Für 350 Millionen Euro baute sich Dietmar Hopp in Hoffenheim einen Bundesliga-Club. Nach dem Absturz auf Rang 17 steht er vor den Trümmern.

Sinsheim. Sonntag empfängt die TSG 1899 Hoffenheim den FC Bayern München. Es ist fast genau vier Jahre her, da war diese Partie das Spitzenduell der Bundesliga. Im Dezember 2008 verlor die TSG zwar nach einem hochklassigen Bundesligaspiel knapp mit 1:2, Herbstmeister war der durch die Millionen des SAP-Mitgründers und Mäzens Dietmar Hopp alimentierte Club am Ende seiner ersten Halbserie in der Bundesliga dann doch. Vor der Partie waren damals hundert Journalisten aus ganz Europa neugierig ins Trainingszentrum nach Zuzenhausen gekommen, aus England und Frankreich, und selbst die New York Times hatte einen Reporter geschickt. Für einen kurzen Moment schien es, als wachse den Bayern durch den finanzstarken Verein aus Nordbaden, der unter dem Trainer Ralf Rangnick innerhalb von zwei Jahren von der Dritten in die Erste Liga durchgestartet war, ein ernst zu nehmender Herausforderer heran.

Doch seitdem hat sich die TSG in einer ähnlich beeindruckenden Weise selbst um ihr Image und ihr sportliches Standing gebracht, wie sie einst den Aufstieg aus den Niederungen des Amateurfußballs an die Spitze der Bundesliga geschafft hat. Das 1:2 gegen den FC Augsburg bedeutete den vorläufigen Tiefpunkt dieses tiefen Falls. Der Herbstmeister von 2008 tauschte mit den Augsburgern den Tabellenrang und steht nun auf Abstiegsplatz 17. "Wir sind am Boden", gab TSG-Manager Andreas Müller zu. Nichts deutet auf eine Wende hin, trotz des Trainerwechsels von Markus Babbel zu Marco Kurz in der Winterpause und sechs Neuzugängen im Januar für zwölf Millionen Euro.

Es wirkt, als hätte auch Kurz nach nur knapp acht Wochen in Hoffenheim schon alle Register gezogen. An die "Ehre" seiner Profis hatte er vor dem Debakel in Augsburg appelliert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verein und sein mächtiger Mäzen Hopp noch einmal die Trainer-Reißleine ziehen, sollten die beiden kommenden Partien gegen die Bayern und in Fürth verloren gehen. Das würde passen zu einem Club, dessen Krise und sportlicher Niedergang hausgemacht sind. Gelassenheit war noch nie die Stärke dieses Vereins und seines Mäzens.

Der Niedergang begann zum Jahreswechsel 2010/11. Seit der unnötigen Trennung am Neujahrstag 2011 von Erfolgstrainer Ralf Rangnick, der sich beim Transfer von Luiz Gustavo zum FC Bayern von Hopp, dem damaligen Manager Ernst Tanner und Hopps Einflüsterern hintergangen sah, geht es bergab. Hopp wollte nicht auf Teufel kaum raus weiter investieren, Rangnick nicht die Substanz durch Verkäufe von Leistungsträgern schwächen.

Seit Rangnicks Abschied ist Marco Kurz der fünfte Trainer, Andreas Müller der dritte Manager. Beim Start-up-Club herrscht das Gesetz des "Hire and Fire". Bei internen Machtkämpfen geht es vor allem darum, wer die Gunst des Mäzens Dietmar Hopp besitzt. In dieser Saison geht alles schief. Ohne Not ruft der damalige Trainer und Manager Markus Babbel vor Saisonbeginn die Europapokalteilnahme als Saisonziel aus, obwohl die sportliche Substanz des Kaders nach den sukzessiven Weggängen von Gustavo, Eduardo, Ba, Obasi, Ibisevic, Sigurdsson oder Babel das längst nicht mehr hergibt.

Der Kardinalfehler war die Verpflichtung des Torwarts Tim Wiese aus Bremen, durch den Publikumsliebling Tom Starke vergrault wurde. Der Transfer wirft zudem das Scheinwerferlicht auf den Einfluss des Spielerberaters Roger Wittmann, der mehrere Hoffenheimer Spieler betreut, auch Wiese. Zur Verteidigung seines "guten Freundes" Wittmann veranstaltete Hopp sogar einen Abend für Fans in einem Auditorium des von ihm mitgegründeten Softwarekonzerns SAP - was nur verdeutlicht: Der Einfluss ist tatsächlich da.

Die Personalie Wiese entpuppt sich als große Belastung für den Klub - und als sportlich größter Flop der Runde. Der Abwärtstrend ist nicht zu bremsen, Babbel wird entlassen, Wiese von Kurz zur Nummer drei degradiert. Jetzt, in der Not, hat sich auch wieder der Mäzen zu Wort gemeldet. Seit einem Artikel im "Stern", der Hopps Verhältnis zu Wittmann kritisch unter die Lupe nahm und dem Abend zur Verteidigung seines Freundes Wittmann, hatte er monatelang geschwiegen. Der Bild-Zeitung sagte Hopp nun, er werde auch in der Zweiten Liga weitermachen. Es seien ja auch andere Vereine wieder aufgestiegen.

350 Millionen Euro hat Hopp in Infrastruktur und Mannschaft gepumpt. Selbst für Relegationsplatz 16 scheint das in dieser Saison seit der Pleite in Augsburg nicht mehr zu reichen. Die Spieler sind durch die Querelen und Personalwechsel völlig verunsichert, es fehlt an Autoritäten. Ein Armutszeugnis, als Manager Müller im "Doppelpass" erklärt: "Die Qualität ist da. Aber woran ich große Zweifel habe, ist der Charakter der Mannschaft." Die Ratlosigkeit ist auf allen Ebenen zu spüren.

Unterdessen sprach Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp TSG-Trainer Kurz Jobsicherheit aus. „Wir brauchen keinen Feuerwehrmann, denn Marco Kurz macht einen guten Job“, sagte Hopp der „Bild“-Zeitung (Montag). Zu den Gründen der Talfahrt des Tabellenvorletzten sagte der Milliardär: „Warum wir so entgleist sind, bleibt für alle ein Rätsel.“ Kurz war erst in der Winterpause als Nachfolger von Markus Babbel gekommen und holte seitdem nur 4 von 18 möglichen Punkten.