Ein Kommentar von Kai Schiller

Es ist ziemlich genau zehn Jahre her, da wurde eine neue Weltmacht im Fußball gefeiert. Innerhalb von nur zwei Jahren war Frankreich Welt-(1998) und Europameister (2000) geworden, hatte Fußballanhänger rund um den Globus verzückt und trat nun an, bei der WM 2002 und der EM 2004 ihre Titel zu verteidigen. Doch irgendwann zwischen den Titelfeiern und den Vorbereitungen auf das Turnier 2002 hat die Grande Nation ihre Leichtigkeit des Seins verloren. Statt in Japan und Südkorea erneut zu triumphieren, schied Frankreich bereits in der Vorrunde aus, zwei Jahre später war im Viertelfinale Schluss. Die Franzosen waren ganz einfach zu satt geworden, konnten sich von diesem Rückschlag trotz der Teilnahme am WM-Finale 2006 nie mehr erholen.

Im Fußball, und diese Lehre ist mehr als nur drei Euro für das Phrasenschwein wert, geht es oft schneller, als man denkt. Während Frankreich damals auf dem Olymp war, stand Fußball-Deutschland vor einem einzigartigen Scherbenhaufen. Heute haben sich die Vorzeichen grundlegend gewandelt. La France kämpft um den Anschluss an die Top-Nationen, Deutschland gehört dagegen zum Favoritenkreis auf den EM-Titel. Doch das Beispiel Frankreich sollte auch lehren, dass man traditionell die meisten Fehler im Erfolgsfall macht. Dabei hinkt der Vergleich zu Frankreich an einer zentralen Stelle: Les Bleus wurden immerhin Welt- und Europameister, bevor sie träge wurden. Deutschlands Supermannschaft, die nach dem 3:0-Sieg gegen die Niederlande wie die Auferstehung der Beatles gefeiert wird, muss ihre erste Trophäe dagegen erst noch gewinnen.