Natürlich möchte niemand Bilder sehen wie die von der Verletzung Neymars. Doch die Bewertung dieser Szene, gipfelnd in der Aussage des früheren Fifa-Schiedsrichters Urs Meier („Treter-WM“), hat Dimensionen angenommen, die das Urteil zu verzerren drohen.

Betrachtet man das Einsteigen des Kolumbianers Camilo Zúñiga losgelöst vom Gesamteindruck des hart geführten Spiels, ist der Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung unhaltbar. Zúñiga schaut im Sprung nur zum Ball und trifft Neymar so unglücklich mit dem Knie am Rücken, dass man von einem tragischen Unfall sprechen muss, wie er in einem Kontaktsport vorkommen kann.

Dass Fußball genau das ist, ein Kontaktsport mit harten körperlichen Duellen, drohte in der Begeisterung der Millionen Modefans über das rasante Offensivspektakel in Brasilien unterzugehen. Vergessen wird, dass ein gewichtiger Grund dafür die Taktik der Fifa war, den Spielfluss eben nicht so häufig zu unterbrechen wie zum Beispiel in der Bundesliga. Und wer sich ernsthaft darüber beklagt, dass in einem WM-Viertelfinale zwischen zwei südamerikanischen Teams auch über die Grenzen getreten wird, der ist entweder hoffnungsloser Romantiker – oder schlicht so ignorant, das europäische Spielverständnis dem des südamerikanischen überzuordnen.

Sicherlich hätten Schiedsrichter Carballo früher durchgreifen und einige Kollegen besser pfeifen müssen, aber sie haben in der Gesamtheit nicht mehr Fehler gemacht als die Spieler, die Chancen vergeben, Fouls vortäuschen oder sonst wie falsch spielen. Fehler und Verletzungen gehören zum Fußball wie geniale Spielzüge, Tore und Triumphe. Auch weil sie das belegt, ist diese WM so großartig.