St. Petersburg. Der Bundestrainer hat einiges riskiert – sich und den deutschen Fußball zu blamieren. Nun hat er alles gewonnen.

Dieses Nicken. Das macht man nur, wenn man tief zufrieden mit sich und der Welt ist. Oder zu müde für ausschweifendere Siegerposen. Joachim Löw blieb noch einmal auf der Gangway stehen, als er am Montagmorgen auf dem Petersburger Flughafen in eine Maschine Richtung Heimat stieg. Weißes T-Shirt, schwarze Sonnenbrille. Die Nacht war kurz. Erst halb fünf war Löw nach einem Glas Rotwein im Bett. Um sechs musste der 57-Jährige wieder hoch. Nun, auf der Gangway, hielt er an, schaut zurück – und nickte wie ein Vater bei der Abiturfeier zu seinem Sohn, von dem er immer wusste, dass er die Sache hinkriegen würde. Ende einer Reise, die vor vier Wochen begann.

Zehn Stunden zuvor bekam man Joachim Löws blanke Brust zu sehen. Sein blaues Hemd war fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und mit Sekt besudelt. Kurz vor Mitternacht hatte ein Partykommando um Joshua Kimmich und Leon Goretzka im Krestowski-Stadion von St. Petersburg die Pressekonferenz mit Löw nach dem 1:0 gegen Chile im Finale des Confed Cups geentert.

"Historisches in der deutschen Geschichte"

„Die Nummer eins der Welt sind wir“ – grölend hatten sie den goldenen Pokal an den Bundestrainer übergeben, und der genoss jetzt den Moment. „Ich bin megastolz auf die Mannschaft“, sagte Löw und ließ sich von seinen Emotionen in etwas zu große Dimensionen treiben: „Dass es gerade diese Jungen geschafft haben, diesen Titel zu gewinnen, ist etwas Einmaliges und Historisches in der deutschen Geschichte.“

Aber irgendwie passte das Größenverhältnis doch: Löws zusammengepuzzeltes Team, in dem vor Turnierbeginn nur zwei Spieler mit der Erfahrung von mehr als 20 Länderspielen steckte, hatte gegen die abgebrühten Veteranen aus Chile bestanden und damit erstmals den Confed Cup für Deutschland gewonnen. Was das bedeutet? Löw grinste: „Arturo Vidal hat vor dem Turnier gesagt, die Chilenen wollen den Pokal, weil sie dann die beste Mannschaft der Welt seien“, hob er an. Kunstpause. „Deutschland ist immer noch die beste Mannschaft der Welt.“ Als Löw später in die Nacht verschwand, die für die Spieler in einer Petersburger Disco weiterging, klatschten außer den deutschen alle Reporter im Raum.

Per­spektivteam geschickt

Und es stimmt ja: Man kann diese Leistung eigentlich nicht hoch genug einschätzen. Löw ist in Russland ein Jahr vor der WM ein Kunststück gelungen. Aus Rücksicht auf die beanspruchten Weltmeisterkörper hat er ein Per­spektivteam geschickt, dass viele schon nach der Gruppenphase wieder daheim wähnten. Auch wenn er es selbst niemals so sah, riskierte Löw, sich zu blamieren – und den deutschen Fußball mit dazu. Nun steht Letzterer so strahlend da wie seit dem WM-Triumph von Rio vor drei Jahren nicht mehr.

Über allem strahlt Löw als Vater des Erfolgs. „Eine Meisterleistung von Jogi“, würdigte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Und falls man doch noch Zweifel daran hatte, ob die Spieler den Confed-Cup-Sieg wirklich auch so hoch bewerten würden, musste man nur Shkodran Mustafi zuhören: „Wir genießen das, als ob es ein Weltmeistertitel ist“, sagte der Verteidiger.

Gutes Betriebsklima

Es ist eine Sache, in einer Mannschaft, die sich erst vor vier Wochen direkt vor dem Testspiel gegen Dänemark (1:1) kennenlernte, ein gutes Betriebsklima zu erzeugen. Eine andere ist, ihr das Wissen mitzugeben, mit dem sie im Turnier erfolgreich ist. Löw gelang das. Das Finaltor von Lars Stindl hat er in einer Teamsitzung vor dem Endspiel nach Abendblatt-Informationen genauso angekündigt: Bei der Analyse wurde Timo Werner darauf hingewiesen, dass Marcelo Diaz gern zu lange den Ball vor dem Tor spazierenträgt. Es kam so.

Nun ist der Confed Cup Geschichte, aber aus ihm und dem U-21-EM-Titel erwächst ein hehrer Anspruch. Löw formulierte ihn mit einem Witz: „Ich muss jetzt natürlich überlegen, wen von den daheimgebliebenen Weltmeistern ich nächstes Jahr zu dieser Mannschaft hier dazunehme“, sagte er. Für Löw sind Weltklassespieler wie Toni Kroos und Mesut Özil weiter unantastbar. Goretzka, Turniertorschützenkönig Werner oder Stindl sind allerdings dichter an sie herangerückt und üben einen Binnendruck aus, der motiviert.

Bessere Position erspielt

Aber auch Spieler, die in Russland weniger Einsatzzeit bekamen, haben für sich werben können, so Löw: „Jeder, der hier dabei war, hat eine bessere Position als vor dem Confed Cup.“ Das Argument aber, wonach die Titelgewinne mit zwei improvisierten Teams die WM-Titelverteidigung zwangsläufig mache, fand Löw unangebracht: „Confed Cup und U-21-EM sind keine Garantie, Weltmeister zu werden. Da muss man fast Übermenschliches leisten.“