Bellarabis Treffer war kein Zufall. Leverkusens Trainer Schmidt setzte schon in Salzburg auf die Überfalltaktik

Leverkusen. Nein, Roger Schmidt wollte sich partout nicht festnageln lassen. Gleich zweimal hakte Sky-Moderator Sebastian Hellmann nach, um die Hintergründe des historischen Treffers von Bayer-Profi Karim Bellarabi zu erfahren: „Das war doch geplant, oder?“ Aber der neue Bayer-Trainer ließ sich nicht aus der Deckung locken und sagte nur genüsslich: „Wir haben darüber gesprochen. Mehr nicht.“

Im Laufe einer Trainingswoche wird zwischen Trainer und Mannschaft vermutlich jede vorstellbare Spielsituation besprochen. Trotzdem fallen solche Blitztore wie Leverkusens 1:0 am Sonnabend in Dortmund äußerst selten. Gerade einmal neun Sekunden benötigte die Werkself, um die Grundlage für den 2:0 (1:0)-Auswärtssieg zu legen.

Er freue sich natürlich, nun Bundesligalegenden wie Giovane Elber und Ulf Kirsten abgelöst zu haben, sagte der 24 Jahre alte Bellarabi schüchtern. Die einstigen Stürmer von Bayern München und Bayer Leverkusen hatten mit elf Sekunden die bisherige Bestmarke gehalten. Dass Bellarabi den Rekord nun um gleich zwei Sekunden verbessern konnte, war alles andere als Zufall.

Einerseits profitierte Bayer von einer Schwäche in der BVB-Aufstellung beim Anpfiff. Obwohl die Gäste aus Leverkusen den Anstoß ausführen durften, war BVB-Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek weit aufgerückt. Das gehört seit Jahren zur Strategie von Trainer Jürgen Klopp, der damit sofort das berüchtigte Pressing seiner Mannschaft bei gegnerischem Ballbesitz auslösen will. In den allermeisten Fällen funktioniert das, da die anstoßende Mannschaft den Ball zunächst in die eigene Hälfte bugsiert und von dort aus den ersten Angriff startet. Nicht so Bayer Leverkusen unter Roger Schmidt.

Nach dem Anstoß von Hakan Calhanoglu, Neuzugang vom HSV, legte Stefan Kießling den Ball auf den Flügel zu Heung-Min Son. Rund 35 Meter vor dem BVB-Tor verlor Piszczek den ersten und entscheidenden Zweikampf der Partie: Er konnte den Südkoreaner nicht am Pass in die Tiefe hindern. Die Hausherren standen schon nach drei Ballkontakten unter Druck.

Klopp übernimmt die Verantwortung für den Kaltstart seines Teams

Sons Zuspiel erreichte den von hinten durchgesprinteten Linksverteidiger Sebastian Boenisch, der die Kugel über den hereingrätschenden Milos Jojic hinweg spitzelte. Spätestens jetzt hatten die Borussen die Kontrolle über die Situation verloren und liefen nur noch hinterher. Boenisch legte den Ball weiter auf Bellarabi, der sich geschickt um Weltmeister Matthias Ginter herumdrehte. Begünstigt wurde sein Abschuss von Stefan Kießling, der ausrutschte und damit den heranstürmenden BVB-Linksverteidiger Erik Durm blockte. Bellarabi hatte freie Bahn und konnte aus 15 Metern frei einschießen. Klopp übernahm später die Verantwortung für den Kaltstart: „Die Einstellung obliegt zum großen Teil mir. In drei oder vier Szenen fehlten ein paar Schritte.“

Während aus BVB-Sicht so ziemlich alle vorstellbaren unglücklichen Umstände zusammenkamen, ging der Plan von Leverkusens neuem Coach in seinem ersten Spiel als Bundesligatrainer auf. „Das war kein Zufall“, sagte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. Schon beim Testspiel gegen Jena hatte Leverkusen nach 19 Sekunden getroffen. Verantwortlich dafür ist Roger Schmidt.

Der 47-Jährige war vor der Saison von Österreichs Meister Salzburg gekommen. Einem jener Vereine also, die Teil des Red-Bull-Imperiums sind, in dem schon länger gezielt auf extrem offensive Anstoßvarianten gesetzt wird. Diese Marschroute importierte Schmidt ins Rheinland.

In der abgelaufenen Drittligasaison etwa hatte RB-Leipzig-Stürmer Daniel Frahn nach handgestoppten 8,6 Sekunden gegen den VfB Stuttgart II getroffen. Sage und schreibe sieben RB-Spieler waren vom Anstoß weg in den Strafraum gestürmt und hatten die verdutzten Schwaben schlichtweg übertölpelt. Tim Cahill vom New Yorker Ableger Red Bulls war im Oktober 2013 gegen Houston noch eine halbe Sekunde schneller. Er legte sich den Ball selbst vor und traf von der Strafraumkante.

Hinzu kamen zahlreiche Freistöße, Eckbälle und Großchancen in der ersten Minute. Auch Red Bull Salzburg versuchte sich unter Trainer Schmidt mit solch überfallartigen Manövern, ohne zum Torerfolg zu kommen. Trotzdem: Der Überfall vom Anstoß weg hat bei Red Bull System. Neuerdings auch beim Werksclub Leverkusen.

Lob für den ehemaligen HSV-Profi Calhanoglu bei seiner Bayer-Premiere

Lob verdiente sich auch Calhanoglu bei seiner gelungenen Bundesliga-Premiere für Bayer. „Das war der größte Transfer in der Geschichte von Bayer Leverkusen. 14 Millionen Euro für Calhanoglu, das ist schon ein Pfund für unsere Möglichkeiten. Das haben wir riskiert, weil wir von dem Jungen überzeugt sind“, sagte Völler.

Bei Borussia Dortmund setzte sich der Ärger am Sonntag fort. Kevin Großkreutz geriet im Training mit seinem Teamgefährten Jonas Hofmann aneinander. Nach einem Bericht von bild.de schickte Co-Trainer Zeljko Buvac den Mittelfeldspieler vom Feld. Nach einem Wortwechsel mit Trainer Klopp verschwand Großkreutz in der Kabine – womöglich auch Spätfolge seiner Nicht-Berücksichtigung für die Startelf.