Der neue Sportchef des FC St. Pauli will sich und den FC St. Pauli verändern

Hamburg. Ob es die Kinder sind, die beim Training der Profimannschaft um Autogramme bieten, die Kiebitze, die fachsimpeln wollen, oder die Journalisten, die Antworten auf ihre Fragen erwarten: Rachid Azzouzi bewältigt die ihm gestellten Aufgaben in seiner ersten Arbeitswoche beim FC St. Pauli stets freundlich und mit einem Lächeln. Es mache ihm Spaß, wenn so viele Leute da sind, sagt er, die Arbeit mache ihm Freude, und wenn das nicht so wäre, dann müsse er sich Gedanken über eine Veränderung machen. Möglicherweise hatte der neue Sportchef des FC St. Pauli bei seinem letzten Arbeitgeber in Fürth zuletzt nicht mehr so viel Spaß, denn mit dem Schritt nach Hamburg, so sagt er selbst, möchte er sich auch persönlich weiterentwickeln. "Veränderungen bringen einen immer weiter", sagt er. "Nach 15 Jahren bei einem Verein kennt man alles und jeden, das ist einerseits schön, birgt aber auch die Gefahr, stehen zu bleiben." Und das ist nicht Azzouzis Ding.

Dass seine Aufgaben beim FC St. Pauli weitreichender sind, als Autogramme zu schreiben und Fragen zu beantworten, ist klar. Aber Azzouzi nimmt sich die Zeit, um die Strukturen des Vereins zu durchschauen, Gespräche zu führen, ein Gefühl für den Klub zu entwickeln, der es vor allem mit seiner Geschichte, seinen Idealen und der Professionalisierung in den letzten Jahren geschafft hat, den Manager von dem Verein loszueisen, für den er 15 Jahre lang gearbeitet hatte. "Ich wäre nicht für jeden Verein weggegangen", sagt Azzouzi. "Aber ich habe auch mit 33 Jahren aufgehört, Fußball zu spielen. Ich möchte nicht, dass die Leute irgendwann sagen: 'Was macht der denn noch hier?'" Ähnlich sei es ihm nach dem Aufstieg von Greuther Fürth gegangen.

Der 41-Jährige hat klare Vorstellungen, bringt Selbstvertrauen und Kompetenz mit, lässt sich aber auch von seinem neuen Umfeld inspirieren. Die vordergründige - und derzeit drängendste Aufgabe - besteht in der Zusammenstellung des Kaders für die bevorstehende Saison. "Die Basis der Mannschaft ist gut", sagt der gebürtige Marokkaner mit deutschem Pass, "die letzte Saison war absolut erfolgreich, und die Spieler haben bewiesen, dass sie eine gute Rolle in der Liga spielen können." Auch mit den bis jetzt getätigten Neuverpflichtungen ist Azzouzi "absolut zufrieden". Mit Florian Mohr sei eine Persönlichkeit und einer der besten Innenverteidiger der Liga gekommen, mit Lennart Thy und Daniel Ginczek zwei hoffnungsvolle Talente mit viel Potenzial, mit Marcel Andrijanic und Florian Kirschke zwei gute Jungs aus dem eigenen Nachwuchs. Und auch Sören Gonther sei nach seinem Kreuzbandriss auf einem guten Weg. Trotzdem: "Der Kader ist noch nicht fertig, aber wir dürfen uns auch nicht unter Druck setzen lassen." Verpflichtungen seien derzeit nicht einfach, da gerade in der Bundesliga die Spieler und Berater noch sehr entspannt seien. "Wir müssen einen gewissen Anspruch haben, überzeugt sein von den Spielern, die auch charakterlich passen müssen und unbedingt für St. Pauli spielen wollen."

Azzouzi fordert Geduld ein - und plant langfristig. Das vom Verein neu vorgegebene Ziel, innerhalb der nächsten drei Jahre aufzusteigen, teilt er. "Ob es eintrifft, wird man sehen. Es ist jedenfalls wichtig, die Strukturen dafür zu schaffen. Ich möchte nach einem Aufstieg berechtigte Hoffnung haben, in der Bundesliga zu bleiben."

Azzouzi bringt frischen Wind in den Verein. Und die Voraussetzung dafür, dass der nicht zu einem lauen Lüftchen abflaut, ist auch eine funktionierende Jugendarbeit. Azzouzi hat dem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) am Brummerskamp bereits einen Besuch abgestattet - und seine Begeisterung hält sich in Grenzen. "Es gibt vieles, was in diesem Bereich weiterentwickelt werden muss", kommentiert er das Gesehene. Die drei Standorte Brummerskamp, Kollaustraße und Millerntorstadion seien nicht förderlich, die Platzsituation am Brummerskamp mit nur einem Kunstrasen und einem halben Rasenplatz nicht zufriedenstellend. Die Vereinsverantwortlichen haben erkannt, dass Azzouzi in diesem Bereich schon in Fürth gute Arbeit geleistet hat, und ihn mit der entsprechenden Kompetenz ausgestattet. "Das NLZ liegt mir am Herzen", sagt der ehemalige Nationalspieler. "Wir müssen durchlässig sein für junge Spieler." Aber auch bei diesem Thema brauche es Zeit, um Veränderungen zu bewirken.

Veränderungen könnte es auch bei der Sitzordnung auf der Bank geben. In Fürth saß Azzouzi immer beim Trainer und den Spielern. "Ich überlege noch, wie ich das hier mache", sagt er. Er schätzt die Nähe zu den Spielern, möchte ein Gefühl für die Mannschaft entwickeln. Doch er weiß auch, dass in den Verhandlungen eine gewisse Distanz nötig ist. "Ich bin ein sehr direkter Mensch, der Probleme klar anspricht. Das ist wichtig in diesem Geschäft."

Von seiner Offenheit dürfen sich in den nächsten Tagen auch Mahir Saglik und Carlos Zambrano überzeugen. Neben Davidson Drobo-Ampem, der bereits nach einem neuen Verein sucht, gab es zuletzt immer wieder Gerüchte, dass Saglik und Zambrano den Verein noch verlassen. "Ich möchte mich erst mit den Spielern unterhalten und wissen, welche Vorstellungen sie haben", sagt Azzouzi, der es vermied, allzu konkrete Informationen darüber preiszugeben, auf welchen Positionen der Kader noch verstärkt werden soll. Es werden noch viele Gespräche folgen. Der Spaß hat gerade erst begonnen.