Wie die Konkurrenten Nürnberg und Braunschweig hoffen, den HSV doch vom Relegationsplatz zu verdrängen

Hamburg. Es ist seit Wochen das gleiche Bild, da machte auch der jüngste Bundesliga-Sonnabend keine Ausnahme. Der HSV? Verliert. Nürnberg? Verliert. Braunschweig? Verliert. Der Kampf um den Klassenverbleib nimmt fast schon groteske Züge an, keiner der letzten drei hat in den vergangenen vier Spieltagen auch nur einen Zähler geholt. Den Tabellen-16. HSV und Schlusslicht Braunschweig trennen weiter nur zwei Punkte.

Alles möglich also am finalen Spieltag, auch dass es eine Saison der Minimalistenrekorde wird. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regelung hat noch keine Mannschaft mit weniger als 30 Zählern und auch weniger als 30 Toren die Klasse gehalten. Selbst dass ein Tabellenletzter am abschließenden Spieltag noch die Rettung oder eben den Sprung auf den Relegationsrang schafft, wäre ein diesmal mögliches Novum.

Der HSV (27 Punkte, 49:72 Tore) hat vor dem Duell in Mainz die beste Ausgangsposition, den Relegationsplatz 16 zu verteidigen. Beim 1. FC Nürnberg (17. Platz, 26 Punkte, 36:66 Tore) ist die Hoffnung nach der desaströsen Vorstellung beim 0:2 gegen Hannover auf den Nullpunkt gesunken. Die Fans schwenkten weiße Taschentücher, ließen die Spieler wissen, dass sie „die Schnauze voll haben“ und riefen „Bader raus“ – sie meinten Sportvorstand Martin Bader, den starken Mann des Clubs, verantwortlich für allerlei umstrittene Entscheidungen und die momentane Gemengelage des „Clubs“. Es herrschte keine explosive Stimmung auf den Rängen, es herrschte Resignation.

Allein schon die Vorstellung: auf Schalke gewinnen. Seit 1993 haben das die Nürnberger nicht mehr geschafft. Und diesmal spricht so ziemlich alles gegen sie: zehn Niederlagen in den vergangenen elf Spielen, gegen Hannover kassierten auch noch Timothy Chandler, Javier Pinola und Marvin Plattenhardt jeweils die fünfte Gelbe Karte. In Gelsenkirchen werden die drei Verteidiger von der Tribüne aus zuschauen müssen.

Braunschweig hat das große psychologische Plus im Abstiegskampf

Dass die beiden Clubs eine Fanfreundschaft verbindet, das mag auf den Rängen interessieren, Profis aber sind selten empfänglich für Sentimentalitäten. Und selbst der Schlenker in die Historie dürfte Tristesse hervorrufen. 2008 war die Konstellation eine ähnliche. Nürnberg musste am letzten Spieltag gegen Schalke ran. Für den FCN ging es gegen den Abstieg, für die Schalker – wie auch in diesem Jahr – um die direkte Champions-League-Qualifikation. Schalke siegte 2:0. Fanfreundschaft hin oder her.

„Irgendwie müssen wir auf Schalke gewinnen“, sagt Kapitän Raphael Schäfer. Wenn er nicht an einen Sieg glaube, könne er sich ja gleich die A-Jugend schicken, sagte er noch.

Im Braunschweiger Stadion gab es wohl selten einen stilleren Moment als jenen am Sonnabend in der vierten Minute der Nachspielzeit. Die Augsburger hatten die Eintracht (18. Rang, 25 Punkte, 28:57 Tore) nach allen Regeln der Kunst ausgekontert, Raul Bobadilla zum 1:0 getroffen. Der Argentinier mit den eigenwilligen Tattoos riss sich das Trikot vom Leib und baute sich vor der Haupttribüne auf. Er erntete weder Pfiffe, noch Jubel. Nur Stille. Wieder kein Punkt, nicht einmal ein Tor, zum vierten Mal nacheinander. Die Eintracht-Profis sanken gar zu Boden, sie wussten nichts von den Ergebnissen auf den anderen Plätzen, dachten, sie wären abgestiegen, bis Trainer Torsten Lieberknecht alle zusammentrommelte und auf das kommende Endspiel einschwor. „Noch ist alles drin“, das ist das Braunschweiger Motto.

Im Grunde ist die Konstellation simpel: Am nächsten Sonnabend sind sie auf Patzer der Nürnberger und Hamburger angewiesen und müssen selbst in Hoffenheim, für das es um nichts mehr geht, gewinnen. „Eine Patrone haben wir noch“, sagte dann auch Verteidiger Benjamin Kessel. Genau jener Fakt ist das große psychologische Plus der Braunschweiger in all den Abstiegskampfwirren. Wer hätte ihnen vor Wochen zugetraut, überhaupt noch im Rennen um den Klassenerhalt zu sein? Mit einem Gefühl zwischen Genugtuung und der Chance auf Historisches lässt sich wohl am besten die Braunschweiger Gemengelage beschreiben.

Selbst der Niederlage gegen Augsburg dürfte die Eintracht am Ende noch etwas Positives abgewinnen. Die tabellarische Großwetterlage besagt nun folgendes: Durch den Augsburger Sieg muss Mainz am Sonnabend gewinnen, um sich sicher für die Europa League zu qualifizieren. Und der nächste Gegner der Mainzer ist bekanntlich der HSV.

So weit um die Ecke denken wollten die Braunschweiger am Sonnabend nicht. Sie bemühten lieber die eigene Vergangenheit als irgendwelche Statistiken. Dass es noch nie ein Letzter am 34. Spieltag in die Relegation schaffte? Dass sie auch auswärts in dieser Saison erst einmal siegten? Alles egal. Es gibt da noch die Erinnerungen an 2008, als Braunschweig in Lieberknechts erster Profitrainersaison am letzten Spieltag den Absturz in die Viertklassigkeit verhinderte. Der Rest ist Geschichte.