Uefa-Chef Platini will sich am 28. August entscheiden, ob er 2015 bei der Wahl des Fifa-Präsidenten gegen den machtbewussten Amtsinhaber Sepp Blatter aus der Schweiz kandidiert.

São Paulo. Die Demokratiereform ein Stückwerk, die Führungsspitze und der größte Kontinentalverband im Zwist, die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 weiter unter der Lupe des Ex-FBI-Mannes Michael Garcia: Zum WM-Start in Brasilien gibt die Fifa kein gutes Bild ab. Präsident Joseph Blatter sieht das anders.

Machtmensch, Tyrann oder Heilsbringer des Fußballs – die Lehre aus dem Kongress von São Paulo ist auf jeden Fall einfach. Das System Blatter funktioniert wie eh und je. Mit Kalkül und Durchsetzungsvermögen hat er wieder einmal gezeigt, wie der Weltverband nach seiner Pfeife tanzt und dabei auch nicht den endgültigen Bruch mit der Fußball-Konföderation gescheut.

Während Europas Vertreter grummelnd als erste WM-Verlierer von dannen zogen, stilisierte sich der Schweizer unter dem Applaus der anderen Konföderationsmitglieder zum wiederholten Mal in seiner langen Funktionärskarriere zum Mann der Zukunft. Mit unglaublichem Geschick platzierte Joseph Blatter in einer cleveren Schlussansprache seine erneute Kandidatur für den Wahlkongress 2015 und stellte seine Gegner aus Europa nur einen Tag nach deren Rücktrittsforderung ins Abseits.

„Ich werde ihn nicht unterstützen“, sagte Uefa-Chef Michel Platini der französischen Sportzeitung „L'Équipe“. Der Weltverband brauche „frischen Wind“. Am 28. August werde er bei der Champions-League-Auslosung in Monaco bekannt geben, ob er als Gegenkandidat zu Blatter antritt. Tags zuvor hatte dieser den Delegierten aus 209 Fifa-Ländern in der ihm vorbehaltenen Abschlussrede versprochen: „Meine Mission ist noch nicht beendet, das sage ich Ihnen. Wir werden die neue Fifa errichten.“ Die Kontrahenten hatten laut Protokoll keine Chance mehr zu antworten.

Der Wahlkampf begann für Blatter schon vor der Ankündigung seiner Kandidatur, der noch ein formaler Akt der neuen internen Präsidentenprüfung folgen muss. Den Mitgliedsverbänden versprach er nun auch vor Publikum Zahlungen aus dem mit 200 Millionen Dollar gefüllten WM-Geldtopf. Und er verkündete, dass er den Videobeweis im Fußball nicht mehr ausschließt. „Warum geben wir den Trainern nicht die Möglichkeit, zwei Entscheidungen anzuzweifeln, wenn sie anderer Meinung sind?“, fragte Blatter – und rief nicht nur beim DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach Unverständnis hervor.

„Die Fifa hat mehrfach unsere Anträge abgelehnt, die völlig unsinnige Dreifachbestrafung abzuschaffen. Einer solchen Maßnahme im Sinne des Fußballs und Fairplays verweigert sich das International Board, stattdessen kommt jetzt dieser merkwürdige und unabgestimmte Vorschlag, durch die Hintertür den Videobeweis einzuführen“, sagte Niersbach. Der Blatter-Vorstoß war auch eine neue Breitseite gegen den möglichen Herausforderer Platini. Der Uefa-Präsident konnte sich bislang noch nicht einmal mit der neuen Torlinientechnik anfreunden. Nun generiert sich sein Kontrahent als radikaler Erneuerer – mit 78 Jahren.

Und als sensibler Mensch. „Ich habe schon sehr viel einstecken müssen in meinem Leben. Aber so etwas Respektloses habe ich noch nie erlebt, weder auf dem Fußballfeld noch im eigenen Hause“, sagte Blatter zur Rücktrittsforderung durch die Uefa-Delegierten.

2011 hatte er noch angekündigt, dass die laufende definitiv seine letzte Amtszeit auf dem Fifa-Thron sein werde. Und wie reagierte Fußball-Europa auf den Kurswechsel? Die Funktionäre schwiegen den gesamten gut siebenstündigen Kongress im Transamerica Expo Center von São Paulo. Die Uefa-Delegierten hielten sich damit ans Protokoll. Klar wurde aber auch: Ohne den Mut zur großen Revolution wird Blatter kaum aus dem Amt zu drängen sein.

Theoretisch könnte der Schweizer noch lange Fifa-Chef bleiben, denn sowohl Alterslimit als auch Amtszeitbeschränkung wird es beim Fußballweltverband nicht geben. Beide Anträge als Schlusspunkt der ohnehin dürftigen Demokratiereform schafften nicht einmal die fürs Erste notwendige einfache Mehrheit. „Die Abstimmung hat klar gezeigt, dass die Europäer eben nicht die Reformblockierer sind. Wir haben als DFB wie die große Mehrheit der Uefa-Verbände offen dafür gestimmt, in anderen Konföderationen sah das leider ganz anders aus“, sagte Wolfgang Niersbach.