Bei seiner ersten Pressekonferenz im Trainingslager beruhigt der Bundestrainer die Fußballnation hinsichtlich des Gesundheitszustands seiner Leistungsträger.

St. Martin. Joachim Löw steuert wieder entgegen. Zweieinhalb Monate nach seinem viel beachteten Weckruf an die Spieler stellte sich der Bundestrainer nun vehement gegen die steigende Skepsis unter Medien und Fans. In den vergangenen Tagen habe man den Eindruck bekommen können, „dass wir hier in einem Lazarett sind“, sagte der 54-Jährige bei seiner ersten Pressekonferenz im Trainingslager in Südtirol und stellte klar: „Dem ist nicht so!“

Demonstrativ verwahrte sich Löw gegen alle Schreckensszenarien, die sich nach den ständigen Verletzungsbotschaften aus Südtirol aufgebaut hatten. Auch die drei derzeit noch verletzten Führungsspieler Philipp Lahm, Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger würden „alle bei der WM fit und gesund sein“, betonte Löw: „Ich bin sehr, sehr zuversichtlich und sehe bei allen dreien dauerhaft keine Probleme.“

Das Trio selbst hatte sich am Vortag zumindest zurückhaltender gegeben. Lahm hatte davon berichtet, „dass ich im Moment noch nicht einmal laufen kann“, Schweinsteiger, dass er „immer wieder auf die Bremse treten“ müsse, und Neuer, dass er wegen der Schmerzen in der rechten Schulter gelernt habe, sich mit links zu rasieren und die Zähne zu putzen.

Ihr Chef gab am Montag die Devise „Ruhe und Gelassenheit“ als „die weiterhin richtige“ aus. Die drei Sorgenkinder befänden sich im individuellen Training, auch wenn sich dies bei Lahm drei Wochen vor dem WM-Auftakt beispielsweise noch aufs Fahrradfahren beschränkt: „Wichtig ist, dass sie bei den Taktikbesprechungen dabei sind oder bei Analysen des Gegners. Wenn sie ein paar Tage nicht trainieren, ist das nicht schlimm. Sie sind lange dabei und kennen unsere Philosophie.“

Überhaupt beschwor Löw eine Wagenburgmentalität, lobte ausdrücklich die „sehr, sehr gute Stimmung“. „Ich spüre mit jedem Tag, dass aus Konkurrenten in der Liga Kollegen werden und aus Individualisten Teamplayer“, versicherte er: „Wir werden immer mehr zu einem Team mit einem Wir-Gefühl.“ Trotz der angeschlagenen Spieler „werden wir auf jeden Fall mit einer wettbewerbsfähigen und guten Mannschaft nach Brasilien gehen“.

Löw räumte dem Mönchengladbacher Nachrücker Christoph Kramer „gute Chancen“ für die WM-Teilnahme ein. Auch mit den anderen jungen Spielern sei er „absolut zufrieden“, betonte Löw, für den sich auch die taktischen Bausteine immer mehr zusammensetzen. Mit den drei Innenverteidigern Mats Hummels, Per Mertesacker und Jerome Boateng statt einer Viererkette zu spielen sei „allenfalls während eines Spiels eine Variante“.

Hummels als „Sechser“ oder Lukas Podolski als vorderste Spitze schloss der Bundestrainer derweil komplett aus. Dass sich die Skepsis von außen in den Köpfen der Spieler festsetzt, will Löw mit aller Macht verhindern. „Wir brauchen widerstandsfähige Spieler, die einen starken Willen haben und nicht lamentieren“, betonte er und fand bei Schweinsteiger volle Zustimmung: „Fitness braucht man auch. Aber Kopf und Wille sind die entscheidenden Faktoren. Und da sind die jetzt angeschlagenen Spieler ganz stark.“

Thomas Müller, Torschützenkönig der vergangenen WM 2010 in Südafrika, sieht in den Zweifeln der Kritiker auch einen Vorteil, denn dadurch sinke auch die Erwartungshaltung. „Ich habe den Eindruck, dass der Druck für uns letztes Jahr viel größer gewesen wäre“, äußerte der 24-Jährige mit Blick auf das deutsche Champions-League-Finale 2013 zwischen seinem Verein Bayern München und Borussia Dortmund (2:1). „Vergangenen Sommer galten wir als die große Fußballmacht, dieses Jahr sind wir wieder nix mehr. Und jetzt haben wir auch noch Verletzungssorgen, da geht ja sowieso schon gar nix.“