Das Comeback von Bastian Schweinsteiger sorgt in München für den Höhepunkt beim 4:0 gegen Hoffenheim

München. Für diesen Moment, hat Bastian Schweinsteiger später leise und ein bisschen nachdenklich gesagt, habe sich jede Trainingseinheit der langen Reha rentiert. Gemeint war seine ausgiebig bejubelte Einwechselung für Mario Götze in der 77. Minute, um 17.06 Uhr, wie manch ein Beobachter eifrig notierte. Ein bisschen Überhöhung gehört wohl dazu, wenn der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft nach 132 Tagen Zwangspause wegen anhaltender Beschwerden an der Patellasehne zurückkehrt, erstmals in einem Pflichtspiel seit dem WM-Finale am 13. Juli in Brasilien. Das heroische Bild seines blutenden Cuts unter dem rechten Auge war damals ebenso um die Welt gegangen wie seine zuckenden Beine, als er während der Verlängerung getackert wurde. Nach dem Titelgewinn weinte Schweinsteiger vor Glück.

Tränen der Freude waren nun nicht zu beobachten, aber an Pathos hat es auch diesmal nicht gemangelt. Als der 30-Jährige für die letzten 13 Minuten beim 4:0 (2:0) des FC Bayern gegen die TSG 1899 Hoffenheim hereinkam, übertraf die Stimmung in der Münchner Arena sogar manch einen Torschrei. Die Menschen im Stadion standen nahezu ausnahmslos, viele jubelten ausgelassen, sogar gereckte Fäuste waren zu sehen. Und Schweinsteiger sagte später: „Es hat mein Herz natürlich schon sehr berührt, so empfangen zu werden von den Zuschauern.“

Schweinsteiger ist wieder da, das war die zweite, aber zumindest gefühlt beinahe wichtigere Nachricht eines Nachmittags, an dem die Münchner von Hoffenheim mehr gefordert worden waren als von vielen anderen Gegnern zuvor. Und es war ein Nachmittag, der dennoch neben den Toren von Götze (23.), Arjen Robben (40.), Robert Lewandowski (82.) und Sebastian Rode (87.) die Erkenntnis hervorbrachte, dass auch der jüngste Bruch von Philipp Lahms Sprunggelenk so gut wie nichts an der Münchner Übermacht ändert. Für die Liga ist es sogar schon wieder an der Zeit, das Fernglas auszupacken. Sieben Punkte beträgt der Vorsprung des Tabellenführers jetzt auf den, nun ja, Verfolger VfL Wolfsburg, der wie der Tabellendritte Borussia Mönchengladbach sein Spiel verlor.

Dass Schweinsteiger auch noch die hübsche Vorlage für Rodes Schuss zum Endstand gelang, war so etwas wie die Krönung seines gefühlt 31. Comebacks nach seinen zahlreichen Verletzungen. Einen Einwurf des Kollegen Robben hatte er mit rechts angenommen und den Ball noch in der Luft elegant und ebenfalls mit rechts weitergeleitet. Das Publikum jauchzte vor Glück.

Es ist in der feierlichen Stimmung ein bisschen vergessen worden, welchen Preis Schweinsteiger dafür zahlte, bei der WM offenbar über seine körperlichen Grenzen gegangen zu sein. Einzig, dass Sportvorstand Matthias Sammer nach Schweinsteigers Assist auf der Bank mit Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt abklatschte, erinnerte entfernt an die Extreme der Unterhaltungsbranche Fußball. Der Doktor ist ja auch für die Nationalelf zuständig. Er hatte Schweinsteiger begleitet, als dieser bei der WM seine körperlichen Grenzen überschritt.

Nun hat er ihn nach gut vier Monaten noch einmal hinbekommen. Es klang gewöhnlich, war aber wohl auch ein leiser Hinweis auf diese Grenzerfahrung, dass sich der Spieler nun vor allem darüber freute, überhaupt wieder dabei sein zu können. „Ich bin froh, dass ich im Kader war und ein paar Minuten habe spielen dürfen“, sagte er. Befürchtet habe er aber nie, dass die anhaltende Patellasehenentzündung vielleicht eine Rückkehr verhindern könnte, gab er an. „Ich habe immer dran geglaubt und wusste die Verletzung einzuschätzen“, sagte Schweinsteiger, „ich musste Geduld mitbringen, und die hat der Verein mir auch gegeben.“

Die Kollegen und Trainer Pep Guardiola freuten sich mit ihm. „Wir haben einen neuen super Mittelfeldspieler“, befand Guardiola. Schweinsteiger sei körperlich nach nur zwei Trainingswochen mit der Mannschaft zwar noch nicht vorbereitet für 90 Minuten, aber dafür sehr erfahren. „Er wird uns helfen“, sagte Guardiola. Vermutlich auch schon in der Champions League in dieser Woche. Am Dienstag steht das Gastspiel bei Manchester City auf dem Programme. Und Robben fügte hinzu: „Das war schon Gänsehaut, als er gekommen ist. Das ist für ihn und für uns alle ein großer Moment gewesen.“

Schweinsteiger weiß, dass es noch eine Weile dauern wird, ehe er wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Und er muss auch hoffen, dass die tückische Verletzung durch die nun stetig steigende Belastung nicht wieder aufbricht. Auch diese Sorge schwang in seinen Äußerungen durchaus mit. „Natürlich musste man abwarten, wie das Knie reagiert in den Trainingseinheiten“, gab er zu bedenken, „jetzt hoffe ich, dass es so weitergeht. Ich muss schauen, dass ich noch die eine oder andere Trainingswoche einhundertprozentig machen kann. Danach wird es immer mehr kommen.“ Die Fans verabschiedeten ihn schon wieder als „Fußballgott“. Sie wollen weiter unterhalten werden.