Deutschland hat bisher die höchste Erfolgsquote der vier Halbfinalteilnehmer nach ruhenden Bällen

Belo Horizonte. Ein deutscher Freistoßtrick ist bei dieser Weltmeisterschaft etwas untergegangen, trotz der erhöhten Aufmerksamkeit nach Thomas Müllers erfolgloser Stolpereinlage im Achtelfinale gegen Algerien. Das jüngste Täuschungsmanöver versteckte sich in der Aussage von Mats Hummels nach seinem Kopfball zum 1:0-Sieg gegen Frankreich im Viertelfinale, seinem zweiten Standardtor dieser WM – jeweils auf Vorlage von Mittelfeldspieler Toni Kroos.

„Eine Methode steckt nicht dahinter. Die Bälle waren gut geschlagen und ich hatte Glück, am richtigen Fleck zu stehen“, sagte der Dortmunder also. Das war vor dem Halbfinale an diesem Dienstag in Belo Horizonte gegen Gastgeber Brasilien wohl ein bisschen geflunkert. Tatsächlich darf sich die deutsche Nationalelf bei diesem Turnier mit dem inoffiziellen Titel „Standard-Weltmeister“ schmücken. Keine andere Mannschaft hat bisher mehr als fünf Tore nach Ecken, Freistößen und Elfmetern erzielt.

Es werde im Training „mehr Wert auf Standards gelegt als bei den Turnieren zuvor. Das hat sich ja schon ausgezahlt“, verriet Kroos. Und auch der lange Zeit am Thema allenfalls mäßig interessierte Bundestrainer bezeichnete ruhende Bälle jüngst als „ein wichtiges Thema. Standards haben ein Gewicht“, sagte Joachim Löw. Ihr Anteil an allen WM-Toren bei den Turnieren 2006, 2010 und 2014 liegt bei rund einem Drittel.

Beim DFB hat vor allem Löws Assistent Hansi Flick ein Faible für Freistoß-Tüfteleien. Er verabredet sich regelmäßig zu konspirativen Treffen mit den Spielern, um mit ihnen neue Varianten auszuhecken. Der Bundestrainer hat ihm den Spaß bisher eher gelassen denn diesen goutiert. Jetzt könnten sich die deutschen Standardqualitäten aber auch gegen die Seleção als hilfreich erweisen. Nach Neymars verletzungsbedingtem WM-Aus ist die Auswahl von Coach Luiz Felipe Scolari noch etwas defensiver und robuster zu erwarten als bisher.

So könnte sich das scheinbar altbackene Stilmittel als Schlüssel zum Erfolg erweisen. Statt gegen Brasiliens harte Defensive endlos anzukombinieren, öffnen kreative Standards mit vergleichsweise geringem Aufwand möglicherweise das Tor zum Finale, mit einstudierten Laufwegen, Abläufen und dem kleinen Vorsprung des überraschenden Moments. Vor allem indirekte Varianten erweisen sich als erfolgreich. Schlenzer über eine Mauer ins Tor gab es bei dieser WM bisher nur zweimal.

Sollte es gegen Brasilien zu einem Elfmeterschießen kommen, spricht die Statistik übrigens auch in dieser Disziplin für Deutschland. Viermal musste eine DFB-Elf bei einer WM zur Nervenschlacht antreten, und immer setzte sie sich durch.

Tore der Halbfinalisten nach Standardsituationen (Quote/Tore gesamt/nach Standards) Deutschland 50 Prozent/10/5; Niederlande 42 Prozent/12/5; Brasilien 40 Prozent/10/4; Argentinien 25 Prozent/8/2.