Serie Augenzeugen der Bundesliga: Wie Andreas Brehme nach dem Abstieg des 1. FC Kaiserslautern von Rudi Völler getröstet wurde

Berlin. Sein Freund zuckt mit dem Kopf ein wenig nach hinten, als hätte er Schluckauf. Einmal, zweimal. Dann lässt er seinen Kopf an Rudi Völlers linke Schulter sinken und weint. Die TV-Kameras im kleinen Studio des Senders Premiere sind an. Die Fußballnation schaut zu, sie schaut auf ihn: Andreas Brehme. "Nicht nah am Wasser gebaut" sei er, hat er mal gesagt. Aber nun übermannt ihn die Trauer über den ersten Abstieg seines 1. FC Kaiserslautern aus der Fußball-Bundesliga.

Völler, der sich mit Bayer Leverkusen an diesem Tag im Mai 1996 als Triumphator fühlen darf, weiß nicht recht, wie ihm geschieht. Er ist glücklich, dass es ihn und seinen Klub nicht erwischt hat an diesem letzten Spieltag der Saison. Aber er hat Brehme auch noch nie mit Tränen in den Augen gesehen, intuitiv legt er den Arm um seinen Freund. "Den Andy so zu sehen, das war ein schwerer Schlag für mich", sagt Völler heute. Rund acht Minuten vor Brehmes Gefühlsausbruch war das Spiel 1:1 zu Ende gegangen. Mit einem Sieg wäre Kaiserslautern in der Liga geblieben und Leverkusen abgestiegen. Aber Markus Münch gelang acht Minuten vor Spielende unerwartet der Ausgleich, Kaiserslautern musste nach 33 Jahren Zugehörigkeit die Bundesliga verlassen. Völler wollte längst die Beine hochgelegt haben. Er hatte schon lange das Gefühl, dass es Zeit war, die Karriere zu beenden. Er wollte sich für das eigene Abschiedsspiel zwei Tage später schonen. "Wäre vier Wochen vorher der Klassenerhalt klar gewesen, hätte ich nicht gespielt", sagt er. Doch Leverkusen stand am Abgrund - wie auch der FCK mit Brehme. Beide Weltmeister, beide in die Jahre gekommen. "Und da stand er nun neben mir und weinte. Der FCK war sein Herzensverein, und dann das. Abstieg, mit ihm als Kapitän. Das hat mich schwer mitgenommen", so Völler.

Er kommt als Erster ins Premiere-Studio, dann erscheint Brehme, er macht einen gefassten Eindruck. Zwei Kameraleute sind da, dazu eine Visagistin, Bayer-Interimstrainer Peter Hermann, Moderator Michael Pfad und Völler. Im Fernsehen wird Torschütze Münch interviewt. Dann blendet die Kamera ins Studio. Völler steht da mit offener Trainingsjacke, sein Brusthaar kommt zum Vorschein. Von Brehme dagegen ist nicht viel zu sehen. Er fährt sich unentwegt mit einem weißen Papiertuch, das ihm die Visagistin gegen das Nachschwitzen gereicht hatte, über die Augen, muss von Völler gestützt werden. "Das war alles, was ich für ihn tun konnte", sagt Völler.

Pfad eröffnet das Gespräch, Völler antwortet: "Es ist bitter nach so einem Spiel, wo beide alles gegeben haben. Wo keiner verdient gehabt hätte abzusteigen. Für den Andy tut es mir natürlich leid, aber auch für Kaiserslautern." Der FCK gewinnt eine Woche später das Finale des DFB-Pokals gegen Karlsruhe, steigt direkt wieder auf und wird zwei Jahre darauf sensationell Meister. Mit Brehme. Gegen Leverkusen war er noch mit Abschiedsblumen aufgelaufen. Durch den Abstieg aber fühlte er sich verpflichtet, zum Wiederaufstieg beizutragen. Erst 1998 bekommt er wieder einen Strauß in die Hand gedrückt.

Im Studio hat sich Brehme mittlerweile gefangen, verschwindet nach kurzer Analyse aber aus dem Studio. "Ich konnte ihm nur noch einen Klaps auf den Kopf geben", sagt Völler heute. Einen Klaps unter Freunden.