Mexikos Herrera ist zwar der am schlechtesten bezahlte WM-Trainer, bietet aber die größte Show

Teresópolis. Angefangen haben die Brasilianer. „Glückwunsch Mexiko“, schrieb deren Fußballverband am Sonnabend, „wie wäre es mit einem kleinen Match hier auf Twitter? Mal sehen, wer mit mehr Followern zum Spiel kommt.“ Die Antwort folgte prompt: „Herausforderung angenommen. Vamos, auf zum Sieg.“ An diesem Dienstag treffen die beiden einwohnerstärksten Länder Lateinamerikas aufeinander (21 Uhr/ZDF). Es ist ein Duell, das man inzwischen als Klassiker des Kontinents bezeichnen kann, und es ist als durchaus stellvertretend zu verstehen, dass es im Twitter-Krieg sehr knapp zugeht: Am Vortag des Spiels führte Mexiko knapp mit 1,73 zu 1,64 Millionen.

Brasilien verliert öfter mal gegen Mexiko. Luiz Felipe Scolari würde in Fortaleza wohl nicht auf der Bank sitzen, hätte es das Olympiafinale 2012 nicht gegeben. Ein mit Stars gespicktes und als Gerüst der WM-Mannschaft konzipiertes Brasilien sollte endlich die erste Goldmedaille für den Rekordweltmeister gewinnen, doch dann traf Oribe Peralta schon nach 40 Sekunden, später noch mal, und die Mittelamerikaner siegten 2:1. Die Schmach wirkte so lange nach, dass Nationaltrainer Mano Menezes ein paar Monate später entlassen wurde. Unter anderem Kapitän Thiago Silva, Superstar Neymar und Spielmacher Oscar standen aus dem heutigen Team damals auf dem Platz. Oder auf der anderen Seite Peralta, der am Freitag das Siegtor gegen Kamerun erzielte.

„Felipão (Scolari, d. Red.) hat mal gesagt, Mexiko sei wie ein Stein im Schuh von Brasilien“, erklärt Mexikos Trainer Miguel Herrera. „Wir wollen kein Stein sein, sondern ein Felsen.“ Der Coach hat sich mit einem eigenen Aufruf an die Fans auch an der Twitter-Sache aktiv beteiligt. Ehrensache: Wo immer es gilt, Flagge zu zeigen oder einen guten Spruch anzubringen, ist der 46-Jährige ganz vorn mit dabei.

Mit gut 150.000 Euro Jahresgehalt ist Herrera zwar der am schlechtesten bezahlte unter allen WM-Trainern, aber dafür ist er deren größte Show. Rothaarig und von vulkanischer Leidenschaft. Sein Jubel über das Siegtor gegen Kamerun im tropischen Regen von Natal ist bereits ein Klassiker im Internet. Sein Zorn über die beiden aberkannten Tore von Giovanni dos Santos war nicht viel weniger dramatisch. Herrera war schon immer emotional unterwegs: Als robuster Außenläufer verspielte er 1994 im letzten Qualifikationsspiel seine WM-Teilnahme mit einer Tätlichkeit. Ein Trauma, das ihn immer antrieb, es dann eben als Trainer zu einer Weltmeisterschaft zu bringen.

Die Chance kam im Oktober, als es drei Trainer nacheinander nicht fertig brachten, Mexiko die WM-Qualifikation zu sichern. Für die Play-offs gegen Neuseeland wurde der erfolgreiche Clubtrainer Herrera engagiert, und seitdem ist wenig wie es war im mexikanischen Fußball. Wer visiert schon nach fünf Achtelfinalniederlagen in Serie für sein Land als Ziel das Finale an?

Wer das nur für präpotent hält, wird Herrera nicht gerecht. „El Piojo“ (der Floh) wuchs in prekären Umständen ohne Vater auf („Ich habe keine Erinnerung an ihn“), wurde wegen seines wenig mexikanischen Aussehens aufgezogen und hat gelernt, das Leben als Kampf zu sehen. Aber als einen Kampf, der sich lohnt, einen, den es mit Abenteuerlust und Humor zu bestreiten gilt.

Gegen Brasilien wird Herrera an der Seitenlinie wieder im Zwiegespräch mit den Mächten des Schicksals stehen, er wird flehen und fluchen. „Sie werden einen Verrückten an der Seitenlinie sehen. Das wird nicht gespielt sein. Das ist Leidenschaft. Das bin ich.“

Brasilien: 12 César – 2 Alves, 4 Luiz, 3 Silva, 6 Marcelo – 17 Luiz Gustavo, 8 Paulinho – 11 Oscar, 10 Neymar, 7 Hulk – 9 Fred.

Mexiko: 13 Ochoa – 2 Rodríguez, 4 Márquez, 15 Moreno – 22 Aguilar, 6 Héctor Herrera, 23 Vázquez, 18 Guardado, 7 Layún – 10 dos Santos – 19 Peralta.

Schiedsrichter: Cakir (Türkei).