Paris/Hamburg. EM-Debütant ist der vermeintlich leichteste Gegner, Polen der stärkste. Löw warnt vor der Ukraine - und gesteht ein “mulmiges Gefühl“.

Um 18:51 Uhr hatte Oliver Bierhoff seinen Job in der großen Halle vom Palais des Congrès erledigt. Der DFB-Manager, den der Deutsche Fußball-Bund als Glücksfee nach Paris geschickt hatte, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als die weiße Kugel mit den schwarzen Buchstaben U-K-R-A-I-N-E gut sichtbar vom Glücksfeekollegen David Trezeguet in die Kamera gehalten wurde. Die bereits zuvor zugelosten Nordirland sowie Polen und eben die Ukraine standen somit als Deutschlands Vorrundengegner in der Gruppe C bei der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Sommer (10. Juni bis 10. Juli) fest. „Natürlich sind alle Gegner ernst zu nehmen, aber ich wollte auf jeden Fall Italien als Gegner verhindern“, kommentierte Bierhoff wenige Sekunden später sein eigenes Werk.

Rückkehr an den Ort des Schreckens

Zu diesem Zeitpunkt stand längst fest, dass Deutschland das zuvor mehrfach beschworene Losglück bei Auslosungen wieder einmal treu geblieben ist. Die Mannschaft von Nationaltrainer Joachim Löw startet das Turnier am 12. Juni (21 Uhr) in Lille mit dem Spiel gegen Ukraine. Am 16. Juni (21 Uhr) im Stade de France in Saint-Denis ist Polen aus der gleichen Qualifikationsgruppe erneut der Gegner.

Für Deutschland wird es eine Rückkehr an den Ort sein, an dem die Mannschaft vor vier Wochen während der Attentate in Paris gegen Frankreich spielte. Und zum Abschluss trifft der amtierende Weltmeister in Paris am 21. Juni (18 Uhr) auf EM-Debütant Nordirland. Sollte Deutschland seiner Favoritenrolle gerecht werden und die Vorrunde als Gruppensieger beenden, würde im Achtelfinale – erneut in Lille – ein Dritter aus den Gruppen A, B oder F warten. Zur Erinnerung: Erstmals kommen die ersten beiden und die besten vier Gruppendritten ins EM-Achtelfinale.

Das sind die deutschen Spielorte

Stade Pierre Mauroy (Lille)

1. Gruppenspiel am 12. Juni (21.00 Uhr) in Lille gegen die Ukraine Offizieller Spielort ist Lille, gespielt wird aber tatsächlich im nahegelegenen Villeneuve-d’Ascq. Die Stadt mit 62 300 Einwohnern liegt im Norden in der Region Nord-Pas-de-Calais in ländlicher Umgebung mit Parks und Seen. Im Freilichtmuseum zeigen strohbedeckte Häuser, Werkstätten und Scheunen die Tradition dieser Gegend. Stade Pierre Mauroy, 50.100 Zuschauer, Neubau 2012, 4 Gruppenspiele, 1 Achtelfinale, 1 Viertelfinale

Stade de France (Paris/St. Denis)

2. Gruppenspiel am 16. Juni (21.00 Uhr) in Paris/Stade de France gegen Polen Paris/St. Denis: Saint-Denis gehört zu den sozialen Randvierteln mit Einwandererfamilien und hoher Arbeitslosigkeit. 2005 kam es zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Bei einer Razzia am 18. November wurde kurz nach den Terrorattacken von Paris der mutmaßliche Drahtzieher, der belgische Islamist Abdelhamid Abaaoud, erschossen. Stade de France, 80.000 Zuschauer, Bestand, 4 Gruppenspiele inklusive Eröffnungsspiel, 1 Achtelfinale, 1 Viertelfinale, Finale

Prinzenpark (Paris)

