Ein Kommentar von Andreas Hardt

Also, Berührungsängste hat die Kanzlerin nicht. Sportkabine, Spiel gespielt, Handtücher, Badelatschen, tätowierte Oberkörper. Da riecht es eher nicht nach Veilchen, Rosen und Lavendel. Da wurde gerade erfolgreich Fußball geschwitzt, und Angela Merkel steht nun lächelnd mittendrin. Beim Gruppenbild mit Nationalmannschaft, beim Selfie mit Poldi. Das Privileg des Amtes ermöglicht ihr die Träume aller Fans. Hat sie ein Autogramm von Özil?

Politiker auf der Tribüne, das lässt schnell schaudern. Es hat auch keine gute Vergangenheit. Präsident Heinrich Lübke hatte 1966 in Wembley beim „dritten Tor“ gesehen, „wie der Ball im Netz zappelte“. Sein Vorgänger Theodor Heuss hielt Max Morlock für den Torwart. Und als Helmut Kohl 1996 nach dem EM-Sieg die Kabine der deutschen Mannschaft betrat, wurde es laut Mehmet Scholl „eng“.

Nein, viele Politiker kamen und kommen nur, um Volksnähe zu demonstrieren. Ein reines Kalkül. Dementsprechend wurden und werden diese Politiker ausgepfiffen, die oft genug gleich nach dem Stadionbesuch wieder die finanzielle Beteiligung der Fußballvereine an Polizeieinsätzen im Umfeld der Spiele fordern. Die Fans haben ein feines Gespür.

Bei Merkel ist das inzwischen anders. 2006 beim Sommermärchen ging es los. Die damals noch recht neue Kanzlerin wirkte etwas linkisch auf der Ehrentribüne. Man sah sie bei der EM 2008 neben Bastian Schweinsteiger, bei der WM 2010 neben dem verletzten Michael Ballack und in der Kabine mit dem halb nackten Mesut Özil. Die Kanzlerin hat sich etabliert im Umfeld der Nationalmannschaft und ist dabei viel authentischer als die meisten ihrer Vorgänger.

Sie schaut gern Fußball, und sie nutzt die freie Eintrittskarte. Würden wir ja auch. Jetzt muss sie für komplette Glaubwürdigkeit beim nächsten Mal nur noch den Schiedsrichter beleidigen und nach dem Sieg im Bundestagswahlkampf das „Humpta“ anstimmen: „Gib mir ein C, gib mir ein D, gib mir ein U!“