Nach der 27. Meisterschaft kündigen die Club-Bosse eine umfassende Saisonanalyse an. Lahm: „Der Umbruch wird kommen“.

Wolfsburg/München. Carlo Ancelotti drückte Karl-Heinz Rummenigge ein zärtliches Küsschen auf die Wange, dann schnappte sich Kapitän Philipp Lahm im roten Meistershirt das Megafon und gab nach dem letzten Titelgewinn seiner Karriere den Startschuss zu einer spontanen Party: Als die Stars von Bayern München ihre 27. Meisterschaft mit einer 6:0 (3:0)-Gala beim VfL Wolfsburg unter Dach und Fach gebracht hatten, ließen sie es im angemessenen Stile eines Rekordchampions krachen – und wischten zumindest zeitweise den Frust über das enttäuschende Abschneiden in Champions League und DFB-Pokal beiseite.

„Wenn sie keinen Gin-Tonic in der Kabine haben, nehme ich nichts“, sagte Mats Hummels schon kurz nach dem Abpfiff breit grinsend. Zwar sollte sich die Sehnsucht des Weltmeisters nach einem kalten Mischgetränk in Wolfsburg noch nicht erfüllen. Doch auf dem Heimflug, in einem Restaurant in der bayrischen Landeshauptstadt und schließlich bis in die frühen Morgenstunden im Münchner Nachtleben begossen die Bayern ihre historische fünfte Meisterschaft in Serie doch noch gebührend.

„Diese Bundesliga-Saison war eine fantastische Erfahrung, die Mannschaft hat einen sehr guten Job gemacht“, sagte Ancelotti, der vor der rot-weißen Fankurve ausgelassen tanzte und sang. Vorstandsboss Rummenigge hatte sich schon vor dem Abpfiff mit seinen Kollegen auf der Tribüne das erste Titel-Bierchen aus einem Plastikbecher gegönnt. „Die Meisterschaft ist der ehrlichste Titel, das haben wir vor der Saison gesagt“, meinte Rummenigge: „Den haben wir zum fünften Mal in Folge gewonnen, und das ist etwas Außergewöhnliches und unglaublich.“

Hoeneß: Dürfen uns die Meisterschaft nicht schlechreden lassen

Präsident Uli Hoeneß jubelte auf einem Fanevent in München über die Treffer von David Alaba (19.), Robert Lewandowski (36. und 45.), Arjen Robben (66.), Thomas Müller (80.) und Joshua Kimmich (85.). „Wir alle müssen endlich mal darauf hinweisen, dass es immer noch etwas ganz Besonderes ist, deutscher Meister zu werden“, sagte der Vereinspatron bei Sky: „Wir müssen aufhören, uns eine Meisterschaft schlechtreden zu lassen.“ Tatsächlich hat der FCB erneut seine nationale Dominanz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch die Ausbeute mit einem Titel in der ausklingenden Saison entspricht nicht dem enormen Anspruchsdenken des deutschen Branchenriesen.

Reaktionen auf Bayerns 27. Meisterschaft

Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge

„Die Meisterschaft ist der ehrlichste Titel. Wir sind zum fünften Mal in Folge Meister geworden, das ist etwas Außergewöhnliches und unglaublich. Wir haben nicht den arroganten Anspruch, jedes Jahr das Triple zu gewinnen. Wir haben eine gute Saison gespielt und sind total verdient Meister geworden. Wir werden eine schöne Party feiern.“

Bayern-Trainer Carlo Ancelotti

„Ich bin sehr glücklich. Nach der schwierigen Periode war es eine fantastische Erfahrung in der Bundesliga. Wir haben einen guten Job gemacht und verdient den Titel gewonnen. Wir hatten heute einen Matchball, die Motivation war groß. Es war eine tolle Zusammenarbeit in dieser Saison, ich habe es genossen. Ich fühle mich als Mitglied der Bayern-Familie.“

Bayern-Kapitän Philipp Lahm

„Vier Spieltage vor Schluss Deutscher Meister zu werden, ist nicht selbstverständlich. Wir haben zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht. Wir haben gezeigt, dass wir Spielfreude entfachen können. Dann wird es für jeden Gegner schwierig. Ich werde jetzt in den letzten drei Wochen jedes Training genießen.“

Bundestrainer Joachim Löw

„Glückwunsch an den FC Bayern zum verdienten und souveränen Gewinn der Meisterschaft, besonders an Trainer Carlo Ancelotti und die Spieler. Auch in dieser Saison hat Bayern die Liga dominiert und frühzeitig den Titel eingefahren, das ist außergewöhnlich und belegt die hohe Qualität.“

Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff

„Der FC Bayern setzt sich selbst immer die höchsten Ziele, national wie international. Der Bundesliga haben sie auch in diesem Jahr wieder ihren Stempel aufgedrückt und sind das Maß der Dinge. Das verdient größten Respekt und höchste Anerkennung. Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und dem gesamten Club kann man dazu nur gratulieren.“

DFB-Präsident Reinhard Grindel

„Mit dem fünften Meistertitel in Folge hat der FC Bayern München seine beeindruckende Serie in der Bundesliga weiter ausgebaut und erneut ein Stück Fußballgeschichte geschrieben. Der sogar noch größere Erfolg liegt deswegen in der Kontinuität, mit der es der FC Bayern Jahr für Jahr schafft, Maßstäbe zu setzen.“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer

„Mit einem fulminanten Sieg haben sich die Bayern erneut die Spitzenstellung in der Bundesliga gesichert. Die Meisterschaft schon heute haben auch ein wenig die Schanzer ermöglicht. Denn wenn's drauf ankommt, ist auf die Ingolstädter Verlass! Hoffentlich auch in der nächsten Bundesligasaison.“

Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes

„Natürlich wird die Saison 2016/17 der Mannschaft, dem Verein und seinen Fans trotz des Meistertitels nicht als herausragende Spielzeit in Erinnerung bleiben. Sie wird nicht den allerhöchsten internationalen Ansprüchen des Vereins genügen. Doch die Basis für diese Ansprüche und künftige Erfolge muss jedes Jahr in der Bundesliga gelegt werden. Und hier haben die Münchner mit der fünften Deutschen Meisterschaft in Folge wieder Historisches geleistet. Das verdient größten Respekt.“

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„Eigentlich hätten wir in der nächsten Woche ein Spiel haben müssen, aber das war uns nicht vergönnt“, sagte Arjen Robben und spielte damit auf das anstehende Champions-League-Halbfinale an, das ohne Ancelottis Elf stattfindet. Das Aus gegen Real Madrid schmerzt noch immer, noch frischer ist die frustrierende Erinnerung an die 2:3-Niederlage im Pokal-Semifinale gegen Borussia Dortmund. „Wir können es noch besser machen“, sagte Ancelotti in einem ersten Fazit über seine Premieren-Saison als Bayern-Coach. Der Triple-Traum erfüllte sich auch nach dem Abgang von Pep Guardiola nicht, die Münchner werden nun viele Steine umdrehen.

Ancelotti versuchte, Lahm umzustimmen

„Wir haben nicht diesen arroganten Anspruch, jedes Jahr das Triple zu gewinnen“, sagte Rummenigge zwar bei Sky; in 117 Jahren Vereinsgeschichte sei dies schließlich auch nur 2013 einmal gelungen: „Manchmal spielen auch Glück oder Pech eine entscheidende Rolle.“ Der FC Bayern wird alles daran setzen, das Glück wieder auf seine Seite zu zwingen. „Auf die Dauer ist ein Titel schon ein bisschen wenig für uns“, hatte Hoeneß schon vor der Krönung gesagt. Über neue, Millionen schwere Stars wird ebenso diskutiert wie über den vakanten Sportdirektoren-Posten.

