São Paulo. Er habe keine amerikanische Mentalität, er treibe die Spieler aus den USA und er habe Landon Donovan die (einzige) amerikanische Fußball-Ikone zu Unrecht ausgebootet: Es ist ganz schön viel, was Fans und Medien in den USA Jürgen Klinsmann derzeit vorwerfen. Gipfelnd in der Schimpftirade eines TV-Journalisten, der dem gebürtigen Schwaben nahelegte, „zur Hölle nochmal aus Amerika zu verschwinden“.

Dabei haben sie Klinsmann vor drei Jahren geholt, weil er ein moderner Querdenker ist. Ein echter Fußballstar aus Europa mit amerikanischem Herzen und Wohnsitz. Er sollte den amerikanischen Fußball in die Weltspitze führen. Doch nun, wo die erste WM mit Klinsmann bevorsteht, machen sie dieselbe Erfahrung wie einst beim DFB und bei Bayern München: dass Klinsmann für den Erfolg nichts und niemand heilig ist. Und das haben sie dann irgendwie wohl doch nicht so richtig gewollt.

Nicht amerikanisch sei seine Herangehensweise an das Turnier, monierten viele. Klinsmann sagte, der WM-Titel sei „unrealistisch“, dabei ist die USA laut einer „Times“-Studie das einzige Land neben Topfavorit Brasilien, in dem die meisten Fans auf das eigene Team als Weltmeister tippen. Ein typischer Fall von verklärter Euphorie, die Klinsmann groteskerweise durch den Aufschwung selbst ausgelöst hat.

Die Kritik war derart polemisch und größtenteils auch unberechtigt, dass sich die Zeitung „USA Today“ genötigt sah, eine regelrechte Verteidigungsschrift für den Deutschen, der die Kritik zumeist lächelnd an sich abperlen lässt, aufzusetzen. „Jürgen Klinsmann wird dafür bezahlt, der Trainer des US-Teams zu sein, nicht ihr Cheerleader“, hieß es dort: „Wenn Klinsmann sagt, dass seine Mannschaft nicht Weltmeister werden kann, ist er nicht pessimistisch oder unamerikanisch. Er ist einfach nur realistisch.“