Bisher galt der Schwabe nur als Motivator. Der Sieg seines US-Teams gegen Ghana zeigte ein anderes Bild

Natal . Jürgen Klinsmann hat einen Ruf weg, und er ist nicht sonderlich positiv. Seit seiner Zeit als Bayern-Coach ist er als Motivator verschrien – und das im negativen Sinne. Von taktischen Konzepten verstehe er nichts, so die öffentliche Meinung. Philipp Lahm befeuerte dieses Vorurteil in seiner Autobiografie, als er behauptete, Klinsmann habe die Spieler über die Taktik entscheiden lassen und selbst nur wenig davon verstanden. Mit der US-Nationalmannschaft bewies er im ersten WM-Spiel gegen Ghana jedoch, dass er durchaus taktieren kann. Auch wenn nicht alles funktionierte, führte er sein Team doch zum Sieg gegen Ghana.

Die Gruppengegner der deutschen Mannschaft lieferten sich lange Zeit einen offenen Schlagabtausch. Beide Teams traten in einem 4-4-2-System an, wobei Klinsmanns Team von Beginn an mit einem hohen Pressing aufmerken ließ. Klinsmanns Idee, den gelernten Sechser Jermaine Jones als Linksaußen einzusetzen, machte sich früh bezahlt. Er attackierte die spielerisch schwächere Seite Ghanas und legte den frühen Führungstreffer durch Kapitän Clint Dempsey auf (1. Minute).

Danach zogen sich die Amerikaner etwas weiter zurück. Sie verteidigten mit zwei engen Viererketten, wobei sie sehr kompakt zum Ball verschoben. So konnten sie die Ghanaer immer doppeln, wenn diese über den Flügel angriffen. Ab und an schoss Bradley auch aus der Formation, sodass die Amerikaner mit einem 4-3-1-2 pressten. Vor allem aber ließen sie keine Lücken zwischen den Spielern und verhinderten damit Ghanas schnelles Spiel in die Spitze.

In der zweiten Halbzeit schwächelten die Amerikaner allerdings und machten lange Zeit den Fehler, mit dem schnellen und physischen Spiel der Ghanaer mithalten zu wollen. Doch den amerikanischen Kontern fehlte die Präzision, zumal die ghanaischen Verteidiger die meisten Laufduelle für sich entschieden. Meistens verloren die Amerikaner den Ball so schnell, wie sie ihn gewonnen hatten. Hinzu kam, dass Dempsey in einem Zweikampf mit Ghanas John Boye einen Nasenbeinbruch erlitt – sein Einsatz gegen Portugal am Sonntag ist allerdings nicht gefährdet.

Ghana konnte die USA mit schnellen Angriffen mürbe spielen, nach und nach schwanden die Kräfte der Amerikaner. Doch auch die Ghanaer hatten sich bei ihren zahlreichen Attacken verausgabt. Nach dem Ausgleichstreffer Ghanas (82.) taumelten beide Mannschaften. Es waren die Amerikaner, die den letzten Schlag setzen konnten. Zum entscheidenden Mann schwang sich dabei der Berliner Bundesligaprofi John Brooks auf, der nur vier Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit die USA zum Sieg köpfte. „Das ist einfach ein Traum“, sagte der zur Halbzeit eingewechselte 21-Jährige. Noch vor dem Spiel hatte er seinen Eltern erzählt, auf der Ersatzbank zu sitzen. Die Chancen eines Abwehrspielers, als Joker zum Einsatz zu kommen, sind erfahrungsgemäß eher gering.

Doch weil Innenverteidiger Matt Besler – ebenso wie zuvor schon der etwas ernster verletzte Stürmer Jozy Altidore – angeschlagen raus musste, war Brooks auf einmal mittendrin. Das Siegtor im ersten WM-Spiel unter anderem vor den Augen von US-Vizepräsident Joe Biden trage eine „ganz besondere Note“ für Brooks, stellte Klinsmann heraus. „Das ist ein großer Moment für Brooks, etwas ganz Spezielles für den Jungen. Er hat sein Talent gezeigt“, lobte der Trainer.

Die Unterstützung für das US-Team hatte schon im Vorfeld weltmeisterliche Züge – sogar von ganz oben kamen die besten Wünsche. „Auf geht’s, Team USA. Zeigt der Welt, aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, bekannte US-Präsident Barack Obama in einer Videobotschaft und twitterte zugleich: „Elf auf dem Platz, mehr als 300 Millionen feuern sie an.“ Auch im Stadion selbst waren die Amerikaner in der Überzahl und sorgten für einen beeindruckenden Lärmpegel.

Gegen Portugal könnten die Amerikaner am kommenden Sonntag im Optimalfall schon den Achtelfinal-Einzug klarmachen. „Aber sie werden nach dem 0:4 gegen Deutschland noch gefährlicher sein als zuvor“, warnte Klinsmann. Von seinem ehemaligen Team, das er bei der Weltmeisterschaft 2006 betreut hatte, zeigte er sich angetan: „Wir können ihnen nur ein großes Kompliment machen, so in ein Turnier zu starten. Das war eindrucksvoll.“

Sein ehemaliger Co-Trainer Joachim Löw dürfte das Spiel der Gruppengegner mit Interesse verfolgt haben. Beide Teams legten ihre Stärken und Schwächen offen. Ghanas schnelle Spielanlage könnte gegen Deutschland besser zur Geltung kommen, wenn sie stärker auf Konter spielen. Doch die Schwächen auf den Außen- und in der Innenverteidigung könnte Deutschland ausnutzen. Die USA hingegen sind defensiv stabiler, dafür fehlt ihnen die offensive Wucht. Nach der Leistung gegen Portugal muss Löw die Gegner aber nicht zu seh fürchten.

Ghana: Kwarasey – Oprae, Boye, Mensah, Asamoah – Rabiu (71. Essien), Muntari, Atsu (78. Adomah), Ayew (59. Boateng) – Gyan, Ayew.USA: Howard – Johnson, Cameron, Besler (46. Brooks), Beasley – Bradley, Beckerman – Bedoya (77. Zusi), Jones – Altidore (23. Johannsson), Dempsey.Tore: 0:1 Dempsey (1.), 1:1 Ayew (82.), 1:2 Brooks (86.). Schiedsrichter: Jonas Eriksson (Schweden).Zuschauer: 40.000. Gelbe Karten: Rabiu, Muntari / –.