Der Welt- und Europameister kann als erste Mannschaft den dritten Titel nacheinander gewinnen. Der große Glanz aber fehlte bisher

Kiew/Donezk. Begleitet von einer Polizeieskorte rauscht der Mannschaftsbus heran, und vorbei ist es mit der Ruhe in der kleinen Seitenstraße Bogdana Chmelnizkogo 53. Der Welt- und Europameister gibt sich die Ehre im Endspielort Kiew, 13 Stunden nach dem Elfmeterkrimi gegen Portugal hat das Team von Vicente del Bosque die Mission "Finale" in Angriff genommen. "Creating history" steht auf der Windschutzscheibe des spanischen Gefährts mit Wiener Kennzeichen, und der offizielle EM-Slogan ist der Selección quasi auf den Leib geschneidert. Geschichte wollen sie schreiben am Sonntag, als erste Mannschaft drei große Turniere in Folge gewinnen.

"Ich bin sehr stolz auf diese Mannschaft", sagt del Bosque und gibt im pompösen Saal des edlen Opera-Hotels die Marschroute aus. Seine Spieler sind da schon längst auf ihren Zimmern. In Windeseile waren sie durch den Seiteneingang gehuscht. Erleichterung war nach dem Kraftakt gegen Portugal in Donezk aus ihren müden Gesichtern herauszulesen.

Nach 120 torlosen Minuten hatte der Titelverteidiger die tapfer kämpfenden Portugiesen im Elfmeterschießen des Halbfinals mit 4:2 niedergerungen. Eine Galavorstellung war es bei Weitem nicht. Harte Arbeit hatten sie verrichten müssen. "Meine Spieler sind müde, sie waren am Limit", betonte del Bosque am Tag danach und strahlte wieder Zuversicht aus: "Wir haben nun ein paar Tage Zeit. Dann sind wir wieder bereit."

Del Bosque ist die Ruhe selbst. Nichts kann den Mann mit dem Schnauzbart aus der Ruhe bringen, auch nicht die neu entfachte Diskussion über das spanische System. "Spanien wird niemals den Spielstil ändern, egal auf wen wir treffen", betont del Bosque, dem die Pfiffe in der Donbass-Arena noch in den Ohren klingen dürften.

Als das Starensemble gegen Portugal den Ball mal wieder ohne Raumgewinn durch die eigenen Reihen zirkulieren lassen hatte, regte sich auf den Tribünen Unmut. Dieses Kurzpassspiel, das sie in Spanien "Tiki-Taka" nennen, schien den Gegner diesmal nicht zu zermürben. Portugal wehrte sich nach Kräften und schon früh in der gegnerischen Hälfte. Den Spaniern blieben phasenweise nur maschinenhafte Zuspiele ohne Risiko oder Spektakel.

"Portugal hat das Spiel zeitweilig kontrolliert. Beide Mannschaften hatten nicht viele Torchancen. Wir müssen uns verbessern", sagte Vicente del Bosque nach dem Nervenkrimi, den er sich wohl nur zu gern erspart hätte. Auch der eingewechselte Cesc Fàbregas, der den entscheidenden fünften Elfmeter verwandelte, gab zu: "Vielleicht war es nicht unser bestes Spiel." Um diese eine wirklich herausragende Partie zu zeigen, bleibt nun nur noch eine Möglichkeit: das Endspiel am kommenden Sonntag in Kiew.

"Es ist einfach nur wichtig, dass wir im Finale sind", sagte Casillas, der seine Mannschaft im Elfmeterschießen im Spiel gehalten hatte. Nachdem Spaniens Xabi Alonso mit dem ersten Schuss am portugiesischen Schlussmann Rui Patrício gescheitert war, parierte Casillas unmittelbar im Anschluss gegen João Moutinho. "Wir hatten Glück und den besten Keeper der Welt", bilanzierte Abwehrspieler Sergio Ramos, nach Spaniens drittem Finaleinzug bei einem großen Turnier nacheinander.

Dies war vorher nur Deutschland 1972 bis 1976 gelungen. Das dritte Finale aber verlor die DFB-Auswahl gegen die Tschechoslowakei im Elfmeterschießen. In Spanien ist der dritte Coup fest eingeplant. Casillas, von Ramos als "bester Torhüter der Welt" geadelt, dachte vor dem Endspiel in größeren Dimensionen. "In diesen Krisenzeiten ist der Fußball eine Oase, der alle Probleme ein wenig vergessen lässt", sagte der 31-Jährige.