Wolfsburg. Vor dem Spiel des Jahres in der Champions League gegen Real Madrid eröffnet Wolfsburgs Meistertrainer einen Nebenkriegsschauplatz.

Kruse-Ärger, Bendtner-Rauswurf, Bundesliga-Mittelmaß: Beim VfL Wolfsburg ist die Vorfreude auf das eigentliche Spiel des Jahres in der Champions League gegen Real Madrid am Mittwoch (20.45 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de) erheblich getrübt. Vor dem Viertelfinal-Hinspiel gegen die "Königlichen" macht nun auch noch ein ehemaliger Trainer ein Fass auf: Denn Felix Magath hat unverhohlen öffentlich Kritik an seinen Nachfolgern in Wolfsburg geäußert.

"Dieter Hecking und Klaus Allofs, vor Monaten noch gefeiert ob ihrer Arbeit, scheinen die aktuellen Probleme nicht in den Griff zu kriegen“, schrieb der frühere Sportchef des VfL in seiner tz-Kolumne (Montag). Er behauptete in Bezug auf den Mutterkonzern Volkswagen: „Den Vereins-Verantwortlichen fehlen die Argumente, gleichbleibende Zahlungen zu fordern angesichts miserabler sportlicher Leistungen.“

Magath, der Wolfsburg 2009 zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, spielte während seines zweiten Engagements bei den Niedersachsen zumeist nur gegen den Abstieg. Ende 2012 wurde Allofs sein Nachfolger in Wolfsburg als Sportchef und machte wenig später Dieter Hecking zum Trainer. Das Duo führte den VfL 2015 zurück in die Champions League und zum Pokalsieg. In der laufenden Saison läuft der VW-Club als Tabellen-Achter den eigenen Ansprüchen in der Bundesliga hinterher.

Allofs rechtfertigt Bendtner-Rauswurf

"Es sind konkrete Dinge vorgefallen": Nicklas Bendtner steht beim VfL Wolfbsurg auf dem Abstellgleis © Imago/foto2press

Allofs hat derweil noch einmal die Freistellung von Stürmer Nicklas Bendtner verteidigt. „Bei Nicklas sind konkrete Dinge vorgefallen. Wir haben ihn als Gefahr für unsere Gemeinschaft gesehen. Da mussten wir reagieren“, sagte Allofs am Sonntagabend im NDR-„Sportclub“.

Bendtner war in der vergangenen Woche vom Trainingsbetrieb freigestellt worden, nachdem er zuvor bereits wochenlang nicht mehr berücksichtigt worden war. Über die sportliche Zukunft des 28-Jährigen solle es „zeitnah“ eine Entscheidung geben. Der Däne war im Sommer 2014 ablösefrei vom FC Arsenal gekommen. In Wolfsburg hatte sich der Angreifer nie durchsetzen können.

Draxler will Krise ignorieren

Julian Draxler will beim Gedanken an Real indes seinen Ärger über die Bundesliga-Krise vergessen. "Ich verspüre eine Riesenvorfreude", sagt der Wolfsburger Offensivspieler im SID-Interview: "Ich glaube, es gibt nichts Schöneres, als an einem Mittwochabend im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid zu spielen."

Zur Einstimmung schaute sich Draxler am Sonnabend auf dem Computer den Clásico zwischen Real und dem FC Barcelona an. Was er beim 2:1-Prestigesieg der Königlichen zu sehen bekam, war für ihn zwar nicht neu, aber dennoch beeindruckend: "Sie sind vorne einfach brutal stark besetzt und waren vor dem Tor ständig gefährlich."

Das Siegtor von Cristiano Ronaldo hatte es Draxler besonders angetan. "Von Cristiano Ronaldo kann man nur beeindruckt sein", sagte der 22-Jährige. In früheren Jahren habe er sich Videos vom Portugiesen angeschaut, um sich selbst zu verbessern. Am Mittwochabend will Draxler aber kein staunender Begleiter des Superstars sein. "Wir hoffen, dass wir ihn in den beiden Spielen so gut es geht in Schach halten können", sagt er: "Am Ende geht es aber um Wolfsburg gegen Real und nicht um Wolfsburg gegen Ronaldo."

Raúl witzelt mit seinem Kumpel

Draxler weiß aus eigener Erfahrung, dass jede Unkonzentriertheit vom Madrider Starensemble gnadenlos bestraft wird. Mit seinem Ex-Klub Schalke 04 hatte er sich vor zwei Jahren im Achtelfinale der Königsklasse blamiert, nach zwei Lehrstunden stand es am Ende 2:9. Eine Wiederholung des Traumas schließt Draxler so gut wie aus.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir im eigenen Stadion ein gutes Ergebnis holen", sagt der Nationalspieler. Man habe zwar "gehörigen Respekt", aber "keine Angst vor Real Madrid". Um dem Mitfavoriten auf den Champions-League-Sieg ein Bein zu stellen, "müssen wir mental vol da sein, körperlich robust agieren, hinten gut stehen und vorne immer wieder Nadelstiche setzen".

Dafür ist Draxler selbst verantwortlich. Real-Ikone Raúl, zu dem der Wolfsburger seit gemeinsamen Tagen auf Schalke ein besonderes Verhältnis pflegt, wird genau hinschauen. "Wir hatten gleich nach der Auslosung Kontakt. Er hat mir geschrieben: Seit wir uns kennen, spielst du jedes Jahr gegen Real Madrid", sagt Draxler schmunzelnd: "Da habe ich ihm geantwortet, dass er natürlich weiß, dass es seine Aufgabe ist, mir Karten für meine Familie fürs Rückspiel zu besorgen."

Draxler übt Selbstkritik

Solche Highlight-Spiele wie gegen Real Madrid dürften in der kommenden Saison für Wolfsburg ausbleiben. Nach der 0:3-Pleite beim direkten Konkurrenten Bayer Leverkusen droht der Werksklub sogar die Europa League zu verpassen. Draxler ist selbstkritisch: "Wir bekommen zurzeit in der Bundesliga die Leistung nicht auf den Platz, um international nächste Saison vertreten zu sein."

Er selbst hat in der Rückrunde einen Schritt nach vorne gemacht, nachdem der Start in Wolfsburg nach seinem geräuschvollen 38-Millionen-Euro-Wechsel mehr als holprig war. Die Bürde, stets an den überragenden Leistungen des abgewanderten Kevin De Bruyne gemessen zu werden, wog schwer. "Kevin hatte in Wolfsburg wahrscheinlich die Saison seines Lebens gespielt, von daher war es schwer, rein statistisch gesehen an ihn heranzukommen", sagt Draxler: "Ich war weder ein Fehlkauf, noch bin ich der beste Spieler in Deutschland. Da kann ich mich schon realistisch einschätzen."

Pragmatisch denkt Draxler auch über Teamkollege Max Kruse, der zuletzt außerhalb des Platzes für viele Schlagzeilen gesorgt hat. "Was er in seinem Privatleben macht, das bleibt ihm überlassen", sagt Draxler. Aufbauen müsse er Kruse nicht: "Ich habe nicht den Eindruck, dass Max das allzu groß belastet, weil er ein lockerer Typ ist, der damit gut umgehen kann."