Ein Kommentar von Björn Jensen

Wenn er nicht so furchtbar überstrapaziert wäre, dieser Titel „Meister der Herzen“, dann wüsste man spätestens seit Sonntagnacht, an wen er bei dieser WM zu verleihen wäre. Man will den Griechen, die ihre beschränkten Mittel wieder einmal so lähmend wie beeindruckend einzusetzen wussten, ja nicht zu nahe treten. Dennoch dürfte es keinen neutralen Zuschauer gegeben haben, der der Auswahl Costa Ricas den Sieg im Elfmeterschießen, der ihr den ersten Viertelfinaleinzug ihrer WM-Geschichte ermöglichte, nicht gönnte.

Als Sinnbild dieser so leidenschaftlich kämpfenden Mannschaft hat sich Joel Campbell auf ewig ins WM-Gedächtnis eingebrannt. Der 22 Jahre alte Angreifer, der in Statur und Stil an den jungen Ailton erinnert, hatte in der Schlussphase der Verlängerung seinem Körper auch das letzte bisschen Energie abgerungen, und dennoch lief er als Alleinunterhalter gegen die griechische Betonabwehrmauer an, als gäbe es für ihn kein Morgen bei diesem Turnier.

Dass es anders kam, war natürlich nicht nur Campbells Verdienst, obwohl er seinen Elfmeter so trocken verwandelte, als habe sein Trainer ihn nur dazu eingewechselt. Es war die gerechte Belohnung für eine Mannschaft, die eine Stunde lang in Unterzahl gezeigt hatte, dass Wille und Glauben auch im modernen Fußball noch elementare Erfolgszutaten sein können. Sie sind garantiert nicht die stärkste Mannschaft im Turnier, aber vielleicht die, die am besten zusammenhält. Italien, England, Uruguay und die Griechen wissen das jetzt. Am Sonnabend warten die Niederlande. Neutrale Zuschauer gibt es dann hoffentlich keine mehr.