Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Wenn es stimmt, dass die Jahresringe des Lebens weise machen, dann ist Jupp Heynckes, 68, ein leuchtendes Vorbild für diese These. Das altgediente Trainerschlachtross hat nämlich auf dem Höhepunkt seines beruflichen Schaffens eine wohl durchdachte Entscheidung über seine Zukunft getroffen - nämlich keine.

Das Wort Rücktritt nahm der erste deutsche Trainer, der mit dem FC Bayern das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League gewonnen hat, beim Abschiedsauftritt in München nicht in den Mund. Es ist eher eine Auszeit, der angegriffenen körperlichen Substanz geschuldet und schon vor dem triumphalen Finale seiner Ära bei den Bayern mit seiner Frau verabredet. Ein Abschied mit Würde, trotz aller Nackenschläge, die er in München erdulden musste. Seine "Freunde" Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge feierten am Dienstag den Mann, hinter dessen Rücken sie seinen Nachfolger Pep Guardiola verpflichteten.

Heynckes' neues Leben heißt: Bauernhof im Schwalmtal statt Allianz-Arena in München, Obstbäume statt Medizinbälle, Waldspaziergänge statt Dauerläufe. Doch weil niemand weiß, wie die Fußballwelt in ein paar Monaten aussieht, lässt der kluge Mann vom Niederrhein das Tor weit offen. Vielleicht ruft ja nach der WM 2014 in Brasilien noch der DFB an.

Ganz ausschließen mag Heynckes nämlich nicht, dass ihn das Fußballfieber doch noch einmal packen könnte, wenn er keine Lust mehr hat, den Müll rauszubringen. Nur die "reichen Clubs, wo das Geld keine Rolle spielt", interessieren ihn nicht mehr, hat er gesagt. Also aufgepasst, HSV!