Die deutschen Fußballfrauen schlagen bei der EM Italien 1:0 und ziehen ins Halbfinale gegen Schweden ein

Växjö. Silvia Neid umarmte strahlend all ihre Spielerinnen, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach klatschte nach der bravourösen Hitzeschlacht anerkennend Applaus: Nach dem Halbfinal-Einzug bei der EM in Schweden durch den 1:0 (1:0)-Erfolg gegen Italien schwankten die deutschen Fußballerinnen zwischen Euphorie und Erleichterung. „Wahnsinn. Das war total klasse, ich bin sehr stolz auf die Mannschaft“, sagte Neid. Die Diskussion über ihren Job ist beendet, ein historisches Aus vermieden. Alles ist wieder gut nach der verkorksten Vorrunde. Ihr Team hat bewiesen, dass sie es eben doch noch kann. Auch unter den Anspannung des Gewinnen-Müssens.

Vor der Partie hatte lautstark „We Will Rock You“ in der Kabine aus den Boxen gedröhnt, auf dem Platz rockten die deutschen Spielerinnen dann mit voller Hingabe die Italienerinnen. Die lange am Knie verletzte Simone Laudehr sorgte mit ihrem Tor in der 26. Minute für die Entscheidung. Vor 9265 Zuschauern in der Växjö Arena präsentierte sich die DFB-Elf wesentlich engagierter und konzentrierter als beim 0:1 gegen Norwegen zum Vorrundenabschluss. „Wir haben gegen kampfstarke, ausgebuffte Italienerinnen gut dagegengehalten und gekämpft bis zum Umfallen“, meinte Neid.

Am kommenden Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) kommt es in Göteborg zum Frauenfußball-Klassiker zwischen dem Rekord-Europameister und Gastgeber Schweden die auf ihren Heimvorteil setzen. „Die Schwedinnen sind eine ganz starke Mannschaft, der absolute Topfavorit hier bei dieser Europameisterschaft“, sagte die Bundestrainerin.

Im ersten Spiel der Runde der letzten Acht am Nachmittag in Halmstad waren die Gastgeberinnen mühelos mit einem 4:0 (3:0)-Sieg gegen Island zum ersten Mal seit 2005 ins EM-Halbfinale spaziert. Die Tore für die Mannschaft von Pia Sundhage im ausverkauften Stadion Örjans vall erzielten Marie Hammarström (3.), Josefine Öqvist (14.) und Starstürmerin Lotta Schelin (19./59.), die nach ihrem Doppelpack allein die Torschützinnenliste mit fünf Treffern anführt.

Vor dem ersten K.-o.-Spiel hatte der eigens angereiste DFB-Präsident Niersbach dem Team und Neid trotz der schwachen EM-Vorrunde das Vertrauen ausgesprochen – diese Maßnahme zahlte sich aus. Der Verbandschef hatte mit seinem Vorstoß auf die Kritik nach der historischen EM-Pleite am Mittwoch gegen Norwegen (0:1) reagiert. Die erste EM-Niederlage seit über 20 Jahren hatte dafür gesorgt, dass die Deutschen zum ersten Mal seit 1997 eine EM-Vorrunde nicht als Gruppensieger beendeten. Zudem hat sich jede Spielerin 10.000 Euro Prämie gesichert. Sollte es für den Titelgewinn reichen, gibt es die EM-Rekordsumme in Höhe von 22.500 Euro pro Kopf.

Erstmals seit langem bot Neid Spielmacherin Dzsenifer Marozsan nicht in der Startelf auf. Ihre zentrale Position übernahm die erfahrenere Anja Mittag, vor der sich die Bundestrainerin mehr Toraktionen versprach. Für die junge Melanie Leupolz stürmte Laudehr über die linke Seite, was sich im Nachhinein als goldrichtig erwies. Und Jennifer Cramer verteidigte nach ihrer gegen Norwegen abgesessenen Gelbsperre wie gewohnt links. Auch die zuletzt erkältet pausierende Lena Goeßling war wieder dabei. Personalrochaden, die am Ende goldrichtig waren.

Vor den Augen der DFB-Oberen, zu denen neben Niersbach auch Generalsekretär Helmut Sandrock sowie der ehemalige DFB-Chef Theo Zwanziger gehörten, entwickelte sich ein munteres Spiel. Die DFB-Elf begann wesentlich konzentrierter als zuletzt bei der Niederlage gegen Norwegen und erspielte sich ein Übergewicht. Mittag (5.) traf nach einem Freistoß von Goeßlich den Ball mit dem Kopf nicht richtig, so dass er am langen Eck vorbeistreifte. Zwei Minuten später kam auch Laudehr, die auf der linken Seite für einige Belebung sorgte, nach einer Ecke von Celia Okoyino da Mbabi mit dem Kopf nicht richtig hinter den Ball.

Nach der nächsten Standardsituation machte es Laudehr besser: Diesmal trat Goßling die Ecke, und die italienische Abwehr brachte den Ball nicht aus der Gefahrenzone. So versuchte es die 27-Jährige, die lange wegen eines Knorpelschadens im Knie ausgefallen war, aus dem Gewühl heraus und traf durch Freud und Feind hindurch zum verdienten und letztlich entscheidenden 1:0. Zu Beginn der zweiten Hälfte drängte Italien auf den Ausgleich, den defensiv agierenden Deutschen unterliefen zu viele Fehler, nach vorne ging nicht mehr viel. Erst nach einer Stunde entwickelte die DFB-Elf wieder so etwas wie Torgefahr und brachte den Erfolg schließlich über die Zeit,. „Wir müssen sehen, dass wir jetzt schnell regenerieren, und dann schauen wir mal“, sagte Neid: „Auf jeden Fall sind wir sehr froh, dass wir wieder zu den besten Vier in Europa gehören.“