Die Bundesliga boomt nicht zuletzt dank des deutschen WM-Triumphes. Im Vergleich mit England und Spanien hinkt sie aber weiter hinterher. Deshalb müssen die Clubs nun neue Märkte im Ausland akquirieren. Auch der HSV.

Hamburg. Wenn Robert Lewandowski am Freitagabend um 20.30 Uhr gegen den VfL Wolfsburg das erste Mal für seinen neuen Arbeitgeber FC Bayern München auf Torejagd geht, schauen Menschen in Bhutan, auf den Turks- und Caicos-Inseln, den Britischen Jungferninseln, in Eritrea und Nepal, auf St. Kitts oder in Neukaledonien zu. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) wird das Auftaktspiel der neuen Bundesligasaison in 207 Länder übertragen. Nie zuvor waren es in der Geschichte der Liga mehr.

Es ist die Liga der Weltmeister. Im internationalen Vergleich hat sie durch die erfolgreiche deutsche WM noch einmal an Bedeutung gewonnen. Im Zuschauervergleich liegt die Bundesliga seit Jahren bereits vorne, nun geht es für die Macher darum, den finanziellen Rückstand zur englischen Premier League und der spanischen Primera División zu verkürzen.

„Man spürt schon länger im Ausland, dass die Bundesliga populärer geworden ist“, sagt DFL-Präsident Reinhard Rauball, 67, im Gespräch mit dem Abendblatt. „Die WM hat natürlich eine positive Imagewirkung, die sich sicherlich auch mittelfristig wirtschaftlich auszahlt.“ Was Rauball meint: Das deutsche Champions-League-Finale 2013 zwischen Bayern und Dortmund hat der Bundesliga im Ausland ein neues Renommee verliehen, das durch den WM-Sieg noch verstärkt wird.

Und doch lässt sich nicht verleugnen, dass die Superstars des Weltfußballs in anderen Vereinen spielen. Cristiano Ronaldo bei Real Madrid, Lionel Messi und Neymar beim FC Barcelona, Zlatan Ibrahimović bei Paris St. Germain. WM-Stars wie der Kolumbianer James Rodríguez oder Uruguays Luis Suárez ziehen es vor, in Spanien zu spielen. Deutschlands Weltmeister Toni Kroos wechselte zu Real, weil die Bosse bei Bayern München seine Gehaltsvorstellungen nicht erfüllen wollten.

Von Ablösesummen und Gehältern, wie sie in Spanien und England mittlerweile üblich sind, ist die Bundesliga weit entfernt. Barcelona überwies für die Dienste von Suárez 81 Millionen Euro an den FC Liverpool, Real zahlte Monaco 81 Millionen Euro für Rodríguez. Zum Vergleich: Der teuerste Neuzugang des FC Bayern München, der Spanier Juan Bernat vom FC Valencia, kostete zehn Millionen Euro. Vizemeister Borussia Dortmund waren die Dienste des italienischen Torschützenkönigs Ciro Immobile vom FC Turin 19,4 Millionen Euro wert. Für DFL-Boss Rauball zwar ein Zeichen für die gewonnene Attraktivität der Bundesliga, doch den großen Glanz versprüht der Name Immobile in der Fußballwelt noch nicht.

Auf eine Diskussion über fehlende Superstars in der Bundesliga will sich Rauball aber nicht einlassen: „Das wäre völlig falsch. Neun Spieler in der deutschen Startelf in Rio kommen aus der Bundesliga – und sind Weltmeister geworden. Wenn das keine Stars sind! Keine Frage: Wir haben Spieler, um die uns die ganze Welt beneidet. Darauf können wir stolz sein.“

Einige deutsche Weltmeister werden an diesem Freitag in München zu sehen sein: Deutschlands Fußballer des Jahres Manuel Neuer, Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm, Thomas Müller, der zweitbeste WM-Torjäger, oder Mario Götze, der finale Siegtorschütze gegen Argentinien. Hinzu kommt Arjen Robben, einer der besten Spieler des Turniers. Alle in Diensten des FC Bayern München. Weitere WM-Helden wie Jérôme Boateng oder Bastian Schweinsteiger gehören dazu. Aufseiten der Wolfsburger sorgen Belgiens Kevin De Bruyne oder Brasiliens Luiz Gustavo für WM-Atmosphäre. Insgesamt 74 WM-Teilnehmer stehen in den Kadern der 18 Bundesligaclubs.

„Dass jetzt viele Weltmeister in der Bundesliga spielen, ist hilfreich in den Verhandlungen im Ausland“, sagt Jörg Daubitzer. Der Geschäftsführer der DFL Sports Enterprises ist für die Auslandsvermarktung der Fußball-Bundesliga verantwortlich. Mit dem hundertprozentigen Tochterunternehmen der DFL soll Daubitzer dafür sorgen, den finanziellen Rückstand zu den Topligen in Spanien und England zu verkürzen.

