Ein Kommentar von Henrik Jacobs

Viele Beobachter rieben sich verwundert die Augen, als die Engländer in Halbzeit eins im Minutentakt auf das Tor der Italiener stürmten. Britische Bälle, hoch und weit? Fehlanzeige. Dafür gab’s Vollgasfußball vom Feinsten. Hätten die jungen Sprinter namens Welbeck, Sturridge oder Sterling vor dem Tor ein wenig mehr Übersicht bewiesen, Italien wäre schon zum Pausentee geschlagen gewesen.

Haben sie aber nicht, könnte man nun einwenden. Und Italiens genialer Spielmacher Andrea Pirlo belegte mit mageren fünf Sprints, dass man ein Fußballspiel auch heute noch ohne Geschwindigkeit dominieren kann. Trotzdem lässt sich nach dem ersten Wochenende festhalten: Diese WM ist das Turnier der Tempostürmer. Das belegt eine fast unglaubliche Zahl: 64. So viele Läufe absolvierte der überragende Arjen Robben beim 5:1 der Niederlande gegen Weltmeister Spanien im Sprinttempo.

Robben zeigte eindrucksvoll, wie man eine Abwehr aushebelt, die bei der EM 2012 in sechs Spielen nur ein Gegentor kassierte: mit Geschwindigkeit. Auch Costa Ricas Campbell, Chiles Sánchez oder Kroatiens Olic glänzten mit Sprinterqualitäten. Bei den tropischen Temperaturen setzen die Trainer offenbar gezielt auf die Taktik Tempo. Die Folge: Offensivspektakel und für einen WM-Auftakt ungewöhnlich viele Tore.

Ob am Ende auch die Mannschaft mit den besten Sprintern Weltmeister wird, ist aber keinesfalls sicher. Das beweist das Beispiel Balotelli. Italiens Siegtorschütze spulte mit Abstand die wenigsten Kilometer seiner Mannschaft zurück – und wurde am Ende zum Spieler des Spiels gewählt.