Fällt Stammtorhüter Neuer für die Fußball-WM aus, rückt ter Stegen nach. Auch Schweinsteiger bereitet Sorgen

St. Leonhard. In Begleitung von Fitnesstrainer Mark Verstegen drehte er seine Runden. Eine. Und noch eine. Und noch eine. Während seine Mitspieler auf dem Platz in zwei Gruppen auf engem Raum das Kurzpassspiel mit maximal zwei Ballkontakten trainierten, absolvierte Bastian Schweinsteiger am Donnerstagvormittag nur eine stupide Laufeinheit. Am Ende übte er zwar auch ein wenig mit dem Ball. Aber es war unverkennbar, dass die Patellasehnenreizung im linken Knie dem defensiven Mittelfeldspieler noch immer zu schaffen macht. Leider, zählt Schweinsteiger, so er denn fit ist, doch zu den festen Größen in der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw.

Aber auf jene Stützen, sprich die guten Spieler mit ganz viel Erfahrung, kann Löw ausgerechnet jetzt, da die Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien (12. Juni bis 13. Juli) begonnen hat, nicht bauen. So intensiv die übrigen Spieler am Donnerstag auf dem Platz auch arbeiteten, Schweinsteigers Rundenlauf überlagerte die erste Trainingseinheit in Südtirol. Er stand symbolisch für ein Team, das nicht frei von Sorgen ist. Und das wird womöglich noch ein wenig so bleiben. Denn mit Philipp Lahm und Manuel Neuer fehlten am Donnerstag ebenfalls zwei Spieler, die zu Löws Stammpersonal gehören.

Hansi Flick, Löws Assistent, gab sich am Donnerstag zwar optimistisch, als er sagte, es sei möglich, „dass Philipp und Manuel am Freitag kommen“, weil sie auf einem guten Weg seien. Nur hatte es vor der Abreise nach Südtirol am Dienstag auch schon geheißen, dass beide Profis auf jeden Fall am ersten Tag mit ins Trainingslager kommen würden. Wer nicht kam, waren Lahm und Neuer. Und in Bezug auf den Nationaltorhüter gibt es sogar schon einen Plan B. Flick ließ wissen, dass die Führung der Nationalmannschaft bereits Vorkehrungen getroffen hat für den Fall, dass es beispielsweise bei Neuer nicht rechtzeitig mit der Genesung klappt. Flick sagte, dass Bundestorwarttrainer Andreas Köpke bereits telefonisch Kontakt mit Marc-André ter Stegen aufgenommen habe. Der Torhüter, der am Donnerstag beim FC Barcelona vorgestellt wurde, hatte bei der Nominierung für den WM-Kader noch das Nachsehen gegenüber Neuer, Roman Weidenfeller und Ron Robert Zieler. Nun aber muss er sich für den Fall der Fälle bereithalten. „Marc-André ist informiert. Er hat seinen Urlaub abgesagt und hält sich zur Verfügung“, sagte Flick.

Neben Schweinsteiger, Lahm und Neuer gibt es noch zwei, drei andere Kandidaten, bei denen unklar ist, ob sie rechtzeitig fit werden und die Form erreichen, in Brasilien auf Topniveau um den WM-Titel spielen zu können. So weiß niemand, ob es Miroslav Klose schafft. Hinter dem 35-Jährigen liegt eine durchwachsene und von Verletzungen geprägte Saison. Niemand kann vorhersagen, ob Sami Khedira eine Alternative für den Bundestrainer wird. Der Mittelfeldspieler hatte sich im November 2013 das Kreuzband gerissen und soll nach zwei Kurzeinsätzen für Real Madrid am Sonnabend im Champions-League-Finale gegen Atlético Madrid mitwirken. „Wir glauben an Sami, und die sportliche Leitung fühlt sich bislang in der Entscheidung bestätigt, ihn in den Kader berufen zu haben“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff.

Kopfzerbrechen würde ihm die momentane Verletztensituation im deutschen Lager nicht bereiten. „Wir sind überzeugt davon, dass wir am Ende mit einer Mannschaft nach Brasilien fahren, die das Zeug dazu hat, Weltmeister zu werden“, sagte Bierhoff.

Zweimal täglich soll in den kommenden Tagen trainiert werden, ehe es am Sonntag zu einem ersten Spiel von insgesamt drei geplanten gegen die von Frank Wormuth trainierte deutsche U20-Auswahl kommt. Sie ist quasi als Sparringspartner von Freitag an in Südtirol dabei. Mithilfe der deutschen Nachwuchskicker sollen mögliche Spielsituationen simuliert werden.

Zu Wochenbeginn könnte es dann aber auch sein, dass der eine oder andere Nationalspieler vom gemeinsamen Training hier und da befreit wird. Einige Spieler hätten viele Partien in der abgelaufenen Saison absolviert, erläuterte Flick, einige nur ganz wenige. Deshalb soll dann auch individuell und gezielt gearbeitet werden. Oder auch gar nicht.

Teammanager Bierhoff hat übrigens entgegen den Planungen doch wieder zwei externe Sportler ins Quartier des DFB-Teams eingeladen. Am Dienstag werden Golfer Martin Kaymer sowie Formel-1-Pilot Nico Rosberg die Nationalspieler besuchen und ihnen erzählen, wie sie mit großen Herausforderungen umgehen. Vor der WM 2010 hatten Bergsteiger Reinhold Messner zu den Spielern gesprochen und Neuseelands Rugbylegende Jonah Lomu mit ihnen trainiert. Bierhoff ist die Abwechslung wichtig – auch für die Stimmung. „Wir müssen in den kommenden Wochen miteinander auskommen. Da dürfen keine Brände entstehen.“

Inwiefern Manuel Neuer und Philipp Lahm ihren Beitrag dazu leisten können, den Teamgeist zu stärken, bleibt abzuwarten. Noch sind sie ja nicht dabei.