Schalke feiert nach Niederlagen gegen Dortmund wieder einen Erfolg. Überschattet wurde das Derby von Krawallen

Dortmund. An der Würstchenbude auf dem Schalker Trainingsgelände wurde das erste Pils um kurz vor zehn gezapft. Warum auch nicht? Einigen der etwa 150 Kiebitze, die gestern Morgen zum Auslauftraining ihrer Lieblingsmannschaft gekommen waren, war nach Frühschoppen zumute. Schalke hatte schließlich gut 15 Stunden zuvor in der "verbotenen Stadt" gewonnen, wie es ein Fan zum Ausdruck brachte, als er den Plastikbecher zum Mund führte: "Außerdem scheint die Sonne."

Wie sehr das Derby das Gefühlsleben der Fans beeinflusst, war gestern zu besichtigen. Während auf dem Schalker Areal mitten im Herbst fast schon Frühlingsgefühle aufkamen, standen in Dortmund-Brackel nur vier einsame Autogrammjäger vor den Toren des BVB-Trainingsgeländes. "Das ist ein grandioses Gefühl. So fühlt sich nur ein Derbysieg an", schwärmte 50 Kilometer weiter östlich dagegen Marco Höger, der Mann, der Entscheidendes zum 2:1 (1:0)-Sieg der Schalker beigetragen hatte. Sein Treffer zum 2:0 für Schalke in der 47. Minute ließ es für die etwa 10 000 mitgereisten Anhänger erstmals begreifbar werden, dass es nach vier vergeblichen Anläufen wirklich wieder gelingen könnte, beim Erzrivalen zu gewinnen.

Es sind königsblaue Glücksgefühle, die auch damit zu tun haben, dass sich speziell in den letzten Jahren viel Frust aufgestaut hatte. Während die Dortmunder mit zwei Meisterschaften und einem DFB-Pokal-Sieg zu enteilen schienen, musste auf Schalke ein schmerzhafter Umbruch durchgeführt werden: Erst hatte dem Verein die emotionale Zerreißprobe gedroht, als Fans und Spieler den eigenwilligen Kurs des damaligen Trainers und Managers Felix Magath nicht mehr mitgehen wollten. Dann erfolgte der Umbau der Mannschaft. Zwischenzeitlich sah es so aus, als klafften Welten zwischen Schalke und Dortmund.

Nach dem 141. Derby rangiert Schalke nun fünf Zähler vor dem BVB. Doch die Schwierigkeiten der jüngeren Vergangenheit haben die Schalker dennoch demütig werden lassen. "Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, auch mal den Augenblick zu genießen", sagte Manager Horst Heldt, der den Umbruch in der Nach-Magath-Ära maßgeblich gestaltet hat. Ob Schalke nun wieder die Nummer eins im Revier sei, interessiere ihn herzlich wenig. "Was das nun für Auswirkungen hat und wie es weitergeht, ist vollkommen nebensächlich", sagte Heldt.

Bei allem Understatement konnte aber auch Heldt, der weiß, wie schnell nun eine manchmal nur schwer zu kontrollierende Euphorie entstehen kann, nicht verhehlen, dass er und Trainer Huub Stevens wieder eine äußerst gefährliche Mannschaft geformt haben. Stabiler, spritziger und vor allem intelligenter als die Borussen hatten die Schalker am Sonnabend gespielt.

"Wir haben richtig gut darauf reagiert, dass die Dortmunder taktisch anders aufgetreten sind, als wir es erwartet hatten", lobte Stevens seine Spieler, die speziell in der Anfangsphase den Grundstock für den Erfolg gelegt hatten: Da die Gastgeber überraschend mit einer Abwehr-Dreierkette agiert hatten und auf den Außenbahnen schwach besetzt waren, spielten die Gäste immer wieder gefährliche Bälle auf die Flügel, nutzten so Dortmunds Abstimmungsschwierigkeiten aus. Die Entstehung der Tore zeigte, wie viel die Schalker in dem gut einen Jahr unter dem ehemaligen HSV-Coach gelernt haben: Beim Führungstreffer durch Ibrahim Afellay (14. Minute) wurde das Dortmunder Defensivdesaster bloßgelegt, als Atsuto Uchida und Jefferson Farfan ein Missverständnis zwischen Kevin Großkreutz und Mats Hummels ausnutzten. Dem 2:0 durch Höger war ein perfekter Konter gegen eine zu hoch stehende Dortmunder Abwehr vorausgegangen.

Schalke ist gereift. Auch gegenüber dem 0:2 gegen Bayern München vor einem Monat. Damals hatte die Elf verzagt gewirkt und nicht an die eigene Chance geglaubt. In der Folge hieß es, dass die Mannschaft substanziell zu schwach sei, um gegen Spitzenteams mitzuhalten. "Wir haben uns aber nicht verrückt machen lassen, sondern sind unseren Weg weitergegangen", sagte Stevens. Die Handschrift des Niederländers war speziell in der Schlussphase zu erkennen: Obwohl die Dortmunder nach dem Anschluss durch Robert Lewandowski (55.) wieder Zugriff auf das Spiel hatten, wackelte Schalke nicht. Geschickte Tempoverschleppungen in der Schlussphase raubten den Borussen dann endgültig den Nerv.

"Ich habe noch nie eine fairere Mannschaft als Schalke gesehen", ätzte Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels ironisch, als er - enttäuscht und wütend - in die Kabine flüchtete. Schalke hätte "auf Zeit gespielt" und "Verletzungen vorgetäuscht", sagte der Nationalspieler.

Überschattet wurde das Derby von schweren Krawallen. "Sowohl Schalker als auch Dortmunder Anhänger legten ein hohes Aggressions- und Gewaltpotenzial an den Tag wie lange nicht mehr", sagte Polizeidirektor Michael Stein. 163 Randalierer aus Gelsenkirchen und 17 aus Dortmund kamen in Gewahrsam.