Deutschlands Fußballerinnen reden sich vorm EM-Halbfinale gegen Schweden in die Außenseiterrolle

Göteborg. Auf dem Weg ins EM-Finale hatten die deutschen Fußballerinnen kurz die Orientierung verloren, nach einem Stadtspaziergang waren die Titelverteidigerinnen aber wieder auf Kurs. „Schweden ist der klare Favorit. Sie haben Weltklasse-Spielerinnen, wir sind fast mit einer U23 hier. Dennoch wollen wir ins Endspiel“, sagte Bundestrainerin Silvia Neid, deren Schützlinge versehentlich Fotos vom falschen Göteborger Stadion in sozialen Netzwerken gepostet hatten, vor dem Halbfinale am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF und Eurosport) gegen den Gastgeber: „Unsere Mannschaft hat jetzt schon Großes geleistet, wir können befreit aufspielen.“

Obwohl das runderneuerte deutsche Team weiter den sechsten EM-Triumph in Folge anpeilt, gefallen sich auch die Spielerinnen, denen der Foto-Fauxpas ziemlich peinlich war, in der Außenseiterrolle. Nicht zuletzt die Erfahrung der missratenen Heim-WM 2011 sorgt dafür, dass die Deutschen den Druck gern weitergeben. „Wir wissen doch selbst, wie es ist, wenn man im eigenen Land spielt und der Druck sehr hoch ist“, sagte Mittelfeldspielerin Lena Goeßling. Simone Laudehr, Matchwinnerin des Viertelfinals gegen Italien (1:0), findet sogar, „dass uns nichts Besseres passieren konnte, als gegen den Gastgeber zu spielen“.

Was besser nicht passiert wäre, ist die Oberschenkelzerrung von Celia Okoyino da Mbabi. Neid, die ohnehin auf sechs verletzte oder kranke Stammkräfte bei der EM verzichten muss, kann wohl nicht auf die Toptorschützin der Qualifikation zurückgreifen. Für Okoyino da Mbabi wird voraussichtlich Schweden-Legionärin Anja Mittag in vorderster Reihe auflaufen. „Für mich ist das natürlich toll, cooler kann es nicht sein“, sagte die Angreiferin des FC Malmö, die 2012 zur besten Spielerin der Liga gewählt worden war.

Die konterstarke Mittag könnte zur optimalen taktischen Waffe gegen die Auswahl ihrer Wahlheimat werden. Darauf bauen jedenfalls ihre Teamkolleginnen, denen im Fall des Titelgewinns die EM-Rekordprämie von 22.500 Euro pro Kopf winkt. „Die bisherigen Gegner haben sehr defensiv gegen uns gespielt. Gegen Schweden werden wir mehr Räume haben, das kommt uns entgegen“, sagte Goeßling.

Beflügeln könnte die Deutschen auch das vorläufige Ende der Debatte um ihre Trainerin. Der Halbfinaleinzug hat dazu geführt, dass die Kritik an Neid nach der schwachen Vorrunde mit der ersten EM-Pleite seit über 20 Jahren (0:1 gegen Norwegen) zumindest vorerst verstummt ist. Entsprechend gelassen geht die 49-Jährige, die ihr Team wegen der personellen Probleme stark verjüngen musste (23,5 Jahre im Durchschnitt), in die Partie. „Wir brauchen keine Angst zu haben“, sagte Neid, in deren Kader nur noch neun Europameisterinnen von 2009 und zehn Teilnehmerinnen der WM 2011 stehen.

Angst müssten dagegen die Schwedinnen beim Blick auf ihre Bilanz gegen Deutschland bekommen. Der Europameister von 1984, der sich auf die Unterstützung von 16.400 begeisterungsfähigen Fans verlassen kann, hat nur sechs von 20 Duellen mit dem DFB-Team gewonnen. Die Niederlagen im EM-Finale 2001 und WM-Finale 2003 (jeweils durch ein Golden Goal in der Verlängerung) schmerzen die Skandinavierinnen bis heute.