Der Rekordmeister enteilt nach dem 4:0 gegen Hannover den anderen deutschen Teilnehmern der Champions League. Besonders der BVB enttäuscht

München/Hamburg. Schon beim Vorglühen im Stadion waren die Bayern nicht zu bremsen. Viermal schenkten Robert Lewandowski und Arjen Robben Hannover 96 ein. Und für den Oktoberfestbesuch am Sonntag mochte Karl-Heinz Rummenigge nach dem berauschenden 4:0 (3:0)-Heimsieg seinen Fußball-Profis kein Limit beim Bierkonsum setzen. „Ich weiß nicht, ob jeder von den Burschen vier Maß verträgt“, scherzte der Vorstandsboss zur sich anbietenden Vorgabe pro Tor ein Bier zu trinken, „aber jeder hat sich die Maß verdient.“

Ein, zwei, drei oder vier Krüge – egal. Die Bayern hatten auf jeden Fall 1000 gute Gründe, um zum Wiesn-Ausklang in Lederhosen und Trachtenhemd zünftig anzustoßen. Mit sechs Siegen, einem Remis und 14:0 Toren rauschte der Rekordmeister durch die ersten Englischen Wochen in Bundesliga und Champions League. Die drei weiteren deutschen Teilnehmer der Champions League, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und der FC Schalke 04 drohen schon in dieser frühen Phase der Saison den Anschluss zu verlieren. Auch Borussia Mönchengladbach verpasste es durch das 1:1 gegen Mainz, bis auf zwei Punkte an den Münchnern dranzubleiben (siehe rechts).

Borussia Dortmund

Lange Zeit hatten sie sich dagegen gewehrt. Eine Krise? Wir doch nicht. Das Wort hätten sie nicht mal in den Mund genommen, hat Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller gerade der „Welt am Sonntag“ gesagt. Das war, vor dem 0:1 (0:1) gegen den HSV. Nach der bereits vierten Bundesliga-Saisonniederlage kamen sie nun um das Eingeständnis, dass etwas grundlegend verkehrt läuft, nicht mehr herum.

Mit sieben Punkten nach sieben Spielen hinken die Dortmunder meilenweit hinter den eigenen Ansprüchen her. „Das war der Tiefpunkt“, sagte Jürgen Klopp nach der erschreckenden Vorstellung seines Teams. Er wählte dabei bewusst die Vergangenheitsform. Seine Hoffnung sei es, dass nach der Länderspielpause eine neue Zeitrechnung anbrechen werde, in der die Mannschaft mit dem einen oder anderen derzeit noch verletzten Spieler wieder ein anderes Gesicht zeigen könne.

Wahrheit oder Westentaschenpsychologie? Voraussetzung dafür wäre eine Verbesserung in allen Bereichen. Das Abwehrverhalten ist teilweise desaströs: Individuelle Fehler führten zu bislang zwölf Gegentoren. Entscheidende Stabilisatoren der Defensive wie das eingespielte Innenverteidigerpaar Neven Subotic und Mats Hummels waren lange verletzt und suchen ihre Form. Speziell Hummels hat noch keine Bindung zum Spiel gefunden. Und mit Außenverteidiger Marcel Schmelzer meldete sich am Sonntag ein weiterer Spieler verletzt ab: Mittelhandbruch, vier Wochen Pause.

Dass er derzeit das Team nicht führen kann, nagt an Hummels. Am Sonnabend überließ er es Sebastian Kehl, die Krise zu erklären. „Fast schon eine Katastrophe“ sei die schwache Punktausbeute, sagte der Routinier, äußerte aber die Hoffnung, seine Mannschaft könne die Situation mit Unterstützung der Fans meistern. Dies könnte in der Tat ein Vorteil sein: Weil es in den sechs Jahren unter Klopp fast nur bergauf ging, können sich die Spieler auf ihren Anhang verlassen: Am Sonnabend gab es statt Pfiffen sogar aufmunternden Beifall.

Es ist ja nicht so, dass es keine Hoffnung gibt. Mehrmals hat es der umstrittene Trainer Jens Keller geschafft, seine Mannschaft nach schwachen Phasen wieder auf Kurs zu bringen. Stabilität allerdings hat er in den über 21 Monaten, die er mittlerweile bei Schalke 04 im Amt ist, nicht ins Team gebracht. Deshalb ist er eben umstritten – und nicht, weil er nicht über genügend Charisma verfügt und von den Medienschaffenden deswegen nicht geliebt wird. „Es ist keine Konstanz bei uns drin. Es ist ein ständiges Auf und Ab“, sagte Manager Horst Heldt nach dem 1:2 (0:2) bei 1899 Hoffenheim: „Das geht so nicht weiter, das müssen wir abstellen.“ Aber wie? Die Unbeständigkeit ist tatsächlich die einzige Konstante, die die Mannschaft in den vergangenen Jahren begleitet hat. Und die Entwicklung der laufenden Saison dokumentiert das Dilemma in komprimierter Form. Zunächst ein schwacher Saisonstart, auch verursacht durch große Verletzungsprobleme. Dann eine deutliche Leistungssteigerung mit zwei Siegen in Folge. Nach dem 2:1 im Revierderby gegen Borussia Dortmund schien die Schalker Welt wieder einmal in Ordnung zu sein. Doch dann schlug die Formkurve fast schon erwartungsgemäß nach unten aus: eine enttäuschende Leistung beim 1:1 in der Champions League gegen NK Maribor, dann die Niederlage in Hoffenheim.

Bayer Leverkusen

Leverkusen schien das neue Dortmund zu sein. Roger Schmidt, der neue Trainer, hatte der Werkself einen elektrisierenden Power-Fußball beigebracht. Verbissen wird der Ball gejagt, alle Spieler sind 90 Minuten ununterbrochen in Bewegung. Doch schon jetzt scheint der Mannschaft der Saft auszugehen. 1:4 gegen Wolfsburg, 1:0 gegen Augsburg, 0:0 gegen Freiburg lauteten die letzten Liga-Ergebnisse. Und nun 2:2 gegen den SC Paderborn. Gegen den Aufsteiger musste ein Tor in letzter Minute her, um überhaupt noch einen Punkt zu retten.

„Wir haben nicht immer so diszipliniert und intelligent gespielt, wie wir das können“, sagte Schmidt. Er macht die hohe Spielfrequenz von zuletzt sieben Partien in 23 Tagen für den Leistungseinbruch verantwortlich: „Alle drei Tage zu spielen, das ist für junge Spieler eine Herausforderung und keine Selbstverständlichkeit.“ Allerdings ist der hohe Aufwand, den sein Fußball erfordert, auch kräftezehrend.

Doch in Leverkusen wird der Fehler lieber woanders gesucht, beim Schiedsrichter zum Beispiel. Zweimal hat er heute falschgelegen“, schimpfte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade über Günter Perl. Der hatte einen Treffer von Tin Jedvaj (71.) nicht anerkannt und ein Handspiel von Daniel Brückner (78.) nicht mit Elfmeter geahndet. Am Ende war Schade aber „dankbar“ für das Unentschieden. Seine Zwischenbilanz fiel dementsprechend nicht allzu enthusiastisch aus: „Wenn wir mit 14 Punkten die erste Phase abgeschlossen hätten, wäre es unseren Erwartungen entsprechender. Zwölf Punkte sind auch noch im Soll.“ Zur Jagd auf die Bayern reicht das freilich nicht.