Steuerfahnder durchsuchen mehrere Wohnungen von Unparteiischen, die in der Bundesliga pfeifen. Auch beim DFB wurden Unterlagen angeschaut.

Frankfurt/München. Sie kamen so, wie es ihr Job verlangt. Ohne Vorankündigung standen die Steuerfahnder am Montagmorgen plötzlich in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt/Main vor der Geschäftsstelle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und baten um Zutritt. Die Beamten kamen, um "Einsicht in Unterlagen aus dem Schiedsrichterbereich zu nehmen", hieß es in einer Erklärung des weltgrößten Sportfachverbandes.

Zeitgleich rückten die Steuerfahnder auch in München an. Dort durchsuchten sie mehrere Wohnungen prominenter Bundesliga-Referees. Das bestätigten Betroffene, ohne dabei ihre Namen nennen zu wollen. Hintergrund der gemeinsamen Aktion mehrerer Staatsanwaltschaften und Steuerfahndungen sei "der Verdacht, dass in der Vergangenheit Schiedsrichter ihre Einnahmen möglicherweise nicht ordnungsgemäß versteuert haben". Laut "Kölner Express" sollen gleich mehrere Bundesliga-Schiedsrichter Einnahmen aus Freundschaftsspielen am Fiskus vorbeigeführt haben. Außerdem sollen sie die Fahrten zu Einsätzen doppelt abgerechnet oder die vom Verband gestellte Dienstkleidung im großen Stil als Werbungskosten verbucht haben. Die Steuerfahnder wollen insbesondere die Gewerbesteuerabgaben vom Jahr 2009 an sowie die Fahrtenbücher der Verdächtigten prüfen.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) ermitteln die Behörden gegen knapp zwei Dutzend Personen. Außerdem soll der DFB bereits seit dem Frühjahr von möglichen Unregelmäßigkeiten gewusst haben. Gegen den Verband wird allerdings nicht ermittelt. "Es gibt keinerlei Vorwürfe gegen den DFB. Wir werden die Steuerbeamten bei den Ermittlungen selbstverständlich mit all unseren Möglichkeiten unterstützen. Die korrekte Versteuerung seiner Einnahmen obliegt jedem Schiedsrichter selbst", sagte Generalsekretär Wolfgang Niersbach. Pressesprecher Ralf Köttker ergänzte: "Die Beamten haben von ihrem Recht auf Durchsuchung kein Gebrauch gemacht, weil der DFB die betreffenden Akten bereitwillig herausgegeben hat."

Völlig überrascht zeigten sich DFB-Schiedsrichterboss Herbert Fandel sowie Lutz Wagner, Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission. "Wir warten jetzt erst einmal die Ermittlungen ab", sagte Fandel. Wagner betonte: "Grundsätzlich ist jeder Schiedsrichter selbst für die Abgabe seiner Steuern zuständig." Auch Gerhard Geckle, Vorsitzender der DFB-Kommission für öffentliches Finanzwesen und Lizenzierung, wunderte sich über den Vorfall. Schließlich sei das Thema Steuern fester Bestandteil bei Schiedsrichterschulungen. "Es wundert mich, dass es da offensichtlich Hinterziehungsfälle geben soll", sagte Geckle. Für die Betroffenen könne es "relativ teuer" werden, sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, meinte der Rechtsanwalt.

Das deutsche Schiedsrichterwesen war seit 2005 immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Zunächst belastete die Manipulationsaffäre um den ehemaligen Referee Robert Hoyzer die Gilde, 2009 wurde Michael Kempter (Sauldorf), der frühere Referee des Weltverbandes Fifa, wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 23 750 Euro verurteilt. "Michael Kempter hat das längst transparent dargelegt und den Behörden gegenüber immer mit offenen Karten gespielt. Dem DFB ist dieser Vorgang bekannt", sagte Christoph Schickhardt, Michael Kempters Anwalt. Dann folgte zu Beginn des vergangenen Jahres der Sexskandal um Kempter und Manfred Amerell. Hintergrund der noch immer schwelenden Auseinandersetzung ist, dass Kempter seinem früheren Förderer Amerell sexuelle Belästigung in mehreren Fällen vorwirft. Amerell besteht darauf, dass die Affäre stets einvernehmlich war. Er verlangt wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte Schmerzensgeld.

Laut SZ soll Amerell nach einer Verhandlung vom 10. Februar 2011 vor dem Landgericht Hechingen zwei Angaben Kempters auf ihre Plausibilität geprüft haben, wobei ihm Ungereimtheiten auch in finanzieller Hinsicht aufgefallen seien. Anschließend habe er sich an die Steuerfahndung Augsburg gewandt, die ihre Anfangsermittlungen im Schiedsrichterwesen daraufhin ausweiteten, was letztlich auch zu den Razzien führte. So seien gestern auch Kempters Privaträume in Sauldorf durchsucht worden.