3. Gruppenspiel am 21. Juni (18.00 Uhr) in Paris/Prinzenpark gegen Nordirland Paris: Die Hauptstadt an der Seine mit 2,2 Millionen Bewohnern gehört zu den wichtigsten Reisezielen weltweit. Mit dem Louvre-Museum, dem Eiffelturm und der Kathedrale Notre-Dame hat die Stadt beeindruckende Sehenswürdigkeiten zu bieten, die Prachtavenue Champs-Élysées ist ein Mekka für Shopping-Erlebnisse. Parc des Princes, 45.000 Zuschauer, Umbau, 4 Gruppenspiele, 1 Achtelfinale

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Schwerster Gegner auf dem Weg dorthin ist ohne Frage Polen mit Bayerns Superstar Robert Lewandowski. Der Münchner alleine erzielte in der Qualifikation 13 Treffer. Und wie ernst Deutschland die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka nehmen muss, weiß Löws Auswahl spätestens seit der 0:2-Qualifikationsniederlage in Warschau. „Ich muss schon zugeben, dass ich mich selbst bei dem Gedanken 'Ausgerechnet Polen' ertappt habe“, sagte DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball, der besonders als Dortmunds Präsident um Lewandowskis Stärken weiß: „Den Robert und seinen Torriecher kennen wir ja.“

Löw kennt die Stärken der Ukraine

Allerdings sollte auch der Auftaktgegner keinesfalls unterschätzt werden. Das Team um Topscorer Andriy Yarmolenko (sechs Qualifikationstore) konnte sich zwar erst in den Play-offs mit 2:0 und 1:1 gegen Slovenien durchsetzen, musste sich zuvor in der Gruppenphase Europameister Spanien allerdings nur zweimal knapp mit 0:1 geschlagen geben. „Sie stehen besonders sicher in der Abwehr“, weiß Bundestrainer Löw, am festlichen Sonnabend ganz leger mit offenem, weißen Hemd und ohne Krawatte.

Am einfachsten dürfte sicherlich die Aufgabe gegen die Nordiren werden, die noch nie an einer EM-Endrunde teilgenommen haben. Aber: In der Qualifikation konnte die Mannschaft von Trainer Michael O'Neill immerhin Ungarn, Griechenland, Finnland und die Färöer besiegen. Und: Auch gegen Deutschland konnte der Fußballzwerg schon zweimal gewinnen. Lange ist's her, aber in der Qualifikation zur EM 1984 besiegten die Insulaner Deutschland zweimal mit 1:0.

Die deutschen Gruppengegner im Kurzporträt

Ukraine (12. Juni, 21 Uhr, in Lille)

Die frühere Sowjetrepublik feierte 2012 als Co-Gastgeber EM-Premiere als eigenständiger Staat. Erstmals sportlich qualifiziert - durch einen Zittersieg in den Playoffs gegen Slowenien.  Bisherige EM-Teilnahmen: 1Größte Erfolge: WM-Viertelfinale 2006Trainer: Michail FomenkoStar: Andrej Jarmolenko (Dynamo Kiew)

Polen (16. Juni 2016, 21.00 Uhr, in Paris/Stade de France)

Das EM-Ticket sicherte natürlich Superstar Robert Lewandowski mit seinem Tor zum 2:1 gegen Irland. 2008 war Polen erstmals EM-Gast, ein Sieg sprang seitdem noch nicht heraus. Schon in der Qualifikation waren die Polen deutscher Kontrahent. Bisherige EM-Teilnahmen: 3Größte Erfolge: WM-Dritter 1974 und 1982, Olympiasieger 1972Trainer: Adam NawalkaStar: Robert Lewandowski (FC Bayern München)

Nordirland (21. Juni 2016, 18.00 Uhr, in Paris/Prinzenpark)

Was für eine Erfolgsstory: Gruppensieger vor Rumänien und Ungarn. In der Weltrangliste auf Platz 30 so gut wie noch nie in der Geschichte. Nach der EM geht's in der WM-Quali gleich wieder gegen Deutschland. Bisherige EM-Teilnahmen: -Größte Erfolge: WM-Teilnahmen 1958, 1982, 1986, EM-Quali EM 2016Trainer: Michael O'NeillStar: Kyle Lafferty (Norwich City)

