Beim deutschen Gegner Gibraltar spielen fast nur Freizeitfußballer. Allein Scott Wiseman ist in der Zweiten englischen Liga aktiv

Nürnberg. Torhüter Jordan Perez ist im richtigen Leben Feuerwehrmann, Joseph Chipolina arbeitet tagsüber im Büro, und Mittelfeldmann Ryan Casciaro sorgt wie sein Bruder Lee als Polizist für Recht und Ordnung. Am Freitag haben die Hobby-Fußballer aus Gibraltar allesamt Sonderurlaub, wenn es zum Duell der wohl größten Gegensätze im Weltfußball kommt. Die Mannschaft der britischen Kronkolonie, die erstmals an der EM-Qualifikation teilnimmt, bekommt es in Nürnberg mit dem Weltmeister Deutschland zu tun.

So könnte vielleicht sogar der höchste DFB-Sieg vom 1. Juli 1912 beim 16:0 gegen Russland wackeln. In den ersten drei EM-Qualifikationsspielen setzte es für die Mannschaft vom Affenfelsen am Südzipfel der iberischen Halbinsel drei Niederlagen bei 0:17 Toren. Gegen Polen und Irland gab es ein 0:7, gegen Georgien immerhin ein 0:3.

Acht Länderspiele hat Gibraltar seit der Aufnahme in die UEFA-Familie im Mai 2013 bestritten. Im ersten Länderspiel gab es gegen die Slowakei sogar ein 0:0. Ein Team, das zuletzt immerhin Europameister Spanien 2:1 besiegt hat. Historisch wurde es am 4. Juni dieses Jahres. Beim 1:0 gegen Malta – das Mittelmeerland gehört inzwischen zu den Etablierten unter den Kleinen – sprang der bislang einzige Sieg der Verbandsgeschichte heraus. Den Siegtreffer erzielte Kyle Casciaro, der jüngste der drei Brüder, der im täglichen Leben bei einer Reederei beschäftigt ist.

Der namhafteste Akteur ist aber Scott Wiseman, der bei Preston North End in der Zweiten englischen Liga spielt. Der 29-Jährige war auch mal für die englische U20 nominiert worden, doch zu einer internationalen Karriere reicht es erst jetzt, weil die Mutter in Gibraltar geboren wurde. Adam Priestley, ein Lehrer an einer Oberschule in Leeds, kommt sogar gebürtig aus dem 6,8 Quadratkilometer großen britischen Territorium. Sein Vater war einst als Soldat der Luftwaffe in Gibraltar stationiert. Normalerweise geht Priestley in seiner Freizeit für den Achtligisten FC Farsley auf Torejagd.

Seine Heimspiele muss das mit nur 29.000 Einwohnern kleinste Uefa-Mitglied aber im portugiesischen Exil in Faro austragen. Das heimische Victoria-Stadion genügt mit seinen 5000 Plätzen nicht einmal den niedrigstenUefa-Standards. Und Spiele im benachbarten Spanien sind nicht erlaubt. Die Iberer hegen selbst Ansprüche auf das Gebiet und hatten eine Uefa-Aufnahme zu verhindern versucht – lange Zeit mit Erfolg. Erst nach einer Empfehlung des Internationalen Sportgerichtshofs Cas wurde Gibraltar 54. Uefa-Mitglied. Die Fifa weigert sich indes beharrlich, das Gebiet aufzunehmen. Der Verband will sein Recht vor dem Cas einklagen.