Nach der 4:0-Gala gegen Barcelona zweifelt Englands Altstar Lineker: Braucht München wirklich Trainer Guardiola?

München . Wie soll er sie nur begreifen, diese deutschen Fußballspieler? Für Gary Lineker waren sie schon ein Phänomen, als er noch Nationalstürmer Englands war. Anfang der 90er-Jahre sagte er einen Satz, der legendär wurde: "Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Heute ist Lineker 52 Jahre alt, und die Stärke der Deutschen - diesmal in Form des FC Bayern - beeindruckt ihn wieder. Nach dem 4:0 gegen den FC Barcelona im Hinspiel des Halbfinals der Champions League schrieb Lineker auf dem Internetportal Twitter: "Nur eine dieser beiden Mannschaften braucht Pep Guardiola. Und es ist nicht der FC Bayern." Startrainer Guardiola, zuletzt bei Barcelona, übernimmt im Sommer das Traineramt bei den Münchnern.

Auch wenn es noch keinen Pokal gab: Es war einer der größten Tage in der Geschichte des FC Bayern. Am Morgen war der Transfer von Borussia Dortmunds Jahrhunderttalent Mario Götze bekannt geworden, einige Stunden später genossen Spieler, Verantwortliche und Fans eine magische Nacht. Die Realität beim FC Bayern, nimmt man die Steueraffäre um Präsident Uli Hoeneß dazu, ist derzeit verrückter als jede Vorabendserie.

Die vier Tore von Thomas Müller (2), Mario Gomez und Arjen Robben bedeuteten mehr als nur einen Sieg. Es war die späte Revanche für das 0:4 im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales 2009. Mehr noch: Es war die halbe Miete für den Einzug ins Finale am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion, wie Kapitän Philipp Lahm sagte. Es war der Vorstoß in eine neue Dimension der Stärke.

Dass die Bayern in dieser Saison enorm stark sind, haben sie oft bewiesen. Und doch fehlte noch der Beweis, dass es zu ganz Großem reicht. Er ist erbracht. Die Bayern surfen auf der perfekten Welle aus Selbstvertrauen und Gier. Felix Magath, der frühere Bayern-Trainer, sagt: "Die Bayern haben eine Wachablösung vorgenommen. Wer soll sie in dieser Verfassung bezwingen?"

Um bei Gary Lineker zu bleiben: In den vergangenen Jahren gewannen am Ende fast immer die Spanier. Aber nun ist der FC Barcelona nicht mehr das Nonplusultra, und zur Startelf der Münchner gehörten sechs deutsche Nationalspieler. Der Sieg über Barcelona darf also auch Bundestrainer Joachim Löw mit Blick auf die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Brasilien Hoffnungen machen. Die Cleverness hatte den Nationalspielern zuletzt in den großen Duellen oft gefehlt.

Nach dem Abpfiff spielten sich in der Münchner Arena irre Szenen ab. Ein katalanischer Fan lief in die Bayern-Kurve, ging auf die Knie und verneigte sich vor den gegnerischen Anhängern. Stadionsprecher Stephan Lehmann rief ins Mikrofon: "Liebe Zuschauer, Sie können später Ihren Enkeln erzählen: Ich war dabei." Bayern-Mittelfeldprofi Thomas Müller war so viel gelaufen, dass ihn Krämpfe plagten. Lionel Messi, Barcelonas Superstar, wirkte mit einem Rucksack auf dem Rücken und hängenden Schultern beim Verlassen des Stadions wie ein Schuljunge, der von einer Prüfung kommt, in der er keine Frage beantworten konnte. "Sie waren viel besser als wir, körperlich überragend", sagte er. "Eine Schande!"

Dabei hatten doch die Bayern die schwierigen Fragen zu beantworten gehabt. Wie stoppen wir Messi? Wie kriegen wir Iniesta und Xavi in den Griff? Wie ersetzen wir den gesperrten Mario Mandzukic? "Wir haben defensiv gut gearbeitet und offensiv unsere Chancen genutzt - dann kommt eben so ein Ergebnis zustande", erklärte Lahm.

Die Bayern dominierten Barcelona, obwohl sie nur 37 Prozent Ballbesitz aufwiesen. Sie ließen die Katalanen den Ball hin und her passen und zeigten eine fast perfekte Raumaufteilung. Der Plan von Trainer Jupp Heynckes, ein Netz zu spinnen und gegen die kleinen Spanier hohe Bälle als Mittel einzusetzen, ging auf. Offensivstar Franck Ribéry ging nach dem Spiel zu Heynckes und sagte lachend: "Trainer, hast du gesehen? Ich war linker Verteidiger."

So viel Ribéry für die Defensive tat, so entscheidend war Arjen Robben in der Offensive. Dabei könnte der Götze-Transfer bei ihm vor dem Anpfiff die Frage aufgeworfen haben: Ist hier noch Platz für mich? Robben schien die Meldung eher motiviert zu haben. Müller und er waren die Männer des Spiels. Die ersten beiden Tore bereitete er vor, das dritte schoss er selbst. "Das ist Wahnsinn. Wir können stolz sein", sagte er.

In der Kabine gab es dennoch keinen Champagner, erzählte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Wir werden nicht arrogant ausflippen, sondern ruhig unseren Weg weitergehen, mit einem Schuss Demut." Mittwoch war Auslaufen angesagt, an diesem Donnerstag ist trainingsfrei, Freitag beginnt die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Freiburg am Sonnabend.

Alle sprechen vom Finale, doch Thomas Müller warnt: "Dortmund hat gegen Malaga in einer Minute zwei Tore geschossen, also könnte Barcelona in 90 Minuten theoretisch 180 Tore schießen. Die Magie von Camp Nou war ja schon öfter zu sehen. Wir benötigen noch zwei große Leistungen, um was Richtiges in den Händen zu halten."