Mit dem 2:1 gegen Dortmund im 142. Revierderby haben die Gelsenkirchener die Trendwende geschafft

Gelsenkirchen. Julian Draxler musste Überstunden machen, doch er genoss sie in vollen Zügen. Noch lange nach Schlusspfiff des 142. Revierderbys blockierte er die Treppe, die vom Kabinentrakt zum Ausgang der Schalker Arena führt. Um ihn herum hatten sich zahlreiche Journalisten geschart. "Für mich ist das wie ein schöner Traum", sagte Draxler nach dem 2:1 (2:0) über Borussia Dortmund, "es kam wirklich alles zusammen: Ich habe mein 100. Pflichtspiel gemacht, ein Tor geschossen, die Arena hat gebebt, und wir haben den zweiten Derbysieg in einer Saison errungen. Besser geht's nicht."

Es war ein perfekter Tag für Königsblau. Wie ein Furor waren die Schalker über den BVB hergefallen. Mit nahezu perfektem Konter- und Kombinationsfußball wurden die Schwächen der Gäste bestraft. Tugenden, die bei den Dortmundern vermutet worden waren und die zur einer nahezu perfekten ersten Hälfte der Schalker führten. Blitzschnelles Umschalten von Defensive auf Offensive, exaktes Passspiel und Entschlossenheit im Abschluss gingen sowohl dem 1:0 durch Draxler (12.) als auch dem 2:0 durch Klaas-Jan Huntelaar (35.) voraus.

"Ich bin stolz auf das, was die Mannschaft geleistet hat", sagte Manager Horst Heldt, der die Vertragsverlängerung mit Benedikt Höwedes bis 2017 bekannt geben konnte. "Das war eine der besten ersten Spielhälften, die ich je gesehen habe." Die beeindruckende Art und Weise des Erfolgs könnte in der Tat zu einen Wendepunkt in einer bislang eher unbefriedigenden Saison werden.

Auf den besten Start seit 41 Jahren folgte eine scheinbar unerklärliche Phase der Stagnation. Am 16. Dezember wurde Trainer Huub Stevens entlassen. Unter Nachfolger Jens Keller flog die Mannschaft dann aus dem DFB-Pokal, wirkte zunächst noch mehr verunsichert als in der Spätphase von Stevens.

Erst zuletzt deutete sich ein zarter Aufwärtstrend an: Auf einen Pflichtsieg über Düsseldorf (2:1) folgte ein Auswärtserfolg in Wolfsburg (4:1). Doch weil die Krise zuvor so quälend lang war, wagte trotzdem niemand von einer Trendwende zu reden. Nach dem Derbysieg ist dies anders. "Wir haben jetzt drei Spiele in Folge gewonnen. So kann es weitergehen", sagte Torhüter Timo Hildebrand, der zwischen der Vorstellung gegen Dortmund und den Auftritten in den Krisenzeiten, die sich dreieinhalb Monate hingezogen haben, "einen Unterschied wie Tag und Nacht" sah. Deshalb hofft er nun auch darauf, dass die Diskussionen über den Trainer aufhören. Geht es nach Hildebrand, sollte Keller, dem oft Mangel an Charisma vorgeworfen worden ist, die Mannschaft auch 2013/14 trainieren. "Aber ich kann ja die Entscheidung nicht fällen", sagte er. Hildebrand ist von Keller wieder zur unumstrittenen Nummer eins gemacht worden. Gerade die zermürbenden Diskussionen über die angeblich nicht vorhandene Ausstrahlung des 42 Jahre alten Trainers hatten es dem Team nicht leichter gemacht, seine Schwächephase zu überwinden.

"Du musst einfach ruhig bleiben und nicht von Anfang an auf einen Trainer draufhauen, ihm einfach eine Chance geben", sagte Hildebrand. Er wisse zwar, dass im hektischen Schalker Umfeld "etwas andere Gesetze" herrschen, "aber seine Arbeit zahlt sich aus".

Zumindest hat es der frühere U17-Trainer geschafft, dass sein Engagement als Cheftrainer auch über das Saisonende hinaus mittlerweile nicht mehr völlig ausgeschlossen scheint. "Wir können doch Jens Keller nach den vergangenen Spielen nicht infrage stellen", erklärte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Das hätten er und Heldt auch nie getan. "Ich finde, Keller ist ein guter Trainer, und er passt zu Schalke", sagte Tönnies, der sich jedoch nicht festlegen wollte, ob ein neuer Trainer kommen soll. "Wir werden uns im Sommer zusammensetzen", kündigte er an.

Tönnies und Heldt sehen sich nun wieder in der Lage, die Entscheidung in dieser wichtigen Personalfrage von den Entwicklungen der kommenden Wochen abhängig zu machen. Gelingt es Keller noch, das Saisonziel, die erneute Qualifikation für die Champions League, zu erreichen? Schafft er es sogar, die unter Stevens mit der Qualifikation für das Achtelfinale so vielversprechend begonnene Saison in der Champions League fortzusetzen? Am Dienstag kommt Galatasaray Istanbul zum Rückspiel nach Gelsenkirchen. Schalkes Chancen auf einen Einzug ins Viertelfinale stehen nach dem 1:1 im Hinspiel gut. Allerdings wird Keller auf Torjäger Klaas-Jan Huntelaar verzichten müssen, der sich einen Teilanriss des Innenbandes im Knie zugezogen hat. Dortmund hingegen beklagt den Ausfall von Mats Hummels (Teilriss des Außenbandes im rechten Sprunggelenk).