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Löw hatte im Flieger ein "mulmiges Gefühl"

Dass es an diesem Sonnabend im Palais des Congrès aber um mehr als nur um Fußball und um ein 1:0 ging, konnten Besucher schon Stunden vor der eigentlichen Auslosung spüren. Vier Wochen nach den schlimmen Anschlägen vom 13. November, bei denen 130 Menschen durch acht Terroristen des selbsternannten Islamischen Staates hingerichtet wurden, sicherte ein Großaufgebot von Polizisten, Militär und privaten Sicherheitsdiensten das Pariser Kongresszentrum wie eine Festung.

„Ich muss schon zugeben, dass natürlich auch ich ein mulmiges Gefühl hatte, als ich im Flugzeug nach Paris saß. Und trotzdem freue ich mich auf das Turnier im Sommer“, sagte Löw. „Man sieht ja auch hier in Paris, dass die Franzosen alles für die Sicherheit tun.“ Auf einen ähnlichen Sicherheitsapparat dürfen sich die deutschen Fußballfans auch gefasst machen, die im kommenden Sommer die DFB-Auswahl auf ihrer Titelmission begleiten wollen. Dann, so die Hoffnung aller, soll es in Frankreich aber vor allem wieder nur um Fußball gehen.

Gleich sechs Fußballzwerge feiern EM-Premiere

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Sie sind wieder wer: Ungarn, Vize-Weltmeister von 1954, nimmt erstmals seit der EM 1972 wieder an einem großen Kontinentalturnier teil © Reuters
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Volksfest in Tirana: In Albaniens Hauptstadt feierten Tausende Fußballfans die erstmalige Teilnahme ihres Landes an einem großen Turnier © dpa
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Wie nach einem ganz großen Titel: Die Waliser posierten nach der erfolgreichen EM-Qualifikation im bosnischen Zenica fürs spontane Gruppenbild © dpa
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Die treuen walisischen Fans - hier nach Schlusspfiff in Bosnien - werden ihr Land bei der ersten großen Turnierteilnahme nach der WM 1958 sicher lautstark unterstützen © Getty Images
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Absoluter Höhenflug: Auch Nordirland und sein Trainer Michael O'Neill feiern im nächsten Jahr EM-Premiere © Witters
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Stimmgewaltig, wie es sich für Fans von der Insel gehört: Die Anhänger der Nordiren nach dem 3:1-Sieg gegen Griechenland © Witters
Daumen hoch: O'Neill nach dem letzten Schritt. Bislang war Nordirland lediglich bei einer WM vertreten
Daumen hoch: O'Neill nach dem letzten Schritt. Bislang war Nordirland lediglich bei einer WM vertreten © Witters
Fußballzwerg Island löste sein EM-Ticket bereits am drittletzten Gruppenspieltag - mit einem 0:0 im Laugardalsvollur-Stadion gegen Kasachstan
Fußballzwerg Island löste sein EM-Ticket bereits am drittletzten Gruppenspieltag - mit einem 0:0 im Laugardalsvollur-Stadion gegen Kasachstan © Picture Alliance/dpa
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Zuvor hatten die Insulaner sogar die Fußballmacht Niederlande auswärts mit 1:0 besiegt © Witters
Trainiert werden die Isländer von einem alten Schweden: Lars Lagerback
Trainiert werden die Isländer von einem alten Schweden: Lars Lagerback © Getty Images
Er öffnete das Tor zur EM-Premiere: Slowakeis Superstar Marek Hamsik, hier nach seinem Treffer zum 1:0 beim entscheidenden 3:0-Sieg in Luxemburg
Er öffnete das Tor zur EM-Premiere: Slowakeis Superstar Marek Hamsik, hier nach seinem Treffer zum 1:0 beim entscheidenden 3:0-Sieg in Luxemburg © dpa
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