Nach vielen Rückschlägen empfängt der Klub aus der vierten Liga heute Mainz 05

Kiel. Das Büro von Wolfgang Schwenke ziert ein grüner Wimpel. "Deutscher Fußballmeister 1912" ist darauf gedruckt, eine Erinnerung an den größten Erfolg der Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900, kurz Holstein Kiel. Schwenke, fünfmaliger Handballmeister mit dem THW Kiel und heute Geschäftsführer der Holsteiner, verbittet sich jedoch jegliche Fantasterei. "Wir haben gesagt, wir machen den Wahnsinn nicht weiter", sagt der 43-Jährige.

Allein im DFB-Pokal ist eine kurze Flucht aus dem Alltag genehmigt. Vor dem Achtelfinalspiel gegen Mainz 05 (heute, 19 Uhr/Sky) sagt Schwenke: "Wir dürfen von mehr träumen." Seit 2001 (1. FC Magdeburg) hat zwar kein Viertligaklub mehr den Einzug unter die letzten acht des nationalen Pokalwettbewerbs geschafft, doch in Kiel gibt man sich zuversichtlich. Die beiden souveränen Siege der "Störche" gegen die Zweitligisten Energie Cottbus (3:0) und MSV Duisburg (2:0) haben das Selbstbewusstsein gestärkt.

Das, was Schwenke mit "Wahnsinn" bezeichnet, hat viel mit der glorreichen Vergangenheit zu tun. Als der Klub 2009 den Ex-Bundesligatrainer Falko Götz verpflichtete, setzte sich Holstein-Präsident Roland Reime den Aufstieg in die Zweite Bundesliga zum Ziel - und zwar für spätestens 2012, zum 100. Jubiläumsjahr der Meisterschaft.

Diese Idee, mit einem großen Namen und viel Geld den Aufstieg zu erzwingen, scheiterte grandios. Am Ende stand ein spektakulärer Prozess vor dem Arbeitsgericht Kiel. Götz hatte gegen seine fristlose Kündigung geklagt, die der Klub ausgesprochen hatte, weil der Trainer einen Spieler nach einer Niederlage bei Eintracht Braunschweig ins Gesicht geschlagen haben soll. Götz verlor den Prozess und damit eine satte Abfindung. Auch der Nachfolger war ein bekannter Name: Ex-Profi Christian Wück. Doch auch der konnte den Niedergang nicht aufhalten. Im Sommer 2010 stieg die KSV Holstein aus der 3. Liga, die doch nur Zwischenstation sein sollte, in die Regionalliga Nord ab.

Seitdem setzt der Verein wieder auf eine andere Philosophie. Elementarer Teil des neuen Konzeptes ist die Besetzung des Trainerpostens. Der Klub übertrug die Verantwortung dem 45 Jahre alten Thorsten Gutzeit, der als U19- und U23-Coach die Jugend des Klubs bestens kannte.

"Gutzeit", sagt Schwenke, "ist nicht so der große Name." Aber er sei ehrgeizig, fleißig, konsequent und lernfähig. Gutzeit macht einen lässigen Eindruck. "Ich habe einfach in das Anforderungsprofil gepasst, als der Neuaufbau gestartet wurde", sagt er. Andererseits macht er sich keine Illusionen darüber, dass der Klub wieder aufsteigen will. Spätestens 2013 - nach der erfolgreichen Alltagsflucht im Pokal.