Nach dem 0:2 in der Ukraine ist Ribéry erneut der Sündenbock. Für die Wahl zum Weltfußballer hat das keine Folgen

Paris/Hamburg. Nein, wirklich gemocht haben die Franzosen ihren zum besten Fußballer des Kontinents erkorenen Landsmann nie. Erst im September hatte eine vom Fachmagazin „France Football“ in Auftrag gegebene Umfrage Europas Fußballer des Jahres desaströse Sympathiewerte in der Heimat bescheinigt. Während sich Franck Ribéry in Deutschland nicht nur unter Fans seines Clubs FC Bayern München gestiegener Bewunderung und Verehrung sicher sein kann (64 Prozent), hat nicht mal ein Drittel seiner Landsleute ein positives Bild von dem 30-Jährigen. Immer wieder wurde er in Frankreich ausgepfiffen. Unerheblich, ob im Trikot des deutschen Triple-Siegers oder im blauen Dress der Equipe Tricolore.

Es wird den Offensivspieler daher auch kaum gewundert haben, dass sich Frust und Enttäuschung über das 0:2 der Franzosen im WM-Play-off-Hinspiel in der Ukraine auf seine Person fokussieren. 48 Prozent der Teilnehmer einer Online-Umfrage geben Ribéry, der in 90 Minuten einen Torschuss abgab, die Schuld an der Hinspielniederlage, die die Teilnahme an der Endrunde vor dem Rückspiel am Dienstag unwahrscheinlich werden lässt.

Dass der Linksaußen der enttäuschenden französischen Mannschaft, die während der Gruppenphase nur knapp an Welt- und Europameister Spanien gescheitert war, inmitten einer Ansammlung von leidenschaftslosen, uninspirierten Einzelspielern tatsächlich noch einer der wenigen Aktivposten war und wie so oft bis zu drei Gegenspieler beschäftigte, wurde von seinen Kritikern lapidar als Ausrede abgetan. „Die Schiedsrichter hätten Franck besser schützen müssen. Es wurde sehr aggressiv gegen ihn gespielt, viele Fouls wurden nicht gepfiffen. Er hatte kaum Gelegenheiten, ins Eins-gegen-Eins zu gehen, weil immer ein Mittelfeldspieler als Absicherung da war. Es war sehr schwierig“, jammerte Nationaltrainer Didier Deschamps. Worte, die in Frankreich niemand hören will.

Ribéry blieb am Wochenende auf Tauchstation. Ein Scheitern im Stade de France könnte nicht nur seinen Traum von der Zuckerhut-WM zerstören, sondern sogar das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere bedeuten, wird in Frankreich spekuliert. Statistik und Zahlen sprechen gegen die Franzosen. Einen 0:2-Rückstand hat in den WM-Ausscheidungsspielen noch kein Team wettmachen können. Die Ukrainer, die im Play-off 2001 am DFB-Team und 2009 an Griechenland gescheitert waren, haben allen Grund, optimistisch zu sein. Seit einem Jahr ist die Mannschaft ungeschlagen. Und seit acht Spielen ohne Gegentor.

Wenn den Deschamps-Schützlingen im Stade de France kein Triumph mit mindestens drei Toren Unterschied gelingt, werden die „Bleus“ erstmals seit 20 Jahren eine WM-Endrunde verpassen. „Alarmstufe Rot“, titelte „L’Équipe“. Deschamps setzt auf die Unterstützung der Fans. Die ist aber nach Medieneinschätzung mehr als fraglich. In einer Onlineumfrage der Zeitung „Le Parisien“ erklärten mehr als 85 Prozent der Leser, sie verweigerten Ribéry und Co. nun jede Hilfe. Nach den vielen Affären und Pleiten der jüngsten Zeit haben die „Bleus“ jeden Kredit verspielt.

Ribéry war einer der sechs Anführer beim „Streik von Knysna“, als die französischen Nationalspieler während der Weltmeisterschaft 2010 gegen Trainer Raymond Domenech den Aufstand probten und gegen den Rauswurf von Mitspieler Nicolas Anelka protestierten. Im selben Jahr hatte zudem die Zahia-Affäre begonnen, in der der dreifache Familienvater zwar zugab, mit der Prostituierten sexuellen Kontakt gehabt zu haben, von deren Minderjährigkeit aber nichts gewusst haben wollte. Das Urteil soll 2014 folgen.

Ribéry nun zum Sündenbock abzustempeln ist nur die logische Konsequenz. Von den 24 Prozent der Franzosen, die ihm in der vergangenen Woche noch den Titel des Weltfußballers geben wollten, dürften nach dem nun erwarteten WM-Aus nicht mehr als die Hälfte übrig bleiben. Auf die bereits erfolgte Wahl selbst haben die Play-offs aber keine Auswirkung. In drei Wochen wird der Fußballweltverband Fifa die drei bestplatzierten Spieler veröffentlichen, um dann am 13. Januar in Zürich bekannt zu geben, wer konkret auf Platz eins, zwei und drei gelandet ist.

So könnte von Ribéry möglicherweise ein Bild entstehen, das viele Franzosen bestätigen würde. Das Bild eines herausragenden Individualisten ohne den nötigen Mannschafts- und Korpsgeist, der einen traurigen Rekord aufstellt: der erste aktuelle Weltfußballer, der nicht bei einer WM spielt.