Der Superstar sorgt gegen den Iran mit einer Einzelaktion in der Nachspielzeit für den glücklichen 1:0-Erfolg

Belo Horizonte. Es war nur ein Vorrundenspiel. Es ging nur gegen den Iran. Es gab keinen Pokal zu überreichen und also keinen Grund, länger im Estádio Mineirão zu bleiben. Aber eine Viertelstunde nach Abpfiff waren die Tribünen immer noch ein Meer aus Hellblau und Weiß. Und eine Viertelstunde nach Abpfiff sangen sie immer noch ihr Lied, aus vierzigtausend Kehlen: „Brasilien, sag mir, wie es sich anfühlt / deinen Papa bei dir zu Hause zu haben / Ich schwöre dir, die Jahre werden vergehen / und wir werden das nie vergessen.“ Wenn Argentinien doch nur mal so Fußball spielen würde.

Der Grund der hinreißenden Gesänge war also ein 1:0 gegen den Iran. Im Nachhinein konnten die angereisten Fans fast noch dankbar sein für den zähen Vortrag ihrer Elf: So war das finale Delirium umso epischer. Lionel Messi, wer sonst, schlenzte den Ball in der Nachspielzeit von der Strafraumgrenze zum Siegtreffer ins lange Eck. Die Sieger ließen sich im Mittelkreis feiern, die Verlierer lagen weinend auf dem Boden. Ein Spiel, das sich in den Prognosen als Selbstläufer dargestellt hatte, endete im Drama. Denn es stimmte ja, was Ashkan Dejagah sagte, als er, die Tränen getrocknet, eine Stunde später Bilanz zog: „Mit ein bisschen Glück gewinnen wir. Ein Punkt wäre hochverdient gewesen.“

Der Iran hatte im „größten Spiel seiner Geschichte“ (Trainer Carlos Queiroz) nur anfangs etwas Glück gebraucht, dann aber aus seiner so ultradefensiven wie geometrisch perfekten Aufteilung heraus immer geschickter gekontert und letztlich sogar die besseren Chancen gehabt.

Nur Torwart Sergio Romero, vor dem Turnier als Schwachpunkt der Argentinier auserkoren, verhinderte einen Sieg der Perser. Und dann war da noch der Schiedsrichter. Die Unparteiischen-Gilde hat es in Belo Horizonte verpasst, den Eindruck der Favoritenliebe zu widerlegen. Die Iraner bezweifelten jedenfalls nachhaltig, dass Milorad Mazic in der 55. Minute das Foul des trägen Pablo Zabaleta an Dejagah nicht gesehen haben wollte. „Ich sage zu einhundert Prozent: Wenn es andersherum gewesen wäre, hätte der Schiri gepfiffen“, so der Deutschiraner.

Während Dejagah sich damit tröstete, der Welt gezeigt zu haben, „dass wir Fußball spielen und mithalten können“, fand sein Trainer nur schwerlich ein anderes Thema. Der sonnengebräunte Queiroz sieht auch mit 61 Jahren noch so blendend aus, dass man sofort versteht, warum Real Madrids Präsident Florentino Pérez auf der Suche nach einem möglichst galanten Typen einst bei ihm fündig wurde. Aber am Sonnabend hatte der Portugiese partout keine Lust auf die Gentlemanrolle. Frage: „Hat es Sie überrascht, wie schwach Argentinien war?“ Antwort: „Mich hat überrascht, wie schwach der Schiedsrichter war.“

Aber für die Argentinien-Frage gab es ja glücklicherweise noch andere Zeugen. Torwart Romero zum Beispiel, der sagte: „Zum Glück hat der Zwerg an der Wunderlampe gerieben, und wir konnten noch gewinnen.“ Auch Messi selbst gibt sich in der Nationalelf deutlich zutraulicher als etwa bei seinem Club. In zwei Wochen in Brasilien hat er schon mehr gesagt als in Barcelona eine ganze Saison lang. Nach dem rumpeligen Auftakt gegen Bosnien (2:1) beerdigte er öffentlich die hasenfüßige Fünf-Verteidiger-Taktik seines Trainers Alejandro Sabella, jetzt räumte er ein, es gebe „noch viel Raum für Verbesserung“.

Was nicht zuletzt für ihn selbst gilt. Bis zu seinem Tor unterschritt er eher noch das bescheidene Niveau eines Teams, dessen Gesamtheit einfach nicht die Klasse seiner Einzelspieler wiedergeben will. Aber weil ein vergleichsweise schwacher Messi eben trotzdem noch Messi ist, steht Argentinien jetzt bereits im Achtelfinale.

Wobei auch die These vertreten wurde, der andere große Argentinier habe die Schlusspointe ermöglicht. Diego Maradona, frisch geliftet, durfte diesmal ins Stadion, nachdem ihm beim ersten Spiel in Rio de Janeiro noch der Eintritt untersagt worden war. Als er auf der Videoleinwand eingeblendet wurde, jubelte das Publikum.

Argentiniens oberster Fußballfunktionär Julio Grondona teilte diese Begeisterung nach diversen Scharmützeln dagegen nicht mehr. Nach Spielschluss zischte er: „Als der Seuchenvogel ging, haben wir noch gewonnen.“ Maradona hatte seine Loge drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit verlassen. In seiner TV-Sendung „De Zurda“ beschimpfte er den Verbandschef für dessen Aussagen als „armen Dummkopf“.

Argentinien: Romero – Zabaleta, Garay, Federico Fernández, Rojo – Gago, Mascherano, Di María (90.+4 Biglia) – Messi, Higuaín (77. Palacio), Agüero (77. Lavezzi). Iran: Aliresa Haghighi – Hosseini, Sadeki, Montaseri, Puladi – Timotian, Nekunam – Dejagah (85. Jahan Bachsch), Schojaei (77. Heidari), Haji Safi (88. Resa Haghighi) – Ghoochannejhad. Schiedsrichter: Mazic (Serbien). Zuschauer: 57.000. Tor: 1:0 Messi (90.+1). Gelbe Karten: Nekunam, Schojaei.