Schäfer und Nürnberg-Trainer Weiler attackieren den tumorerkrankten Frankfurt-Kapitän Russ, der zum Pechvogel des Spiels avancierte.

Es gibt kaum eine Möglichkeit in der Berichterstattung über das Relegationshinspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg (1:1) Marco Russ unerwähnt zu lassen. Bekanntgabe seiner Tumorerkrankung wenige Stunden vor dem Spiel, elfmal Russ in der Startelf laut den Eintracht-Fans, Eigentor, Gelbsperre und böse Unterstellungen des (Noch)-Zweitligisten. Der Frankfurter Kapitän stand am Donnerstagabend in vielerlei Hinsicht im Mittelpunkt.

Wie angekündigt stand Russ trotz seines schweren Schicksalschlags in der Startformation, was die Eintracht-Fans entsprechend honorierten. Als besondere Geste für ihren Kapitän riefen die Anhänger beim Vorlesen der ersten Elf nach jedem Vornamen Russ.

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Kurz vor der Pause dann das große Pech für Russ, von dessen Fuß der Ball ins Tor prallte. „Das ist mit das Schlimmste, was ihm passieren konnte“, kommentierte Eintracht-Präsident Peter Fischer Russ’ Missgeschick zur Pause. Der robuste Innenverteidiger blieb im Mittelpunkt, als er sich zu allem Überfluss auch noch eine Gelbsperre in der zweiten Hälfte abholte und somit im Rückspiel zum Zugucken verdammt ist. 7,20 Millionen Zuschauer (24,5 Prozent Marktanteil) verfolgten das Russ-Drama im Ersten. Das war ein guter Wert, aber nicht so gut wie vor einem Jahr, als der HSV im Hinspiel gegen den Karlsruher SC (1:1) um den Klassenerhalt kämpfte und 9,32 Millionen Interessierte vor die Bildschirme lockte.

Russ im Zentrum der Nürnberger Kritik

Was dann aber nach dem Spiel von Nürnberg Seite aus verbreitet wurde, hatte mit Fairplay nicht mehr viel zu tun. „Der Fußball soll nicht herhalten für irgendwelche Inszenierungen. So etwas am Spieltag zu kommunizieren, finde ich nicht optimal“, sagte Nürnbergs Trainer René Weiler in der ARD. „Welche Inszenierung hat er gemeint?“, fragte Frankfurts Coach Kovac anschließend ungläubig, „Krankheiten kann man nicht inszenieren, es ist nicht fair, so etwas zu behaupten.“ Kovac beteuerte, es erst am Abend davor erfahren zu haben.

Auch bei den Fans im Netz brachte sich Weiler mit seiner Aussage gegen sich auf. „René Weiler mit dem Feingefühl eines Panzers. Unfassbar“, twitterte „@Halbzeit3“ stellvertretend für etliche empörte Zuschauer.

Nürnbergs Torwart-Oldie Raphael Schäfer, 37, legte bei Sky sogar noch einen nach. „Ich glaube, wenn einer wirklich schwer krank ist, kann er kein Fußball spielen.“

Nürnberg entschuldigt sich bei Russ

Offenbar wurde den Club-Verantwortlichen noch im Laufe der Heimreise bewusst, welche Tragweite diese Aussagen hatten, wodurch sie sich genötigt sahen, eine Pressemitteilung mit einer Entschuldigung zu verfassen. „Meine Worte waren dumm, dafür kann ich mich nur aufrichtig entschuldigen. Ich habe mich voreilig geäußert, ohne Bescheid zu wissen. So etwas darf mir nicht passieren, das ist absolut nicht in Ordnung. Ich wünsche Marco das Allerbeste und bin sicher, dass er wieder gesund wird“, erklärte Schäfer darin.

Auch Weiler revidierte seine Kritik. „Es ist pietätlos, dass ein Club und ein erkrankter Spieler fast dazu genötigt werden, die intimsten Dinge preisgeben zu müssen, um nicht als Dopingsünder in Verdacht zu stehen“, sagte der Schweizer. „Ich habe meine Aussage auch bei Marco Russ sowie den Frankfurter Verantwortlichen persönlich unmittelbar klargestellt.“

Kovac greift Staatsanwaltschaft an

Ein bisschen Kritik gab es dann aber doch noch. Diesmal allerdings seitens der Gastgeber. Kovac kritisierte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gegen Russ heftig. „Wie das bei uns im Trainingscamp abgelaufen ist, das war eine Frechheit. Das kann man so nicht machen. Ich bin geschockt gewesen“, sagte der frühere Bayern-Profi.

Es sei unbenommen die Pflicht der Staatsanwaltschaft, nach der Kenntnisnahme eines möglichen Dopingfalles zu ermitteln, sagte Kovac. „Nur: Dann bekommt man vom Arzt eine Bestätigung, dass Russ erkrankt ist, und trotzdem kommt immer noch jemand und sagt, ich glaube dem nicht. Und dann wird auch noch erklärt, der Befund des Arztes sei nicht da gewesen. Das ist eine Lüge, das ist nicht die Wahrheit“, ereiferte sich der Kroate. „Es gibt viele, auch die Beamten, die können das Gegenteil bezeugen.“

Kovac bezeichnete zudem den Zeitpunkt der NADA-Mitteilung, die am Mittwochnachmittag zeitgleich an den Verein, den Deutschen Fußball-Bund und die Staatsanwaltschaft gegangen war, als fragwürdig. „Ich halte das, salopp gesagt, für schlecht. Das ist nicht gut gelaufen“, erklärte er. „Unsere Vorbereitung wurde genauso gestört wie die des Gegners. Aber wir haben daran keine Schuld.“ Er finde es merkwürdig, „dass es mit den Ergebnissen drei Wochen dauert und diese dann vor einem so wichtigen Spiel veröffentlicht werden“.