Zürich . Die Endrunde findet ab 2026 mit 48 Nationen statt. Weitere Änderungen könnten folgen. Vor allem die deutsche Szene ist in Aufruhr.

Die Mega-WM kommt: Das Fifa-Council hat die umstrittene Aufstockung der WM-Teilnehmerzahl beschlossen. Beim noch nicht vergebenen Turnier 2026 werden erstmals 48 statt der bislang 32 Mannschaften um den Titel spielen, entschied der Rat des Fußball-Weltverbandes am Dienstag in Zürich einstimmig.

Statt der bislang acht Gruppen mit jeweils vier Teams wird es im neuen Modus in der Vorrunde 16 Gruppen mit je drei Teams geben. Bis zuletzt war auch eine Aufstockung auf 40 Nationen in der Diskussion.

Voraussichtlich werden die Teams auf den Plätzen eins und zwei jeder Gruppe in die K.o.-Runde einziehen. Weitere Details zur Mammut-Endrunde wollte die Fifa nach Ende der Sitzung am Dienstag bekanntgeben. Die Gesamtzahl der WM-Spiele steigt voraussichtlich von 64 auf 80 Partien. 2018 und 2022 findet die WM noch mit 32 Teams statt.

Elferschießen-Entscheidung steht aus

Ob es wie von Fifa-Präsident Gianni Infantino angeregt bei der XXL-WM keine Unentschieden mehr geben und jede Partie auch in der Vorrunde bei Gleichstand mit einem Elfmeterschießen entschieden werden wird, steht allerdings noch nicht fest. Auch die Verteilung der Startplätze pro Konföderation wurde noch nicht beschlossen.

Scheut die Menge nicht: Fifa-Präsident Gianni Infantino (M., neben Diego Maradona), hier am Montag bei einem Benefiz-Kick mit Ex-Profis in Zürich
Scheut die Menge nicht: Fifa-Präsident Gianni Infantino (M., neben Diego Maradona), hier am Montag bei einem Benefiz-Kick mit Ex-Profis in Zürich © Imago/Ulmer

Voraussichtlich soll die sportpolitisch brisante Frage der Quotenplätze bis zum Fifa-Kongress im Mai in Bahrain geklärt werden. Europa hat derzeit mit 13 Startern das größte Kontingent. Infantino hatte besonders Afrika und Asien mehr WM-Teilnehmer versprochen.

DFB im Fifa-Council ohne Stimme

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), im Council nach dem Ausscheiden von Wolfgang Niersbach derzeit ohne Stimme, sorgt sich nach dem Fifa-Beschluss um die Zukunft des Fußballs. "Meine große Sorge ist, dass sich der Fußball an sich verändert, dass die Attraktivität des Spiels leidet. Wir alle lieben Spiele, in denen sich die Mannschaften mit offenem Visier begegnen. Nun sehe ich aber die Gefahr, dass wir künftig vermehrt defensiv eingestellte Teams sehen könnten", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Dementsprechend zeigte sich der 55-Jährige "nicht glücklich mit dieser Entscheidung". Er hätte sich "vor allem gewünscht, dass alle wichtigen Fragen zu Organisation und Modus komplett geklärt sind. Da der Beschluss aber einstimmig getroffen wurde, gilt es nun, ihn zu respektieren und den Blick nach vorn zu richten".

Bierhoff spricht von "Verwässerung"

Allerdings müsse "bei allem Verständnis und Sympathie für die Bestrebungen, den Fußball auch weiter in Regionen Afrikas und Asiens zu entwickeln, jedem auch klar sein, dass es allen dient, den elementar wichtigen Kernmarkt Europa auch bei den Startplätzen weiterhin stark abzubilden".

Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff pflichtete Grindel bei. "Ich kann jeden verstehen, der die Aufstockung des Teilnehmerfeldes als eine Verwässerung empfindet. Auch für mich fühlen sich 48 Teams beim größten und wichtigsten Turnier der Welt zu viel an", sagte der Europameister von 1996.

Bundestrainer Joachim Löw kritisierte die Mega-WM ebenfalls. "Ich finde das bisherige WM-Format mit 32 Mannschaften immer noch gut und kann aus rein sportlicher Sicht einer Aufstockung gar nichts abgewinnen“, sagte Löw auf der DFB-Internetseite. Auch durch die Steigerung der Teilnehmer bei der EM 2016 von 16 auf 24 sei der Fußball „nicht attraktiver geworden. Man sollte das Rad nicht überdrehen“.

Seeler poltert, Hrubesch überrascht

Auch in der weiteren deutschen Fußballszene wurde die Fifa-Entscheidung größtenteils mit Befremden aufgefasst. "Ich bin überrascht", sagte DFB-Nachwuchstrainer Horst Hrubesch. Die Überlastung der Spieler sei bereits im alten Modus äußerst hoch gewesen. "Es wird immer noch mehr reingepackt, immer mehr. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das durchgeht. Der DFB hat sich zu Recht dagegen gewehrt", sagte der ehemalige HSV-Profi.

