Mit nun 36 Jahren geht Miroslav Klose in sein letztes Turnier und will bei der WM einen Rekord brechen. Doch gesetzt ist er nicht mehr

Santo André. Im Training kann man das Jugendliche sehen. Auf dem piekfeinen Fußballplatz in Santo André, auf dem die deutsche Nationalmannschaft am Montagmorgen um 9.30 Uhr bei 27 Grad und drückender Schwüle schwitzte, trug Miroslav Klose die Stutzen auf Halbmast. Ein Blick auf seine Waden wurde frei und ein großflächiges Tattoo auf der rechten stach hervor.

Modisch zumindest, könnte man sagen, schließt das Tattoo die Lücke zwischen Klose und den vielen Jugendlichen um ihn herum im DFB-Team, die ja zuletzt immer nur größer geworden ist. Am Montag feierte der Stürmer seinen 36. Geburtstag. Es gab eine Torte und ein Ständchen von der Mannschaft.

Als Klose bei seiner ersten WM 2002 in Japan und Südkorea seine Tore noch mit einem Salto bejubelte, ging der Dortmunder Erik Durm, 22, – einer der Jüngsten im aktuellen deutschen Kader und Träger eines tätowierten Kreuzes auf dem Unterarm – noch in die vierte Klasse. Klose ist der Opa im Team von Bundestrainer Joachim Löw. Weil er sich aber nicht nur beim Körperschmuck, sondern auch sportlich in den letzten Jahren äußerst anpassungsfähig gezeigt hat, bietet sich für ihn nun in Brasilien eine historische Gelegenheit: Bei seiner vierten WM könnte der Angreifer von Lazio Rom den WM-Rekordtorjäger Ronaldo einholen.

14 WM-Tore hat Klose bereits erzielt. Nur ein weiterer Treffer genügt, um mit dem längst schon pensionierten Brasilianer (15 Tore) gleichzuziehen. Ronaldo, der nur ein Jahr älter ist als Klose, schmeckt das natürlich nicht. Beim offiziellen Auftakt der Fifa-Fanfeste in Fortaleza forderte der Weltmeister von 1994 und 2002 die knapp 20.000 Zuschauer wenig charmant auf: „Haltet doch bitte gegen Deutschland, damit Klose hier keine Tore schließt.“

Mit seinem 69. Länderspieltor hat Klose Gerd Müller als Rekordtorjäger abgelöst

Beim letzten Testspiel vor der WM gegen Armenien (6:1) hatte Klose mit seinem 69. Länderspieltreffer schon Gerd Müller als deutschen Rekordtorjäger abgelöst. „Das ist eine tolle Sache für ihn. Er hat das verdient“, sagte Löw. Klose sei trotz seines fortgeschrittenen Fußballeralters weiterhin ein „großartiger Stürmer“. Nun also soll die Bestmarke bei der WM fallen: „Das würde mir sehr viel bedeuten und treibt mich an. Wer mich kennt, weiß, dass der Rekord schon auch ein Ziel für mich ist“, sagte Klose. Allerdings habe der Erfolg der Mannschaft Priorität – ein typischer Klose-Satz.

Nur ist es ziemlich wahrscheinlich, dass eben jene Fokussierung auf den Teamerfolg ihm bei seiner Rekordjagd im Weg stehen wird. Denn Löw scheint für das Unterfangen Titelgewinn eine Angriffsvariante zu präferieren, in der Klose zunächst außen vor bliebe. Statt mit einer echten Sturmspitze will der Bundestrainer wohl mit einer „falschen Neun“ spielen lassen – gegeben durch Thomas Müller, Mario Götze oder vielleicht auch Mesut Özil. Klose wäre dann nur noch Joker.

Bedingt sind diese Überlegungen Löws auch durch viele Verletzungen, die Klose in der abgelaufenen Saison in Italien keinen richtigen Spielrhythmus haben finden lassen. Siebenmal war er angeschlagen und fiel insgesamt vier Monate aus – erst eine Fußoperation, dann war es die Schulter, ein Hexenschuss folgte und zuletzt kamen auch noch Muskelprobleme im Oberschenkel dazu. Der Körper rebellierte gegen den an ihm begangenen Raubbau in 14 Jahren Profifußball. Die Dynamik war verloren gegangen, und Klose arbeitet seit dem Trainingslager im Passeiertal fieberhaft an ihrer Rückkehr. Zum ersten deutschen Gruppenspiel am Montag gegen Portugal werde er aber vollkommen fit sein, versprach Klose.

Für Löw bleibt der alternde Angreifer trotz der Bedenken über seine Fitness so etwas wie das gute Gewissen. Sollte die Sturmvariante mit der „falschen Neun“ holpern wie zuletzt beim Test gegen Kamerun, hätte er Klose in der Hinterhand – ein Stürmer, der bei allen drei Turnieren zuvor unter Löws Leitung eine wichtige Rolle spielte. „Miro ist noch nicht ganz bei 100 Prozent, aber er wird für uns ganz wichtig sein“, sagte Löw. Und auch Teammanager Oliver Bierhoff sagte am Montag: „Er wird einen wichtigen Part spielen, unabhängig davon, ob er jedes Spiel bestreiten wird.“ Die WM wird der letzte Auftritt auf großer Bühne für Miroslav Klose sein. Schafft er den Torrekord, wird er zum Jubeln vielleicht auch noch einmal den Salto zeigen.