Seit Daubitzer mit seinem 17 Mitarbeiter starken Unternehmen tätig ist, hat sich der Umsatz der DFL im Ausland von annähernd null auf derzeit 75 Millionen Euro erhöht. In den kommenden zwei Jahren will die DFL die Zahl verdoppeln. In ferner Zukunft ist ein Einnahmeplus von bis zu 250 Millionen Euro das Ziel – ein enormer Sprung und doch so weit entfernt von den Summen, die in der Premier League durch Auslandsvermarktung erzielt werden.

Englands Topliga kommt seit Jahren auf Einnahmen von bis zu 800 Millionen Euro. „In absehbarer Zeit mit den Umsätzen der Premier League gleichzuziehen ist nicht realistisch, aber wir wollen den Abstand verkleinern“, sagt Daubitzer. Seit Jahren ist die DFL Sports Enterprises mit Zweitsitz in Singapur auf dem asiatischen Markt aktiv, vor allem in China. Neue Märkte in Indien sollen stärker genutzt werden.

Auch der HSV bemüht sich, seine Marke zu stärken

Auch der Hamburger SV bemüht sich seit einigen Jahren, seine Marke auf dem asiatischen Markt zu stärken. Allein in diesem Jahr reiste der HSV in den Vorbereitungen nach Indonesien (Januar) und China (Juli). 450.000 Euro brachte dem Club der Kurztrip nach Indonesien ein, 500.000 Euro waren es durch die Chinareise. Für die Hamburger waren dies nach drei Jahren mit geringem sportlichen Erfolg wichtige Einnahmen. „Asien ist und bleibt ein äußerst wichtiger Markt, der Fußball dort entwickelt sich stetig weiter und wird in Zukunft zu viel Potenzial führen“, sagt Joachim Hilke, Marketingvorstand des HSV.

Damit der Verein in Zukunft wieder stärker von den Geldern aus den TV-Töpfen der Liga profitiert, braucht er die internationale Bühne. Denn welcher Klub welche Beträge kassiert, die der Deutschen Fußball Liga durch TV-Verträge im Ausland zukommen, regelt ein Verteilerschlüssel, der sich an der europäischen Club-Rangliste orientiert. Dort rangiert Champions-League-Gewinner Real Madrid an der Spitze, gefolgt vom FC Barcelona und dem FC Bayern München. Der HSV, vor vier Jahren noch unter den Top 20, ist unter den besten 450 Vereinen nicht zu finden. Qäbälä FK aus Aserbaidschan, Vikingur von den Färöer-Inseln oder SP Tre Penne aus Mazedonien sind am HSV vorbeigezogen.

Noch profitieren die Hamburger im Ausland von ihrer starken Marke. Ohne sportliche Erfolge wird es der HSV bei der Verteilung der TV-Gelder künftig aber schwer haben. „Sie verkaufen nicht plötzlich Zehntausende von Trikots in China, nur weil Sie eine Tour mit ein oder zwei Spielen dorthin unternehmen“, sagt Hilke.

Deutscher WM-Sieg mit sieben Bayernspielern könnte für mehr Spannung sorgen

So bleibt es vor allem dem FC Bayern München und mit Abstrichen Borussia Dortmund (Platz 12 der Uefa-Klubrangliste), Schalke 04 (9) und Bayer Leverkusen (21) vorbehalten, ihre Vereinskassen mit den Geldern der ausländischen TV-Verträge aufzufüllen.

Und so fürchten manche, dass sich die Liga noch stärker zu einer Zweiklassengesellschaft entwickelt. Die Bayern hinterließen in der vergangenen Saison mit der frühesten Meisterschaftsentscheidung in der Geschichte der Bundesliga bereits bei vielen Fans ein Gefühl der Langeweile.

Ausgerechnet der deutsche WM-Sieg mit sieben Bayernspielern könnte in dieser Saison für mehr Spannung in der Liga sorgen. 13 WM-Teilnehmer stellten die Münchner in Brasilien – mehr als jeder andere deutsche Klub. Nach einer langen Pause sind einige Bayernstars erst seit Kurzem wieder im Training.

Ligachef Reinhard Rauball fürchtet sich ohnehin nicht vor einer erneuten Münchner Dominanz. „Die Bundesliga wird niemals langweilig. Wir hätten nicht den zweithöchsten Zuschauerschnitt aller Zeiten, wenn die Fans die Liga als langweilig empfinden würden“, sagt Rauball. Er verweist auf das Ergebnis des Supercups, dass der BVB gegen die Bayern gewann. „Langweilig finde ich die Diskussion um die angebliche Langeweile in der Liga.“

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