Beim 5:4 in Leverkusen erzielt der Niederländer vier Tore und beweist, wie wertvoll er für den VfL Wolfsburg ist

Leverkusen. Maulfaul, griesgrämig und zynisch: Der Fußball-Bundesliga ist ein Profi verloren gegangen, der lange Zeit kein guter Mittelstürmer, sondern ein großes Missverständnis war. Zweieinhalb Jahre lang wusste Bas Dost die Rolle des unzufriedenen Reservisten perfekt auszufüllen. Dass er sich beim VfL Wolfsburg chronisch missverstanden gefühlt hat und jetzt Tore in Serie schießt, ist keiner wundersamen Wandlung, sondern neuen Vorzeichen zu verdanken.

Wann immer Dost versucht hatte, sich gegen teaminterne Rivalen wie Srdjan Lakić, Patrick Helmes oder Ivica Olić durchzusetzen, fehlten das nötige Glück, die entsprechende Fitness oder das Vertrauen des Trainers. In den bisherigen vier Spielen der Rückrunde erzielte Dost sieben Tore, vier davon beim 5:4-Erfolg in Leverkusen. Gesprächig, optimistisch und charmant: Der neue Dost löst den mäkeligen Dost ab.

Für Dost waren die vier Tore (6./29./63./90+3. Minute) etwas Besonderes, aber kein persönlicher Rekord. Im Dezember 2011 erzielte er beim 5:0 des SC Heerenveen bei Excelsior Rotterdam alle fünf Tore. „Aber das war gegen den 16. der Ehrendivision“, relativierte Dost, der im Sommer 2011 für rund sieben Millionen Euro nach Wolfsburg gekommen war. „Der Gegner von heute ist Bundesliga-Sechster. Da sind vier Tore eine größere Hausnummer.“ Und der letzte Treffer war die Krönung. „Das Beste war, das Siegtor noch zu schießen. Ich fahre erst mal mit dem Bus zurück und werde viel zum Lachen haben.“

Viel Lob erhielt Stehaufmännchen Dost, der bei der Anreise im ICE wegen eines Durcheinanders bei der Platzreservierung auf dem Boden sitzen musste, auch von Wolfsburgs Manager Klaus Allofs. „Er hat das außergewöhnlich gut gemacht“, sagte er und fügte wegen seiner etwas ungelenken Spielweise hinzu: „Es sieht bei ihm oft anders aus als bei anderen Spielern. Aber er ist nicht weniger effektiv.“

An den letzten Trainingstagen während der Winterpause war der Stimmungswandel schon offensichtlich gewesen. Dost alberte und blödelte im Training herum, als sei er der mit Abstand zufriedendste Mann im Kader des VfL Wolfsburg. Seit Routinier Olić an den HSV verkauft ist und Dost dauerhaft den Vorzug vor Nicklas Bendtner erhält, wirkt der Mann mit der Rückennummer 12 wie durch Glück gedopt. „Es hat bei ihm ein bisschen Klick gemacht“, findet Allofs. „Das war ein wichtiges Zeichen und ein Riesen-Vertrauensvorschuss an ihn. Diesen zahlt er jetzt zurück“, glaubt auch Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking.

Und natürlich: Für ihn war es nur eine Frage der Zeit, bis der 25-Jährige den Durchbruch schafft. Über Monate war in Wolfsburg darüber diskutiert worden, warum Felix Magath im Sommer 2012 ausgerechnet diesen schrulligen Torjäger für sieben Millionen Euro von Heerenveen gekauft hatte. „Das Gerede hat mich gestört. Das waren Mistdebatten“, sagt Dost heute über eine für ihn düstere Zeit.

Das Beste an diesem Typen ist: Er bewahrt sich mitten in dem Trubel, der gerade um ihn entsteht, eine gewisse Gelassenheit und Distanz zum Geschehen. Er gibt zu, dass vieles an seiner Spielweise komisch aussieht. Der Mann mit den Plattfüßen läuft nicht besonders viel, wenn er als einzige Sturmspitze aufgeboten wird. Seine Körperhaltung signalisiert oft: Selber schuld, Jungs, wenn ich von euch den Ball nicht bekomme, kann ich kein Tor schießen.

Die Botschaft ist vor allem bei seinen Kollegen Kevin de Bruyne, Andre Schürrle, Ricardo Rodriguez und Vieirinha angekommen. Sie versorgen ihn mit scharfen Hereingaben am Fließband und können danach im Grunde gleich zum Gratulieren weiterlaufen. Dost hat sein Selbstvertrauen zurück und verspürt wieder Lust auf die für ihn typischen Laufwege. Er bringt sich mit einem kurzen Antritt in Position, zeigt sich am kurzen Pfosten, um dann direkt zu vollstrecken. Vielleicht waren seine Mitspieler bisher zu betriebsblind, diese Variante zu erkennen. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass Dost zu früheren Zeiten nicht schnell und entschlossen genug gerannt ist.

Die Nostalgiker unter den Fans des VfL Wolfsburg erinnern sich wehmütig. In dieser wundersamen Saison 2008/ 2009, als ihr Verein deutscher Fußballmeister geworden ist, war alles einfach. Wo auch immer der Ball hingerollt war: Der Bosnier Edin Dzeko oder der Brasilianer Grafte standen schon da und beförderten ihn ins Tor. Lässt sich so etwas wiederholen? Dost sind in den vergangenen zehn Pflichtspielen neun Treffer gelungen. „Wenn ich fit bin, bin ich gut genug für den VfL Wolfsburg“, findet der Mann mit dem grundlegenden Denkfehler. Dost glaubt bis heute, dass ein Fußballspiel nicht gut sein kann, in dem er nicht mitspielt oder trifft. Jede Minute auf der Ersatzbank oder ohne Tor macht ihn zu einem größeren Stinkstiefel.