Nach der dritten Niederlage in Folge wird bei Werder Bremen Kritik an Trainer Schaaf immer vernehmbarer. Rettet ihn die Bremer Sitte der verschlossenen Wagenburg?

Bremen . Mitleid erntete Thomas Schaaf nur noch von Einzelnen. Als der Bremer Trainer am Sonnabend zusammen mit Manager Thomas Eichin auf dem Weg in die Stadionkatakomben war und Werders Fans aus der Ostkurve heraus ihren Unmut ausbreiteten, da sprang ihm ein Ordner zur Seite. Er fuchtelte mit den Armen und rief beiden etwas ungläubig entgegen: "Ihr werdet ja ausgepfiffen, schnell rein."

Man muss lange zurückdenken, wann es eine ähnliche Situation gab. Pfeifkonzerte gegen Trainer und Team im Bremer Weserstadion, Sprechchöre wie "Wir haben die Schnauze voll" aus dem Oberrang der Ostkurve, von den Treuesten der Treuen also. Schaaf ist Realist genug, um nach diesem 0:1 (0:1) gegen den FC Augsburg die Lage einschätzen zu können. Es war die dritte Niederlage in Folge. An Europacup ist derzeit nicht zu denken, schlimmer noch: Augsburg zog Werder mit in den Abstiegskampf. "Man kann nicht erwarten, dass man dafür Applaus kriegt", sagt der Trainer.

Es gab in der Ostkurve nach dem Spiel scharfe Wortgefechte zwischen Gruppierungen, die immer noch treu ergeben zum ewigen Schaaf stehen und denen, die ihn für überholt halten. Ergebnis: Wut auf beiden Seiten. Zufrieden ist im Bremer Lager längst keiner mehr. Wie auch? Es kündigt sich nach der neuerlichen Pleite die dritte Saison in Folge ohne Teilnahme am Europapokal an. Aus Bremer Sicht ist das ein Desaster, wirtschaftlich wie sportlich. In guten Zeiten kaschierten spektakuläre Offensivspieler wie Ailton, Diego oder Pizarro die chronische Bremer Abwehrschwäche. Spielte Werder, dann war das ein Ereignis, vorn wie hinten. Mittlerweile sind die Bremer eine Mannschaft ohne Stärken, aber mit großen Schwächen. 48 Gegentore in 24 Spielen weisen klar aus, woran es hakt. Der Bremer Abwehrkörper ist nur noch ein Torso.

Es ist Bremer Sitte, in so einer verfahrenen Situation die Wagenburg geschlossen zu halten. Seit 14 Jahren funktioniert diese Taktik, sie ist für Schaafs Ära ähnlich stilprägend wie damals in der von Otto Rehhagel. Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass hanseatische Ruhe und Gelassenheit das richtige Mittel in Krisenzeiten sind. Hat ja auch immer gut funktioniert. Auf einen Abstiegsplatz ist Schaaf noch nie gerutscht. Als schwierige Situation aber wird die Lage längst eingestuft, was auch den Umgang mit Schaaf kompliziert macht. Wie ist mit einem verdienten Mann wie dem 51-Jährigen umzugehen, der seit 40 Jahren im Klub ist? Schaaf hat sich das Glück erarbeitet, selbst über sein Schicksal als Bremer Trainer entscheiden zu können. Bleiben oder gehen? "Ich habe noch Power", sagte er nach der Pleite gegen Augsburg. Ob er Gedanken an einen Rücktritt hege, wurde er gefragt. "Bei mir blitzen tausend Gedanken auf. Manche verschwinden, manche nicht und einige ziehen vorbei", antwortete er. Was das bedeutet, wurde nicht klar.

Für Klarheit könnte bei Werder ohnehin nur einer sorgen: Klaus-Dieter Fischer, Geschäftsführer des Gesamtvereins. Er ist die graue Eminenz des Clubs. Willi Lemke hat als Aufsichtsratschef die Oberhand über die Finanzen, Schaaf diktiert im sportlichen Bereich, aber Fischer herrscht über das große Ganze. Er pflegt eine Männerfreundschaft mit Schaaf, sie gilt als unverbrüchlich. Zwei Szenarien sind deswegen nur denkbar. Entweder legt Fischer seinem Intimus Schaaf nahe, dass es an der Zeit wäre abzutreten. Oder Schaaf kommt selbst zu der Erkenntnis und bittet darum, seinen Vertrag im Sommer vorzeitig aufzulösen.

Sein langjähriger Weggefährte, der ehemalige Bremer Torwart Dieter Burdenski, sieht es ähnlich. Er sagte dem Abendblatt: "Thomas ist clever genug, um zu sehen, wann er das Team nicht mehr erreicht. Nur er selber kann sagen: 'Die Zeit für einen Abschied ist gekommen.'" Burdenski sagt aber auch: "Klar ist, es muss zum Wohle des Vereins gehandelt werden. Der Verein muss immer im Mittelpunkt stehen, niemals eine Person. Man muss sich jetzt Gedanken machen, was in den vergangenen drei Jahren erreicht wurde und knallhart analysieren."

Damit ist der Finger in die Wunde gelegt. Die vergangenen drei Jahre fallen bei den Bremern ernüchternd aus. Sie glitten ins Soll ab, in der Liga wie auch finanziell. Aus diesen drei Jahren bleibt die Erkenntnis, dass die Mannschaft erst stagnierte und dann Rückschritte gemacht hat. Bei Werder wird gern angeführt, dass der Umbruch daran schuld sei. Aber der Umbruch kann nicht als Begründung dafür herhalten, warum sich kein Spieler weiterentwickelt. Die Liste reicht über Marin, Arnautovic bis zu Elia. Der im Sommer 2010 zu Real Madrid gewechselte Mesut Özil war der bislang letzte, den Schaaf zu einem herausragenden Spieler geformt hat.

Dass der langjährige Manager Klaus Allofs im Herbst quasi von einem Tag auf den anderen zum VfL Wolfsburg gewechselt ist, schaut beinahe wie eine Flucht aus der Situation und der eigenen Verantwortung aus. Als er noch gemeinsam mit Schaaf in Bremen arbeitete, da wurde in schlechten Zeiten auch viel Kritik auf Allofs abgeladen. Nun muss sie Schaaf allein schultern. Die Frage ist, wie lange er sich das noch antun will.