Jimmy Hartwig reiste mit der Autorennationalmannschaft kurz vor der WM nach Brasilien

Hamburg. Jimmy Hartwig, 59, war einmal ein HSV-Star und auch schon ein Dschungelcamp-Bewohner. Seit einem Jahr hat der Wahl-Münchner nun das Amt des Trainers der deutschen Autorennationalmannschaft inne, als Nachfolger des einstigen Bundesligacoaches Hans Meyer. Mit dem Team – kurz: Autonama – war er für eine Woche in Brasilien unterwegs, unmittelbar vor der Weltmeisterschaft.

Wie kam es dazu, dass Sie Trainer der Autorennationalmannschaft wurden?

Jimmy Hartwig:

Da ich ja selber Theater spiele, Lesungen mit dem Schauspieler Thomas Thieme mache, zwei Bücher geschrieben habe und nun mal auch Fußballer war, hat sich das halt so ergeben. Ich habe die Jungs der Autonama bei einer Lesung kennengelernt und wurde gefragt, ob ich mal Lust hätte, bei ihnen Trainer zu werden.

Bereits im Herbst 2013 im Rahmen der Frankfurter Buchmesse haben Sie die Autonama betreut, zu diesem Zeitpunkt noch als Duo mit Rudi Gutendorf. Da- mals siegte ihr Team 9:1 gegen die Autoren vom Buchmesse-Gastland Brasilien, die Pindorama. Wie war die Revanche?

Hartwig:

Die Brasilianer wollten die Scharte ausmerzen, die haben einen Riesenstolz. Und da es ja 2014 ein deutsch-brasilianisches Jahr gibt, hat uns das Goethe-Institut eingeladen, und wir sind für eine Woche rübergeflogen. Wir haben uns ein 0:0 erkämpft – das hat keinem wehgetan. Die haben gute Fußballer in ihren Reihen. Und hatten sich geschickt verstärkt.

Ehe es zu diesem Rückspiel in São Paolo kam, haben Sie im Armenviertel von Rio de Janeiro in einem gemeinsamen Team mit den brasilianischen Autoren gegen Bewohner der Favela Maré und junge Baile-Funk-Musiker gespielt.

Hartwig:

Das Spiel haben wir 3:5 verloren. Aber das ging schon in Ordnung. Wir haben auf einem eingezäunten Kleinfeld gespielt, so einem Käfig. Die Atmosphäre war schön und krass zugleich. Da waren die ganzen Favela-Bewohner. Es sind Marihuana-Wolken aufgezogen. Boah! Du hast die Abfallkanäle gesehen. Jeeps mit bewaffneten Soldaten sind vorbeigefahren. Das war eine Riesenleistung von meinen Jungs, dass sie das Ding so durchgezogen haben. Danach gab es in einem sehr gepflegten Veranstaltungsraum noch eine Lesung. Das Motto hieß „Literarische Dribblings“.

Sie fuhren zwischen São Paolo und Rio hin und her, zwei Nächte schliefen Sie im Bus. War das nicht eine Tortur?

Hartwig:

Ach, das macht nichts! Ich habe Delfine morgens um sieben gesehen! Wir sind kurz zur Jesus-Figur hochgefahren, haben den Zuckerhut gesehen, waren am Strand von Ipanema und durften an der Copacabana kurz ins Meer hüpfen. Wir Deutschen sind ein- fach raus und haben uns entkleidet – nackig! Die Brasilianer sagen, das ist strengstens verboten. Der eine Hotel- portier hat auf Portugiesisch gerufen: „Das sind aber weiße Ärsche da unten.“

Haben Sie bei Ihrem Besuch eine WM-skeptische Stimmung im Land erlebt?

Hartwig:

Nicht in den Stadien, da war die Euphorie groß und dürfte sich mit jedem Sieg steigern. Aber solange U-Bahn-Arbeiter streiken und vom Militär zur Arbeit gezwungen werden, solange die Krankenhäuser schließen und alles teurer wird, kann die Stimmung schnell kippen. Wenn die Brasilianer nicht gewinnen sollten, sehe ich ein Riesenchaos auf die Leute zukommen. Dann entlädt sich der Frust natürlich auch auf die Fifa – Herr Blatter hat keinen Freund in Brasilien. Demokratie wird ganz klein geschrieben und Korruption ganz groß. Alles rund um die Stadien wird von der Fifa kontrolliert. Händler, die davon leben, kleine Regenkapuzen zu verkaufen, werden einfach vier Wochen lang verbannt. (ira)