Die Niederlande und Deutschland trennen sich in einem an Höhepunkten armen Länderspiel mit 0:0 Löw versuchte mit der Spanien-Taktik.

Amsterdam. Was Rudi Völler von diesem Länderspiel hielt, machte er einige Tage zuvor klar: "Was zu viel ist, ist zu viel", schrieb der Manager von Bayer Leverkusen im "Kicker" und monierte: "In dieser Phase der Voll- oder besser: Überbeschäftigung bedeutungslose, aber trotzdem brisante Länderspiele zu terminieren, halte ich für falsch."

Nach dem 0:0 zwischen den Niederlanden und Deutschland in der Amsterdamer Arena dürfte die fast schon traditionelle Kritik am November-Termin neue Fahrt aufnehmen. Obwohl Völler nur mit einem Teil seiner Aussage recht behielt. Das Spiel war alles andere als brisant, sondern nur eines: bedeutungslos. Einzig die Verbände beider Nationen dürften sich über die Millionen-Einnahmen gefreut haben. Kapitän Philipp Lahm zog dennoch ein positives Fazit: "Nach dem 4:4 gegen Schweden war es wichtig, dass wir in der Defensive wieder Sicherheit gewonnen haben."

Joachim Löw sah es ähnlich: "Wir waren sehr diszipliniert. Leider haben wir unsere Chancen nicht genutzt", sagte der Bundestrainer. „Für mich war dieses Spiel positiv. Wir hatten eine veränderte Mannschaft, viele Stammkräfte haben gefehlt. Wir haben sehr positionstreu gespielt. Wir haben eine gute Defensivarbeit verrichtet. Das war nach den letzten Erlebnissen, auch gegen Schweden, das Wichtigste. Es war wichtig, dass wir auch von Holland wenig Chancen zugelassen haben. Gegen eine der besten Mannschaften in Europa haben wir das sehr gut gelöst”, so Löw.

Es war ein insgesamt komisches Länderspiel. Dazu passte, dass Ruud van Nistelrooy, Patrick Kluivert, Edgar Davids und Michael Reiziger kurz vor dem Anpfiff für ihre Oranje-Verdienste geehrt wurden, obwohl sie seit Jahren nicht mehr aktiv waren. Und auch das Spiel war von vorgestern. Von der ersten Minute an wurde deutlich, dass beide nach den vielen Absagen stark ersatzgeschwächte Mannschaften verzichteten, den Klassiker allzu ernst zu nehmen. Es fehlte an Tempo, an Biss, an leidenschaftlichen Zweikämpfen. Die Zuschauer in der voll besetzten Arena schienen zeitweise wegzunicken, so leise war es. Dabei garantierte der Schiedsrichter eigentlich ein Torfestival: Der Portugiese Pedro Proenca hatte auch das jüngste 4:4 der Deutschen gegen Schweden gepfiffen.

Auf diesem niedrigen Niveau war die DFB-Auswahl noch deutlich besser und agiler. Angesichts eines fehlenden klassischen Torjägers im Aufgebot nach der kurzfristigen Absage von Miroslav Klose entschied sich Joachim Löw, im spanischen EM-System ohne echten Stürmer spielen zu lassen. Auffällig, dass die vier Offensiven Thomas Müller, Lewis Holtby, Marco Reus sowie Mario Götze häufig ihre Positionen tauschten und versuchten, das typische spanische Kurzpassspiel aufzuziehen.

Das Team von Louis van Gaal reagierte auf diese Verwirrungstaktik mit einer kompakten Verteidigung, sodass sich das Geschehen häufig in einer Zone von nur 30 Metern abspielte. Die viel gelobte Offensive mit HSV-Star Rafael van der Vaart hinter der einzigen Spitze Dirk Kuyt kam überhaupt nicht zur Entfaltung gegen die geordnet stehende deutsche Defensive.

Der agile Ilkay Gündogan, der beinahe vor seinem Wechsel aus Nürnberg nach Dortmund beim HSV gelandet wäre, vergab in der 45. Minute die beste Chance, als sein Schuss gerade noch von Heitinga abgewehrt werden konnte. Weitere Möglichkeiten ließen Götze (21., 26.) und Reus (39.) aus. "Wir sind eine Klasse besser als die Holländer", urteilte ARD-Experte Mehmet Scholl, der für den Spruch des Abends sorgte: "Louis van Gaal ist ein Fußballfachmann, aber charakterlich schwierig. Wenn er ein Postbote wäre, würde er wahrscheinlich meinen Hund beißen."

Bei Wiederanpfiff war eine weitere Entscheidung gefallen: René Adler verfolgte sein Comeback beim DFB nach zweijähriger Pause ausschließlich auf der Bank. Löw hatte bereits am Dienstag angekündigt, dass er Adler womöglich eher einmal ein ganzes Spiel geben werde. Auch HSV-Kollege Heiko Westermann lief sich vergeblich warm, während sich auf dem Feld nichts Gravierendes veränderte. Sicherheit war oberstes Gebot, was dazu führte, dass die Innenverteidiger Per Mertesacker und Mats Hummels bereits nach gut 50 Minuten über 80 Ballkontakte hatten, sehr ungewöhnlich.

Es wäre im Grunde eine Zeitverschwendung, über die zweite Hälfte mehr als dieses Wort zu verlieren: enttäuschend. Einzig Daryl Janmaat zwang Manuel Neuer zu einer Glanzparade. In der Nachspielzeit vergab dann noch Reus aus aussichtsreicher Position. Am Ende gab es gellende Pfiffe von den Rängen für die Minusleistung.

Löw zog nach dem Spiel eine erste Bilanz über das Jahr 2012. „Ich habe immer gesagt, dass es wichtig sein wird, über die Monate hinweg die richtige Balance zu finden. Ich habe nie gesagt, dass wir unser Offensivspiel und dieses Potenzial aufgeben. Von daher werden wir weiter konsequent daran arbeiten. Wir haben immer die letzten Jahre eine starke Offensivleistung gehabt und viele Tore erzielt.“ Was hat sie heute besonders gefreut?”, sagte Löw: „Immer, wenn wir unseren Spielstil durchgezogen haben, haben wir keine Probleme gehabt, weder in der Defensive noch in der Offensive. Wenn wir davon abgegangen sind, hatten wir immer irgendwelche Schwierigkeiten.“

Zum Abschluss des Länderspieljahres bleibt nur Folgendes erwähnenswert: Die Niederlande kann auch zehn Jahre nach dem 3:1 in Gelsenkirchen gegen den Erzrivalen nicht gewinnen. Und auch die Wette zwischen van der Vaart und Adler (der Verlierer hätte das Trikot des Gegners tragen müssen) fiel aus. Wie langweilig, aber es passte zum gestrigen Abend.

Niederlande: Vermeer - van Rhijn (46. Janmaat), Heitinga (46. de Vrij), Vlaar, Martins Indi - de Jong, Affellay (58. van Ginkel) - van der Vaart (72. Emanuelson) - Schaken, Kuyt, Robben (46. Elia).

Deutschland: Neuer - Höwedes, Mertesacker, Hummels, Lahm - L. Bender (82. S. Bender), Gündogan - Müller (84. Schürrle), Holtby (87. Neustädter), Reus (90. Draxler) - Götze (72. Podolski). Schiedsrichter: Proenca (Portugal). Zuschauer : 51 000 (ausverkauft).