In meiner ersten Kolumne vor WM-Beginn hatte ich den Argentiniern den Titel nicht zugetraut. Sie schienen mir in der Breite ihres Kaders qualitativ nicht gut genug besetzt, in der heimischen Liga nicht ausreichend gefordert, um sich am Ende die Krone aufzusetzen. Da mag ich mich getäuscht haben. Die Argentinier haben bislang eine hervorragende WM gespielt. Sie haben nicht brilliert, als Mannschaft aber mit Geschlossenheit und taktischer Disziplin überzeugt. Sie besitzen alle Fähigkeiten, da korrigiere ich mich gern, um Weltmeister zu werden. Dennoch bleibe ich dabei: Argentinien wird es nicht. Und diese Einschätzung gründet sich jetzt allein auf die Stärke der deutschen Elf, die sich in diesem Turnier in den bisherigen drei K.-o-Runden zu einer kompakten Einheit entwickelt hat.

Schon vor dem 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien hatte ich den Eindruck, dass in diesem Team inzwischen alles hundertprozentig stimmt. Das konnte man den Spielern ansehen, und das bestätigten sie in ihren Äußerungen, die stets von Selbstbewusstsein, aber auch vom nötigen Realitätssinn, oft sogar von einem Schuss Demut geprägt waren. Ich habe eigentlich keinen Zweifel mehr, dass Deutschland als erste europäische Mannschaft auf dem amerikanischen Kontinent Weltmeister wird.

Früher mögen in der Tat die klimatischen Bedingungen in Nord-, Mittel- und Südamerika für Europäer schwierig zu ertragen gewesen sein, heute jedoch weiß jedes Team, wie man sich medizinisch, physisch und psychisch auf hohe Temperaturen und große Luftfeuchtigkeit einstellt. Die Deutschen tun dies mit bekannter Akribie. Sie werden deshalb im Endspiel nicht nur wegen der um einen Tag längeren Pause nach dem Halbfinale die fittere Mannschaft sein.

Ich habe schon mit Spielern vieler Nationalitäten zusammengearbeitet, aber keiner von denen war konditionell ähnlich gut trainiert wie die deutschen Profis. Die Bundesligavereine haben hier hervorragende Arbeit geleistet.

War eine kluge Vorbereitung stets ein Merkmal erfolgreicher deutscher Mannschaften, besteht das große Verdienst des Bundestrainers diesmal darin, einen Kader zusammengestellt zu haben, in dem menschlich alles passt. Es scheint untereinander keine Eifersüchteleien zu geben, wie man sie leider öfter in Spitzenmannschaften erlebt. Da steht ein Team zusammen, dessen Zusammenhalt unerschütterlich ist, in dem jeder seine Aufgabe sieht, sie erfüllt und sich in den Dienst des Ganzen stellt. Nur so können Mannschaften funktionieren. Das hat Joachim Löw überragend hinbekommen.

Seit Philipp Lahm über die rechte Seite kommt, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger sich im defensiven Mittelfeld kongenial ergänzen, stimmt auch die spielerische Architektur des Teams. Dass Benedikt Höwedes kein linker Verteidiger ist, wir dadurch freiwillig auf zusätzliche Impulse in der Offensive verzichten, dieser Meinung aber bleibe ich. Im Finale wird das hoffentlich nicht ausschlaggebend sein.

Argentiniens Taktgeber ist der defensive Mittelfeldmann Javier Mascherano. Er spielt eine starke WM. Seine Kreise nachhaltig zu stören, dürfte entscheidend werden. Selbstverständlich haben die Argentinier weitere außergewöhnliche Einzelkönner wie Ángel Di María und natürlich Lionel Messi, der mir aber nach seinen jüngsten Verletzungsproblemen nicht in Bestform scheint. Dennoch kann er mit seiner Klasse in eins, zwei Situation den Unterschied ausmachen. Er muss 90, vielleicht 120 Minuten verteidigt werden. Dazu ist unsere Mannschaft aber in der Lage, weil, wie gesagt, jeder jedem hilft.