HSV-Ikone Uwe Seeler kann sich mit einer Mega-WM überhaupt nicht anfreunden
HSV-Ikone Uwe Seeler kann sich mit einer Mega-WM überhaupt nicht anfreunden © Picture Alliance

Noch deutlicher wurde die Hamburger Legende Uwe Seeler. "Da habe ich überhaupt kein Verständnis für. Das finde ich ganz schlecht", sagte der DFb-Ehrenspielführer. "Das wird derart langatmig. Das wird für den Fußball nicht gut sein, das hat man bei der EM gesehen. Aber es war klar, dass es kommen würde, denn damit kann man ein paar Mark mehr machen."

Kritische Stimmen gegen die Aufstockung hatte es zuletzt vor allem aus dem deutschen Fußball gegeben. Bundestrainer Joachim Löw und Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatten mehrfach Bedenken geäußert.

Reaktionen auf die Mega-WM

Uwe Seeler (Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft)

"Da habe ich überhaupt kein Verständnis für. Das finde ich ganz schlecht. Das wird derart langatmig. Das wird für den Fußball nicht gut sein, das hat man bei der EM gesehen. Aber es war klar, dass es kommen würde, denn damit kann man ein paar Mark mehr machen."

Berti Vogts (Ex-Bundestrainer)

"Ich bin sehr, sehr erschrocken, ich mag es nicht glauben. Das ist furchtbar. Wenn man die WM zugrunde richten will, muss man diesen Weg weitergehen. Ich verstehe es einfach nicht. Das ist nicht mehr meine WM. Was soll das bloß? Es ist ganz schlimm."

Horst Hrubesch (Europameister von 1980, zuletzt Trainer der Olympia-Auswahl)

"Ich bin überrascht. Die Überlastung der Spieler war im alten Modus schon sehr hoch. Es wird immer noch mehr reingepackt, immer mehr. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das durchgeht. Der DFB hat sich zu Recht dagegen gewehrt."

Carlo Ancelotti (Trainer Bayern München)

"Ich bin generell gegen mehr Spiele. Der Terminkalendar ist jetzt schon voll. Die FIFA hat aber gesagt, dass es trotz der Aufstockung nicht mehr Spiele geben wird. Man muss abwarten, was passiert."

Jörg Schmadtke (Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln)

"Das ist idiotisch. Wir haben ohnehin immer mehr Belastung, und dann wird die WM auch noch aufgeblasen, das finde ich nicht gut. Den sportlichen Wert kann ich nicht erkennen. Schon bei der EM waren viele Spiele langweilig."

Martin Schmidt (Trainer FSV Mainz 05)

"Ich denke, dass der Fußball der ganzen Welt gehört und dass jeder die Chance haben muss, bei so einem Turnier dabei zu sein."

Rüdiger Fritsch (Präsident des Bundesligisten Darmstadt 98)

"48 Mannschaften werden nicht dazu beitragen, die sportliche Qualität zu erhöhen. Für die Ausrichtung des Fußballs als Sportart Nummer eins ist das eine Entscheidung, die mehr Länder begüstigt. Wirtschaftlich ist die Entscheidung also sicher begründbar, sportlich ist sie fraglich."

Arne Friedrich (ehemaliger Fußball-Nationalspieler)

"Eine aufgeblähte WM, um noch mehr Geld zu generieren? Was soll man dazu noch sagen? Die Qualität der Spiele wird darunter leiden."

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Lemke und Transparency International warnen

Kurz vor der Entscheidung hatte auch der frühere UN-Sonderberater für Sport, Willi Lemke, vor einer Ausweitung gewarnt. Die WM müsse „als Premiumprodukt erhalten bleiben und darf nicht verwässert werden“, sagte der frühere Bremer Senator und Werder-Manager im Deutschlandfunk. Eine WM im derzeitigen Format sei „das Beste vom Besten“. Mit mehr Teilnehmern sinke die Qualität, warnte Lemke. Auch Transparency International kritisierte die mögliche Erhöhung der Teilnehmerzahl.

Bei der Erweiterung gehe es um wirtschaftliche Interessen, kritisierte Lemke, die Förderung kleinerer Verbände spiele keine Rolle. „Ich habe einfach die Angst, dass es immer weiter ausufert. Das ist nicht im Interesse der Fans“, sagte er.

Auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International kritisierte die Fifa-Pläne. Dadurch werde es für kleinere Länder noch schwieriger, ein WM-Turnier auszurichten, sagte die Sportbeauftragte Sylvia Schenk im Deutschlandradio Kultur. „Die Ausrichterländer werden ja nicht unbedingt mehr Geld verdienen, unter Umständen müssen die mehr ausgeben“, sagte sie.