt Ihr aufsteigen?

Hartmann: Nein.

Welling: Das heißt: Für euch ist die Regionalliga das höchste der Gefühle?

Hartmann: Ja. Technisch und organisatorisch haben wir eine Grenze erreicht. Wir haben unser Stadion mit Eigenmitteln, ohne Zuschüsse der Kommune oder des Landes regionalligatauglich gemacht und 850 000 Euro, die wir durch Sponsoren generiert haben, investiert. Wir haben 3000 Plätze. Unser Gesamtetat für den gesamten Verein beträgt 1,5 Millionen Euro für den Gesamtverein. Mehr geht nicht. Da ist Schluss für uns.

Wenn es, wie Herr Welling vorgeschlagen hatte, eine neue zweigeteilte vierte Liga gäbe, würde der SC Wiedenbrück herausfallen und müsste in die fünfte Liga. Wäre das für Sie eine Bestrafung?

Hartmann: Natürlich. Weil es keine sportliche Entscheidung wäre, sondern eine politische.

Herr Welling, was haben Sie gegen Wiedenbrück?

Welling: Nichts. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die dort gemacht wird.

Was spricht denn noch gegen eine zweigleisige Vierte Liga?

Grindel: Warum sollten wir in einer gesunden Regionalligastruktur mehr als der Hälfte der Regionalligisten die Möglichkeit einfach entreißen? Der Übergang von Profi- und Amateurfußball ist zwischen 3. Liga und Regionalliga gut aufgehoben. Es ist unser sportpolitischer Ansatz, dass Spieler in der Regionalliga weiterhin ihren Ausbildungen oder Berufen nachgehen können.

Hartmann: Zwei vierte Ligen wären wie eine Profiliga. Das kann der deutsche Fußball nicht vertragen.

Fühlen Sie sich vom DFB eigentlich verstanden und gut vertreten, Herr Hartmann?

Hartmann: Grundsätzlich ist der Landesverband für uns zuständig. Und da haben wir ein sehr enges und vertrauensvolles Verhältnis. Wenn ich anrufe, erhalte ich sofort eine Rückmeldung. Wir haben keinerlei Probleme. Und wenn es mal Schwierigkeiten gibt, wird mir geholfen.

Ein Streitpunkt in der Debatte über die Regionalliga sind auch die Nachwuchsmannschaften der Bundesliga-Klubs. Die seien unattraktiv, weil sie keine eigenen Anhänger zu Auswärtsspielen mitbringen würden. Stimmt der Vorwurf, Herr Grindel?

Grindel: Viele Regionalligisten wollen auf die U23 nicht verzichten. Im Norden zieht der HSV Zuschauer, im Süden Bayern München und im Nordosten Hertha BSC. Die Zuschauer können Spieler aus dem Bundesligakader sehen. Außerdem ist es für Talente die Chance, regelmäßig auf gutem Niveau zu spielen und sich zu empfehlen, gerade wenn sie aus der U19 raus sind.

Stimmt es, Herr Hartmann, dass diese Bundesliga-Nachwuchsmannschaften mehr Fans anlocken?

Hartmann: Nein. Es gibt nur wenige Ausnahmen wie die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund. Da war unser Gästeblock ausverkauft. Ansonsten locken diese Teams keine Zuschauer an. Fußballerisch habe ich allerdings nichts dagegen, weil man da auch mal Spieler sehen kann wie zum Beispiel Patrick Herrmann oder Marc-André ter Stegen, die in der U23 von Mönchengladbach schon gegen den SC Wiedenbrück gespielt haben. Viele Regionalligisten freuen sich, wenn sie auf Mannschaften treffen, in denen Spieler stehen, die bekannt sind oder werden.

Die Regionalliga gilt als Totengräber der Klubs. Alemannia Aachen ging in die Insolvenz, Wattenscheid droht das gleiche Schicksal. Sind das Einzelschicksale oder liegt es an einer mangelhaften Struktur?

Welling: Das hat nichts mit der Struktur einer Liga zu tun. Dafür sind die Klubs verantwortlich. Wenn Vereine wirtschaftlich über ihren Verhältnissen leben und in die Insolvenz gehen, sind sie selber schuld. Die Ligastruktur selbst ist nie der Totengräber. Solche Ausreden darf niemand vorbringen.