Trennung, Verletzung, Streit mit dem Vater: Seit dem Titelgewinn gerät nicht nur die Karriere des Mesut Özil ins Stocken – der Star steht am Scheideweg

Für Mesut Özil war es eine schöne Woche. Am Montag erhielt er das Silberne Lorbeerblatt vom Bundespräsidenten, abends durfte er sich beim Kicken zuschauen: die Kinopremiere des WM-Films „Die Mannschaft“ lief in Berlin. Am Mittwochabend holte er sich dann noch den Laureus Ehrenpreis für sein soziales Engagement ab. Er hatte in Brasilien 23 Kindern lebensnotwendige Operationen bezahlt. Es war vielleicht die erste schöne Woche seit der Weltmeisterschaft für den Star vom FC Arsenal.

Vielleicht wäre sie perfekt geworden, wenn nicht im Düsseldorfer Gericht geschlampt worden wäre. Weil dort vergessen wurde, einen Termin aus dem Kalender zu streichen, wurde nun bekannt, dass sich der Nationalspieler am Mittwoch fast mit seinem Vater vor dem Richter getroffen hätte. Die Parteien hatten sich allerdings schon am 6. Oktober auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt – wohl wissend, dass ein Prozess „Özil gegen Özil“ ein gewaltiges Medienecho gefunden hätte, das dem Image des Nationalspielers kaum gutgetan hätte. Die „Welt“ erreichte Mustafa Özil am Dienstag telefonisch. Er wiegelte ab: „Alles nicht so schlimm. Unstimmigkeiten gibt es doch in den besten Familien. Aber wir haben uns gütlich geeinigt“, sagte Özil senior.

Zu verhindern waren die Schlagzeilen allerdings nicht. „Özil vom Vater verklagt“, titelte „Bild“ am Mittwoch auf Seite eins. Wie auch die „Welt“ berichtete, soll es um 630.000 Euro an noch ausstehenden Provisionen aus Ausrüster- und Werbeverträgen gegangen sein, die Mesuts Vater Mustafa, 49, von der Özil Marketing GmbH gefordert hatte. Diese Firma hat er einst selbst gegründet, war noch vor einem Jahr eigens Chef der GmbH. Mesut Özil konterte und soll im Gegenzug eine Million Euro Darlehen und einen Geschäftswagen zurückgefordert haben. Doch bei allen Beschwichtigungen bleibt ein fader Beigeschmack. Der abgewendete Gerichtstermin markiert den traurigen Höhepunkt eines Zerwürfnisses, dessen wahre Gründe im Verborgenen liegen. Bis Oktober 2013 waren Vater und Sohn unzertrennlich. Der Senior beriet den Junior, fädelte den Transfer von Real Madrid zum FC Arsenal ein und handelte für Mesut einen Exklusivvertrag mit Ausrüster Adidas aus – in der Branche so etwas wie der wirtschaftliche Ritterschlag. Dann zerbrach das Bündnis.

„Mit dem Wechsel zum FC Arsenal wurden entscheidende Weichen für meine Karriere gestellt. Zudem haben sich in London meine Lebenssituation und auch mein Arbeitsumfeld grundlegend geändert“, erklärte Mesut Özil vor einem Jahr, als bekannt wurde, dass er sich zukünftig nicht mehr von seinem Vater beraten lassen werde, sondern von seinem Bruder Mutlu. Außerdem sei Mustafa Özil gesundheitlich angeschlagen nach den aufreibenden Verhandlungen mit Arsenal und Adidas, hieß es. Vater Özil schied aus der Özil Marketing GmbH aus, die nun von Mutlu übernommen wurde. Er behielt nur den Vorsitz der Özil Sportmanagement GmbH, eine Spielerberatungsagentur.

Es war das Ende eines langen gemeinsamen Weges. Es soll auch heute noch nicht gut um das Verhältnis des Vaters zu seinem prominenten Sohn stehen, der verhinderte Gerichtstermin ist dafür ein Indiz. Dabei war Mustafa Özil viele Jahre der wichtigste Mensch in Mesuts Leben. Schon als kleiner Junge waren die fußballerischen Gaben des späteren Weltmeisters unübersehbar. „Ich hatte früh eine Vorahnung, dass Mesut beim Fußball außergewöhnliche Fähigkeiten hat und es weit bringen kann. Ich habe fest an ihn geglaubt, mich aber nie hingestellt und ihn zum neuen Messias erkoren oder Ähnliches“, sagte Mustafa Özil 2011 der „Welt am Sonntag“.

Der Karriere von Mesut hat die Trennung vom Vater offenbar nicht gutgetan. Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien glänzte er nicht wie gewohnt, auch wenn er alle Spiele von Beginn an bestritt. Und selbst der Titelgewinn brachte ihm kein Glück, im Gegenteil. Als er zurück zum FC Arsenal kam, wurde es noch schlimmer. Zwar absolvierte er die Spieltage zwei bis sieben durchgehend, doch ihm gelang nur ein Treffer und keine Torvorlage. In der Champions League lieferte er gegen Borussia Dortmund eine unterirdische Leistung ab, wurde nach einer Stunde ausgewechselt. Dann verletzte er sich: Einen Teilabriss im Außenband des Knies diagnostizierten die Ärzte. Gesamtausfalldauer zehn bis zwölf Wochen. Özil ist natürlich nicht alleine Schuld am Absturz des FC Arsenal auf den derzeit sechsten Tabellenplatz. Doch als 50-Millionen-Euro-Mann ruhen die Hoffnungen der Fans natürlich vor allem auf seinen Schultern. Aus lauter Verzweiflung soll die Klubführung nun weitere 25 Millionen Euro freigegeben haben, die Trainer Wenger in der Winterpause ausgeben darf. Die Konkurrenz für Özil wird also noch größer.

Dazu kommen offenbar private Probleme. Zuletzt gab es Gerüchte über eine Trennung von Freundin Mandy Capristo, einer Pop-Sängerin. Und der geplatzte Gerichtstermin gegen seinen Vater lässt auch in diesem Bereich nichts Gutes erahnen. Özils Karriere ist gehörig ins Stocken geraten.

Dabei war der Weltmeister früh mit außergewöhnlichem Talent gesegnet gewesen. Als Mesut sieben Jahre alt war, brachte sein Vater ihn zu Westfalia Gelsenkirchen. „Mustafa hatte ja auch schon bei uns gespielt, deshalb hat er auch Mesut hier angemeldet“, erinnerte sich Gabi Moczarski, damals Vorsitzende des Clubs, viele Jahre später. Als Teutonia Schalke drei Jahre später bessere Trainingsbedingungen versprach, wechselte Mesut das erste Mal in seinem Leben den Verein. Bei jedem Spiel stand sein Vater an der Linie. „Das war eine herrliche Zeit. Fast noch schöner als jetzt, weil es reiner Spaß war, nichts Professionelles hatte. Ich habe immer mitgezittert“, sagte Mustafa. Nun zittert er nur noch aus der Ferne mit.