Bayern Münchens Meisterstück in Wolfsburg

Sprung zur Meisterschaft: David Alaba eröffnete den bayrischen Torreigen in Niedersachsen. Am Ende hieß es 6:0 für den Rekordmeister
Sprung zur Meisterschaft: David Alaba eröffnete den bayrischen Torreigen in Niedersachsen. Am Ende hieß es 6:0 für den Rekordmeister © dpa | Swen Pförtner
In der 19. Minute zirkelte der Österreicher einen Freistoß zur Führung gegen den VfL Wolfsburg ins Netz
In der 19. Minute zirkelte der Österreicher einen Freistoß zur Führung gegen den VfL Wolfsburg ins Netz © dpa | Swen Pförtner
Es war Alabas dritter Saisontreffer
Es war Alabas dritter Saisontreffer © dpa | Swen Pförtner
Der Dank des 24-Jährigen ging auch nach oben
Der Dank des 24-Jährigen ging auch nach oben © REUTERS | Fabian Bimmer
Noch mehr Routine im Toreschießen hat Robert Lewandowski – wie hier beim dritten Treffer in der 45. Minute
Noch mehr Routine im Toreschießen hat Robert Lewandowski – wie hier beim dritten Treffer in der 45. Minute © REUTERS | Fabian Bimmer
Der polnische Stürmer jubelte darüber ganz cool
Der polnische Stürmer jubelte darüber ganz cool © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Auch Bayern-Trainer Carlo Ancelotti konnte das Spiel relativ entspannt verfolgen
Auch Bayern-Trainer Carlo Ancelotti konnte das Spiel relativ entspannt verfolgen © REUTERS | Fabian Bimmer
Auf der Bank hatten derweil Arturo Vidal (v.l.) und Franck Ribéry Zeit für Mätzchen – während Dauer-Ersatz Renato Sanches eher missmutig dreinblickte
Auf der Bank hatten derweil Arturo Vidal (v.l.) und Franck Ribéry Zeit für Mätzchen – während Dauer-Ersatz Renato Sanches eher missmutig dreinblickte © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Bei diesem Fan konnte es sich also nur um einen Vidal-Doppelgänger handeln
Bei diesem Fan konnte es sich also nur um einen Vidal-Doppelgänger handeln © Getty Images
Auch Bayern-Boss Karl Heinz Rummenigge (l.) besah sich das Meisterstück auf der Tribüne
Auch Bayern-Boss Karl Heinz Rummenigge (l.) besah sich das Meisterstück auf der Tribüne © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Bedröppelt: Daniel Didavi und Robin Knoche stecken mit Wolfsburg weiter im Abstiegskampf
Bedröppelt: Daniel Didavi und Robin Knoche stecken mit Wolfsburg weiter im Abstiegskampf © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Sitzfußball mit Thoms Müller – Münchens Identifikationsfigur bereitete zwei Treffer vor
Sitzfußball mit Thoms Müller – Münchens Identifikationsfigur bereitete zwei Treffer vor © REUTERS | Fabian Bimmer
Darunter auch das 4:0 durch Arjen Robben
Darunter auch das 4:0 durch Arjen Robben © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Zwischendurch war für den Niederländer noch ein bisschen Artistik
Zwischendurch war für den Niederländer noch ein bisschen Artistik © dpa | Peter Steffen
Und so konnte auch Kapitän Philipp Lahm trotz Auswechslung im viertletzten Spiel seiner Karriere wieder lachen
Und so konnte auch Kapitän Philipp Lahm trotz Auswechslung im viertletzten Spiel seiner Karriere wieder lachen © Getty Images
Aktiver Meister: Ersatztorhüter Sven Ulreich
Aktiver Meister: Ersatztorhüter Sven Ulreich © Getty Images
Zu allem Überfluss verlor Wolfsburg noch seinen Kapitän Luiz Gustavo mit Gelb-Rot
Zu allem Überfluss verlor Wolfsburg noch seinen Kapitän Luiz Gustavo mit Gelb-Rot © Reuters
Dafür spendete der Brasilianer Schiedsrichter Felix Zwayer noch höhnischen Applaus
Dafür spendete der Brasilianer Schiedsrichter Felix Zwayer noch höhnischen Applaus © Reuters
Nach dem Spiel führte Kapitän Philipp Lahm sein Team in die Fankurve
Nach dem Spiel führte Kapitän Philipp Lahm sein Team in die Fankurve © Reuters
Dort führten die Bayern-Profis ein Tänzchen auf
Dort führten die Bayern-Profis ein Tänzchen auf © Reuters
Noch ist die Schale aus Pappe – im nächsten Heimspiel gibt es dann das Original
Noch ist die Schale aus Pappe – im nächsten Heimspiel gibt es dann das Original © Reuters
Auch Carlo Ancelotti streifte sich sein erstes deutsches Meistershirt über
Auch Carlo Ancelotti streifte sich sein erstes deutsches Meistershirt über © Reuters
Seinem Boss Rummenigge drückte Ancelotti dann noch einen Kuss auf die Wange
Seinem Boss Rummenigge drückte Ancelotti dann noch einen Kuss auf die Wange © Getty Images
Und für die Fans gab's Winke-Winke
Und für die Fans gab's Winke-Winke © Reuters
"Super Bayern, hey, hey": Franck Ribéry (v.l.), Robert Lewandowski, Arturo Vidal, Rafinha und Douglas Costa © Reuters
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„Der Umbruch wird automatisch kommen. Mit Xabi Alonso und mir fallen ja schon mal zwei Alte weg“, sagte Kapitän Lahm, der mit dem achten Titel in den exklusiven Kreis der Rekord-Meisterspieler zu Oliver Kahn, Mehmet Scholl und Bastian Schweinsteiger aufstieg. In der kommenden Saison müssen andere Stars Verantwortung übernehmen.

Denn alle Versuche von Ancelotti, den Weltmeister doch noch umzustimmen, helfen nichts. Auch nach dem Meisterstück in Wolfsburg rief der Italiener „don’t stop, don’t stop“ in Richtung seines Anführers. Lahm lächelte nur. Und freute sich auf seine letzten Wochen im Trikot des 27-maligen deutschen Meisters.