Lionel Messi wird zum besten WM-Spieler gekürt. Für die Argentinier könnte dennoch bereits die letzte Chance verstrichen sein, sich und ihren Wunderknaben zu krönen

Rio de Janeiro. Lionel Messi hat sich dann doch noch ein paar Worte abgerungen. „In diesem Moment ist mir dieser Preis egal“, sagte Argentiniens kleiner Wunderknabe, „es zählt nur die Trophäe.“ Viel mehr brachte Messi nicht heraus, nachdem er den Goldenen Ball als bester Spieler der WM erhalten hatte. Die goldene WM-Trophäe aber war es wieder nicht geworden. Traurig schlich Messi von dannen.

Es hätte sein Spiel werden können, weil es sich ja auf eine magische Szene verdichtet hatte. Es hätte nur sein Moment werden müssen, um endlich mit dem argentinischen Fußballheiligen Diego Maradona auf einer Stufe zu stehen. Als Wiedergänger hat es Messi zwar wie das inzwischen 53 Jahre alte Kickeridol seiner Heimat 1986 zum besten Turnierspieler gebracht. Doch was ist das schon wert gegenüber dem Ruhm, der über Weltmeistern ausgeschüttet wird? „Wir hätten mehr verdient gehabt nach diesem Spiel. Es tut weh, wie wir verloren haben“, hatte Messi noch als melancholisches Fazit hinterlassen, während die deutsche Fußballgemeinde den vierten WM-Titel feiern durfte.

Die Argentinier müssen hoffen, dass sie in der Ära ihres Wunderknaben noch eine Chance auf den dritten WM-Titel des Landes erhalten. 27 Jahre alt ist Messi während des Turniers in Brasilien geworden, 2018 in Russland wird er seinen 31. Geburtstag begehen. Die letzte Chance könnte schon verstrichen sein, sich in Messis Ära zu krönen. Womöglich hat La Pulga, der Floh, seinen Zenit in vier Jahren längst überschritten. Vielleicht gilt das sogar schon jetzt.

Trainer Sabella bezeichnet die Ehrung Messis zum besten Spieler als verdient

Geprägt hatte er das Finale zwar durchaus, aber diese unwiderstehliche Kunstfertigkeit wie in seinen konstanten Wunderjahren beim FC Barcelona umgab ihn trotz seines besten Turniers mit vier Toren eben nur in einzelnen Momenten. Und als er diese Chance in der 47. Minute ausließ, freistehend vor Torwart Manuel Neuer, konnte diese eine Szene auch ein bisschen als Symbol gewertet werden: So knapp sein Linksschuss am Pfosten vorbeistrich, so fein mag der Unterschied zwischen Genie und großem Können sein. Sein Zauber, so wird das jetzt wohl wahrgenommen werden, ist ein bisschen verflogen.

Es erscheint wie eine ungerechte Bilanz, aber vielleicht stimmt sie dennoch. Die zurückliegende Saison beim FC Barcelona war für Messis Verhältnisse ja durchwachsen geraten, nach überirdischen Jahren. Die WM ließ sich an, als sei die leichte Delle nur eine Täuschung gewesen. Doch am Ende stach der Hochbegabte zwar hervor, aber das Sagenhafte ging ihm ab. Und weil er sich zwischenzeitlich an seinen Oberschenkel fasste, stand später auch die Frage im Raum, ob Messi vielleicht körperlich nicht voll da gewesen sei. Sein Trainer Alejandro Sabella sagte: „Messi ist physisch im Olymp, und er ist auch sonst ganz oben, bei den ganz Großen.“

Der Größte aber aus Sicht seiner Landsleute bleibt Maradona. Da halfen auch Sabellas Worte nichts, der Messis Ehrung als bester Turnierspieler als „verdient“ bezeichnete. „Er hat eine große WM gespielt, er war ein fundamentaler Faktor für das, was wir erreicht haben“, sagte der 59-Jährige. Es klang so schmucklos, wie es sich diese WM für Messi nun anfühlen muss.

Das galt auch für die Kollegen, vor allem für den 30 Jahre alten Kopf des Teams, für Javier Mascherano. Von großem Schweigen in der Kabine berichtete Sabella, er bezeichnete es als „die Ruhe des Kriegers“ nach einem verlorenen Kampf. Der Trainer war sich seiner zweifelhaften Metaphorik bewusst. Aber er fand, dass sie zu diesem intensiven Spiel passe, das ja tatsächlich ein Schlachtengemälde nach dem anderen hervorgebracht hatte. Stolz sei er auf seine Mannschaft, die er nach allem, was bisher zu vernehmen war, wohl abgeben wird. „Ein Finale zu verlieren ist ein Schmerz, aber die Spieler können sich alle in die Augen schauen. Es muss auch eine Bewertung über den Schmerz hinaus geben. Sie haben den zweiten Platz gewonnen“, sagte Sabella.

Das gilt auch für Messi, doch es bringt Maradonas ungekröntem Wiedergänger nichts. Bei der nächsten WM wird er endgültig ein Mann sein. Für einen Fußballer sogar ein ziemlich alter.