Mercedes gelingt in Österreich erneut ein Doppelsieg. Vettel scheidet aus und kann nicht mehr aus eigener Kraft Formel-1-Weltmeister werden

Spielberg. Als Dietrich Mateschitz vor mehr als einem Jahr den Traum von einem Formel-1-Rennen in seiner Heimat hatte, dürfte er in etwa diese Bilder vor Augen gehabt haben: Erstmals in der Geschichte der Rennserie bevölkern mehr Menschen mit Red-Bull-Kappen als Ferrari-Fans die Ränge. Zehntausende rote und weiße Fähnchen verwandeln die Strecke in Spielberg, die seit kurzem Red-Bull-Ring heißt, in die größte Sportbühne Österreichs. Die Grid Girls tragen landestypische Trachten, in den VIP-Logen prosten sich Stars und Sternchen in Red-Bull-Overalls zu. Schlagerbarde Andreas Gabalier schmettert vor Rennbeginn die österreichische Hymne, nach der Zieldurchfahrt wird gejodelt, und im Hintergrund glänzt der 18 Meter hohe Stahl-Bulle in der steirischen Sonne.

Nur die Besetzung des Podests dürfte in der Vision des Red-Bull-Gründers eine andere gewesen sein: Anstatt Sebastian Vettel oder Daniel Ricciardo bespritzten sich am Sonntag Nico Rosberg, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas mit Champagner. Zwei Mercedes- und ein Williams-Pilot also zerstörten das Bild eines modernen und gleichsam traditionellen, vor allem aber sportlich erfolgreichen Österreich, das der reichste Bürger der Alpenrepublik da zu zeichnen versucht hatte.

„Es war nicht das einfachste Rennen“, sagte Rosberg nach seinem dritten Saisonsieg in Richtung der 100.000 Zuschauer: „Das ganze Wochenende hier in Österreich war einfach spektakulär, es herrschte eine sehr spezielle Atmosphäre. Schön, dass wir nach elf Jahren wieder zurück sind!“ Von den schnellsten zehn Autos waren beim Comeback-Rennen acht mit Mercedes-Antrieb unterwegs.

Größer kann eine Dominanz kaum sein, vor allem Toto Wolff durfte sich als heimlicher Sieger des Wochenendes fühlen. Als Motorsportchef von Mercedes konnte er sich über den Doppelsieg freuen, als Besitzer von Anteilen am Williams-Rennstall über Platz drei und vier von Bottas und Felipe Massa. „Ich bin vor allem stolz auf das Gesamtresultat“, sagte der Österreicher: „Das war ein mehr als gelungenes Wochenende.“

Die Protagonisten auf der Rennstrecke entschädigten die Zuschauer, die mehrheitlich mit Red Bull gefiebert hatten, mit einer spannenden Verfolgungsjagd an der Spitze. Erst überholte Rosberg Bottas, ehe der Finne noch in der ersten Runde konterte und die Williams-Doppelführung vom Start wiederherstellte. In der gleichen Zeit machte Hamilton, der aufgrund eines Fahrfehlers im Qualifying nur als Neunter ins Rennen gegangen war, sagenhafte fünf Ränge gut. Fortan hetzte sich das Führungsquartett über das hügelige Asphaltband, als würde es um die Vergabe des WM-Titels gehen und nicht nur um einen Zwischenschritt auf dem Weg dorthin.

Am Ende entschieden die besseren Boxenstopps das Rennen zugunsten der Silberpfeile. Erst übernahm Rosberg nach dem schnellsten Reifenwechsel des Tages (2,6 Sekunden) die Führung, später schob sich Hamilton auf gleichem Wege an Bottas vorbei. Dass der Deutsche seine Führung anschließend vor dem Briten verteidigen konnte, ohne nennenswert in Gefahr zu geraten, lag ebenfalls an der hervorragenden Arbeit seiner Boxencrew. Fast zwei Sekunden gewann Rosberg hier im Vergleich zu Hamilton, dessen Rückstand im Gesamtklassement auf 29 Zähler angeschwollen ist. Es war bereits der sechste Doppelsieg der Silberpfeile, die unaufhaltsam dem ersten WM-Titel seit dem Wiedereinstieg in die Formel 1 vor viereinhalb Jahren entgegenrasen.

Enttäuschte Mienen hingegen bei Red Bull: Das Rennen, das Vettel die Wiederauferstehung im Titelkampf bringen sollte, war für ihn de facto nach einer Runde beendet. Wie ein VW Käfer im Leerlauf rollte er über die Strecke, während der Rest des Felds links und rechts vorbeizog. „Ich verliere Energie“, klagte der 26-Jährige, während er mit seinen Händen resignierend auf das Lenkrad trommelte. Eine Runde lang ging das so, bis sich sein erneut unberechenbarer Bolide entschloss, wieder am Rennen teilzunehmen. „Ich weiß nicht warum, aber jetzt kann ich wieder Gas geben“, teilte Vettel seiner Teamleitung mit. Die antwortete ungläubig: „Ähh, dann fahr einfach weiter.“

Der Hesse gehorchte und jagte dem Feld hinterher, konnte seinen Rückstand allerdings nicht mehr nennenswert reduzieren. Nach der Hälfte des Rennens gab er auf, es war schon der dritte Ausfall im achten Rennen. Mit nun 105 Punkten Rückstand auf WM-Spitzenreiter Rosberg kann Vettel nicht mehr aus eigener Kraft Weltmeister werden, obwohl noch nicht einmal die Hälfte der Saison absolviert ist.

„Es ist wie eine dunkle Wolke, die über Sebastian schwebt“, sagte Teamchef Christian Horner: „Es sind die gleichen Leute, die im vergangenen Jahr Weltmeister geworden sind, und plötzlich funktioniert das Auto nicht mehr. Das ist einfach großes Pech und unglaublich frustrierend. Wir werden alles unternehmen, um zurückzukommen.“