Erst feiert die Borussia einen 1:0-Sieg in München. Dann stichelt Vereinschef Watzke gegen den Rekordmeister

München/Dortmund. Am Sonntagmorgen setzte sich Philipp Lahm in sein Auto und fuhr zur Säbener Straße. Sein Trainer Jupp Heynckes hatte die Mannschaft für 11 Uhr zum Trainingsgelände des FC Bayern München bestellt. Tagesordnung: Auslaufen und Fehleranalyse. Wie hatte es zum 0:1 (0:0) gegen Borussia Dortmund kommen können? Wieso hatte die Mannschaft am Sonnabend im Spitzenspiel nicht an die Topform der Vorwochen anknüpfen können und den BVB in der Tabelle der Bundesliga auf zwei Punkte herankommen lassen?

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Die Niederlage war längst nicht so eindeutig wie im Februar, als Dortmund mit dem 3:1 in München den Grundstein zur Meisterschaft gelegt hatte. Doch die jüngste Bilanz gegen den BVB ärgert die Bayern enorm: drei Niederlagen in drei Spielen, zwei davon zu Hause. Die Borussia hat bewiesen, dass sie der ärgste Konkurrent des Rekordmeisters bleibt. "Wir haben die große Chance verpasst davonzuziehen. Das ist bitter", sagte Bayern-Kapitän Lahm. Der Kampf um die Tabellenführung schien in den vergangenen Wochen schon beinahe entschieden - und ist nun neu entfacht. Die Münchner versuchten, ihren Frust zu kaschieren. "Wir haben nie zu denen gehört, die meinten, dass die Meisterschaft bis Weihnachten entschieden ist. All die können sich jetzt auf einen spannende Saison freuen", sagte Sportchef Christian Nerlinger. Arjen Robbens Aussage klang dagegen fast schon komisch: "Das ist ja das Schöne an der Bundesliga, es bleibt immer spannend. In Spanien weiß man immer früh, wer Meister wird."

Erstmals seit rund sieben Wochen Verletzungspause hatte der Niederländer gegen den deutschen Meister wieder gespielt - überraschend von Beginn an. Thomas Müller rückte ins zentrale Mittelfeld, Toni Kroos spielte mit Luis Gustavo vor der Abwehr, Robben sollte über die rechte Seite die Dortmunder unter Druck setzen. "Der Trainer hat mich gefragt, ob ich anfangen kann. Er meinte, dass wir im Mittelfeld erfahrene Spieler brauchen."

Heynckes' Entscheidung erwies sich als falsch. Robben spielte bis zu seiner Auswechslung (72.) schwach, die Verschiebungen im System behinderten den Spielfluss: Stürmer Mario Gomez bekam kaum Bälle, das Mittelfeld war oft ungeordnet. Der Ausfall Bastian Schweinsteigers, der mit einem Schlüsselbeinbruch für den Rest der Hinrunde pausieren wird, wiegt deutlich schwerer, als der Rekordmeister es sich erhofft hatte. "Es hat die Leichtigkeit und Frische gefehlt, die wir in den Heimspielen davor hatten", sagte Nerlinger.

Robben nahm er in Schutz. Man dürfe die Niederlage nicht an ihm festmachen, nach seiner langen Pause seien keine Wunder zu erwarten. Der Offensivstar sagte: "Normalerweise fängt man von der Ersatzbank an. Ich brauche noch Spiele, um mein Niveau zu erreichen." Die Bayern-Chefetage um Uli Hoeneß betont, wie wichtig Robben in der Saison noch werden kann. Status quo ist aber: Die Bayern sind ohne Robben stärker, eingespielter, schneller im Umschalten von Offensive auf Defensive und umgekehrt. War bei jedem Spieler das nötige Feuer da, wurde Holger Badstuber gefragt. "Das kann ich schlecht beurteilen. Da muss sich jeder Einzelne hinterfragen", sagte der Nationalverteidiger. Trainer Heynckes umschrieb kryptisch, dass ihm am Tag vor dem Spiel innerhalb der Mannschaft etwas nicht gefallen habe. Offenbar hat die Personalie Robben mehr Unruhe als Sicherheit gebracht.

Die unterschiedliche Form ihrer Mittelfeldstars war Sinnbild für den Unterschied der beiden Mannschaften an diesem 13. Spieltag: Dortmund hatte in Mario Götze das "Gehirn", das den Bayern in Schweinsteiger fehlt. Der 19-Jährige war bester Mann auf dem Spielfeld und erzielte den Siegtreffer (65.). Auch Robben erkannte an, dass Götze viel besser war als er selbst: "Er ist jung und sehr talentiert. Klar, dass viele Vereine in Europa ihn jetzt sehr genau anschauen." Darunter der FC Bayern. Götze sagte zum Interesse der Münchner nur, dass er sich in Dortmund sehr wohlfühle. Und genoss den Jubel mit den Fans. "Deutscher Meister wird nur der BVB", sangen die Anhänger noch lange nach Spielschluss im Stadion.

Und am Sonntag ging der Jubel daheim bei der Jahreshauptversammlung weiter. Als die Mannschaft um 13.06 Uhr in die Westfalenhalle II kam, applaudierten die rund 900 Mitglieder minutenlang. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte: "Liebe Bayern-Bezwinger, jeder wird euch danken, dass ihr die Liga wieder spannend gemacht habt. Außer einer kleinen Enklave in München." Er verkündete zudem, dass der Klub im abgelaufenen Geschäftsjahr 9,5 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet hat. Und stichelte mit Bezug auf die Bilanzzahlen der Bayern gegen den Rivalen: "Wo bei uns 9,5 steht, steht in München eine 1,2."

Watze stimmte Mannschaft und Fans dann noch auf die kommenden Aufgaben ein. Am Mittwoch will der BVB in der Champions League mit einem Sieg gegen den FC Arsenal seine Chance aufs Achtelfinale wahren, am Sonnabend empfängt er den FC Schalke 04. "Der Sieg gegen Bayern gibt dafür Selbstvertrauen", sagte Götze. Dem Asenal sind seine Qualitäten bereits vor dem Duell aufgefallen: Der Premier-League-Klub soll bereit sein, 40 Millionen Euro für ihn zu zahlen. Spielt Götze am Mittwoch so wie gegen Bayern, dürften die Briten das Angebot erhöhen.