Der Brasilianer sorgt in der 90. Minute für den Sieg des FC Bayern. Wolfsburgs Magath tobt über Fehlentscheidung

München. Die Fans verstanden den ersten Saisonsieg als Aufforderung, eine Party zu veranstalten. Rund 2000 Anhänger des FC Bayern verwandelten das Training an der Säbener Straße gestern Vormittag in ein Sommerfest. Bei 31 Grad und Sonnenschein klatschten sie der Mannschaft Beifall, als sie auf den Rasen lief. Kinder kühlten sich an der Sprinkleranlage ab, Väter saßen im Biergarten auf dem Vereinsgelände, Mütter sonnten sich auf dem Rasen am Spielfeldrand und aßen Currywurst mit Pommes frites. Und mittendrin schwitzten die Stars um Nationalspieler Bastian Schweinsteiger: Trainer Jupp Heynckes ließ sie Basketball spielen. Fußballer, Fast Food, Familienausflug - die Stimmung war bestens.

Das 1:0 beim VfL Wolfsburg am Tag zuvor war für Mannschaft und Fans eine Befreiung gewesen, rechtzeitig vor dem ersten Qualifikationsspiel zur Champions League gegen den FC Zürich am Mittwoch (20.45 Uhr, Sat.1) und dem Heimspiel am Sonnabend gegen den HSV. Nach der Auftaktniederlage gegen Borussia Mönchengladbach hätte ein Unentschieden eine herbe Enttäuschung bedeutet. "Es wäre ganz schön was los gewesen, wenn wir hier nicht gewonnen hätten", sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos, und Torwart Manuel Neuer strahlte: "Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen."

Es war allerdings eine Befreiung mit Makeln, die Bayern überzeugten spielerisch wieder nicht. Nach 90 Minuten hatte es 0:0 gestanden, erst in der Nachspielzeit traf Luiz Gustavo zum Sieg. Vorher hatte Schiedsrichter Knut Kircher ein Kopfballtor des Wolfsburger Stürmers Patrick Helmes zu Unrecht nicht anerkannt. Die TV-Bilder zeigten klar, dass es kein Abseits war. Entsprechend wütend zeigte sich Wolfsburgs Trainer Felix Magath: "Wenn vier Mann nicht in der Lage sind, das richtig zu entscheiden, wird es Zeit, dass man dazu übergeht, den Fernsehbeweis einzuführen." Schiedsrichter Knut Kircher gab selbstkritisch unumwunden zu: "Nachdem wir uns die TV-Bilder angesehen haben, gibt es dazu keine zwei Meinungen - es war kein Abseits. Wir haben einen Fehler gemacht."

Viele finden, dass die Art und Weise des Sieges typisch für die Münchner war, und sprechen vom "Bayern-Dusel". Wolfsburgs Profi Hasan Salihamidzic, der neun Jahre für den Rekordmeister spielte, sagte: "Wir haben ein reguläres Tor geschossen. Und die Bayern sind in der Kabine und wissen nicht, wie sie gewonnen haben." Die Sieger sehen es natürlich positiver. Hauptsache, gewonnen. "Das ist der FC Bayern. Bis zum Ende kämpfen, bis zum Ende dran glauben. Bis der Schiedsrichter abpfeift", betonte Schweinsteiger. Sportdirektor Christian Nerlinger hatte sich während der Partie nach eigener Aussage schon mit einem Unentschieden abgefunden. Er sieht die drei Punkte als Belohnung für "die Siegermentalität". Die hatte gegen Gladbach gefehlt. Er gab dennoch zu: "Es war keine Glanzleistung."

Dem FC Bayern fehlten in der Offensive erneut die Ideen. Und das Duo Arjen Robben/Franck Ribéry konnte wieder einmal nicht zusammenspielen. Diesmal fehlte Robben wegen Rücken- und Adduktorenschmerzen, kann gegen Zürich aber wohl auflaufen. Für ihn rückte Thomas Müller auf die rechte Außenbahn und spielte längst nicht so stark wie gewohnt. Mario Gomez war als einzige Spitze unauffällig. "Die Qualität ist da. Wir müssen ruhig bleiben, und dann werden wir noch stärker", sagte Torschütze Luiz Gustavo.

Im Hinspiel gegen Zürich in der Allianz-Arena am Mittwoch hofft er auf einen deutlichen Sieg. Die Schweizer sind für die Bayern der Türsteher der Königsklasse: Sind sie an ihm erst vorbei, soll es, hoffen sie zumindest, ein langer Aufenthalt werden. Bis zum 19. Mai 2012 wollen sie im Klub der Großen bleiben: An diesem Tag nämlich steigt das Finale der Champions League ausgerechnet in München.

"Nach der Niederlage gegen Mönchengladbach hat sich jeder einen Kopf gemacht. Aber jetzt haben wir ein gutes Gefühl und Selbstvertrauen für das Spiel gegen Zürich", sagte Kapitän Philipp Lahm. Die Chancen auf einen guten Saisonstart seien noch gut. Auch weil der deutsche Meister Borussia Dortmund überraschend bei der TSG Hoffenheim 0:1 verlor. Und weil die Abwehr sich diesmal weniger Fehler leistete, zumindest keine mit Folgen.

Beim Spiel nach vorn zeigt sich Trainer Jupp Heynckes wie Gustavo geduldig. Er sei ein offensiv denkender Trainer. Aber es brauche eben alles seine Zeit. Mit der Mannschaft habe er zuletzt intensiv an der Defensive gearbeitet. Vielleicht sei die Offensive da ein wenig vernachlässigt worden. "Wir müssen die Chancen besser nutzen, auch wenn wir nur wenige bekommen", so Heynckes. Auch Lahm fordert ein dynamischeres Angriffsspiel: "Wir müssen schneller umschalten und schneller nach vorn spielen. Dann klappt es."

Hoffnung macht ihnen, dass Franck Ribéry nach überstandener Sprunggelenksverletzung in Wolfsburg von Beginn an aggressiv spielte. Auch der Franzose ist noch nicht in Topform, zeigte aber wie zuvor im Training einen enormen Willen. Genauso der kroatische Stürmer Ivica Olic, den Heynckes erstmals nach neun Monaten Verletzungspause wieder einwechselte. "Ich freue mich für ihn", sagte der Trainer. Er liebt den internationalen Vergleich und brennt wie seine Spieler auf die Partie gegen Zürich. "Wir müssen zwei Spiele machen und fertig. Dann sind wir weiter", sagte Thomas Müller. Die Bayern-Fans würden am Mittwochabend zu gern die nächste Party feiern, diesmal im eigenen Stadion.